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Stausee vor Ossingen
Warum der Kanton Zürich von einem Kraftwerk an der Thur nichts wissen will

Rechts über Mitte: Ossingen, links leicht über Mitte: Dätwil, unten: Gütighausen
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Mit Hochdruck sucht die Baudirektion von Martin Neukom (Grüne) derzeit nach Möglichkeiten, die klimafreundliche Stromproduktion hochzufahren. Mehr Energie soll hier bei uns produziert werden, und zwar aus erneuerbaren Quellen, lautet die Devise.

Neben den Plänen zum Ausbau der Windkraft gab der Regierungsrat Anfang Juli bekannt, dass er auch ein unterirdisches Kraftwerk beim Rheinfall in der Nähe des Schlosses Laufen in den Richtplan eintragen will.

Genauer geprüft hat der Kanton zudem Richtplaneinträge für zwei weitere Wasserkraftwerke: am Rhein zwischen Flaach und Rheinau und an der Thur bei Ossingen und Thalheim an der Thur. Allerdings kommen diese beiden Flussabschnitte aus Neukoms Sicht für die Stromproduktion nicht infrage, wie er Anfang Juli bekannt gab. Ein neues Rhein-Kraftwerk im Bereich des Naturschutzgebiets Thurauen sei «nicht wünschenswert».

«Technisch-ökonomisch realistisch»

Bei seinem Entscheid für einen Verzicht auf ein Thur-Kraftwerk bei Ossingen stützte sich der Energieminister auf zwei Gutachten des Planungsbüros Entegra und des Beratungsunternehmens EBP.

Stausee im Thurtal mit einem Staudamm bei Gütighausen: Die Karte zeigt die möglichen Auswirkungen, welche ein Aufstau der Thur für die Stromproduktion hätte.

Diese untersuchten im Auftrag des Kantons 2021/22 diverse Standorte an Flussläufen des Kantons, die für die Wasserkraftnutzung infrage kommen könnten. Die Gutachten zu Potenzial und Umweltauswirkungen solcher Projekte liegen dieser Redaktion vor.

Im Bereich von Limmat, Rhein, Sihl und Reuss gibt es gemäss den Studien keine geeigneten Standorte für Wasserkraftwerke im Kanton Zürich. An der Töss und der Glatt fehlen Standorte mit genügend grossem Leistungspotenzial für einen Eintrag in den Richtplan.

Für den Thurabschnitt zwischen der Kantonsgrenze bei Uesslingen TG und Kleinandelfingen weist die Studie des Planungsbüros Entegra dagegen verschiedene Varianten für Kraftwerkstandorte aus, die «technisch-ökonomisch als realistisch eingeschätzt werden». Das unausgeschöpfte Wasserkraftpotenzial beziffern die Fachleute auf 4,5 Megawatt.

Staumauer bei Gütighausen

Neben Laufkraftwerken schlägt Entegra auch mögliche Standorte von Ausleitkraftwerken vor. Bei diesen wird ein Teil des Wassers ausgeleitet und über einen Stollen weiter unten wieder in den Fluss eingeleitet. Zwischen der Staumauer und der Stelle der Einleitung gibt es eine Restwasserstrecke.

Das Gutachten enthält mehrere Karten, auf denen zu sehen ist, welche Auswirkungen ein Aufstau der Thur für die Stromproduktion hätte.

Staumauer vor Andelfingen: Diese Karte zeigt die voraussichtlichen Folgen eines Wasserkraftwerks an der Thur.

So wäre bei der Variante mit einem Laufkraftwerk mit einer Staumauer auf 367 Metern über Meer oberhalb von Gütighausen und einem Stauziel bei 376 Metern über Meer ab der Thurgauer Kantonsgrenze mit einem beachtlichen Stausee im Thurtal zu rechnen. Für diese Variante gehen die Fachleute von einer Leistung von 5,7 Megawatt und einer mittleren jährlichen Produktion von 24,6 Gigawattstunden aus.

Der Bericht des Beratungsunternehmens EBP weist ausdrücklich auf das Konfliktpotenzial eines solchen Wasserkraftwerks an der Thur hin. So würden Auengebiete von nationaler Bedeutung tangiert, zudem befänden sich die Standorte in der zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) gehörenden Glaziallandschaft zwischen Thur und Rhein.

Produktionsmenge spielt wichtige Rolle

«Hier ist in einer nächsten Phase eine detaillierte Interessenabwägung notwendig», heisst es im EBP-Bericht. Eine grosse Rolle spiele dabei die jährliche Produktionsmenge. Liegt diese über 20 Gigawattstunden, sei das nationale Interesse an der Anlage gegeben und eine Interessenabwägung in Bezug auf die Schutzziele des BLN-Gebiets grundsätzlich möglich, «auch wenn der Eingriff als schwer bezeichnet würde».

Winterthur 01.07.2011 / Renaturierung der Thur bei Altikon .
   
Bild: Heinz Diener

Gestützt auf die Fachgutachten, kommt der Regierungsrat zum Schluss, dass der Zürcher Thurabschnitt für die Stromproduktion nicht infrage kommt, wie er in seinem Bericht zur Richtplanrevision vom Juni festhält. Die Thurstrecke zwischen der Kantonsgrenze bei Uesslingen und Kleinandelfingen verfüge zwar über ein unausgeschöpftes Wasserkraftpotenzial. Es seien jedoch auf der Gewässerstrecke verschiedene wichtige Schutzgüter tangiert, welche dieses Potenzial wieder einschränkten.

«Die Thurschlaufen in diesem Gebiet sind landschaftlich wertvoll und enthalten wichtige Biotope für Tiere und Pflanzen, eine besonders sorgfältige Einpassung der Staustufe und des Ausleitkraftwerks wäre zwingend», heisst es.

«Massive Eingriffe» in Schutzgüter

Da Infrastruktur und Restwasserstrecke innerhalb des geschützten BLN-Gebiets zu liegen kämen, müsse entweder ein nationales Interesse an der Stromproduktion nachgewiesen oder eine erhebliche Beeinträchtigung des BLN ausgeschlossen werden können, schreibt die Regierung weiter.

Verstaerkungsarbeiten an der Eisenbahnbruecke bei Ossingen.

«Ein Laufkraftwerk von nationalem Interesse könnte nur mit massiven Eingriffen in die verschiedenen Schutzgüter in diesem Gebiet erreicht werden.» Eine umweltrechtlich konforme Umsetzung erscheine «äusserst unwahrscheinlich».

Die Kraftwerksideen an der Thur würden deshalb nicht weiter verfolgt, sagt Dominik Bonderer, der Sprecher der Baudirektion. Das Potenzial zur Energiegewinnung stehe in keinem Verhältnis zu den Naturwerten, die verloren gingen.

Bonderer weist darauf hin, dass es sich bei den in den Gutachten aufgeführten Varianten und Karten um Planspiele und hypothetische Darstellungen handle. «Es ist keineswegs so, dass der Kanton die Absicht gehabt hätte, das Thurtal zu fluten.»