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Die Popikone und die Superbowl
Taylor Swift stiehlt den schweren Jungs die Show – und erzürnt Trump und Co.

BALTIMORE, MARYLAND - JANUARY 28: Travis Kelce #87 of the Kansas City Chiefs celebrates with Taylor Swift after a 17-10 victory against the Baltimore Ravens in the AFC Championship Game at M&T Bank Stadium on January 28, 2024 in Baltimore, Maryland. (Photo by Patrick Smith/Getty Images)
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Was als Liebelei begann, wird zum Krimi. Zum Thriller mit irren Wendungen, schrägen Standpunkten und Verschwörungsfantasien. Sogar das Pentagon und hochrangige Politiker hält er auf Trab.

Um Sport allein geht es eine Woche vor der Superbowl kaum noch, dem Endspiel im US-Nationalsport Football, das wieder einmal alle Rekorde brechen wird. In Las Vegas stehen sich die Kansas City Chiefs und San Francisco 49ers gegenüber und duellieren sich um die wichtigste Trophäe im nordamerikanischen Sport. Unter 8000 Dollar sind die wenigen auf dem Zweitmarkt noch verfügbaren Tickets in der Spielerstadt nicht zu bekommen.

Das liegt aber nicht in erster Linie an der sportlichen Affiche, die es in sich hat. Ebenso wenig an den Quarterbacks, in aller Regel die grössten Stars der Teams. Es liegt an einer Zuschauerin: Taylor Swift.

Swift ist Sängerin von Weltformat, ein Super- oder Megastar mit unzähligen Nummer-1-Hits, das Vermögen der 34-Jährigen soll seit kurzem mehr als eine Milliarde Dollar betragen, ihre Konzerte sind immer innert Minuten ausverkauft. Sie hat eine riesige Fanbasis, «Swifties» genannt, auf Instagram folgen ihr fast 280 Millionen Menschen. Und die interessieren sich plötzlich alle auch noch für Football. Irgendwie jedenfalls.

Denn seit einigen Monaten ist Swift mit Travis Kelce liiert, bei den Kansas City Chiefs ein Angreifer. Er ist einer der Grossen dieses Sports und hat mit den Chiefs schon zweimal die Superbowl gewonnen. Zuletzt im Playoff trumpfte Kelce, fast zwei Meter hoch und 116 Kilogramm schwer, wieder gross auf und trug massgeblich zum nächsten Finaleinzug seiner Mannschaft bei.

In den letzten Wochen verpasste Swift kein Spiel ihres Freundes – und war dadurch omnipräsent im Stadion und im TV: Regelmässig schwenkten Kameras Richtung Starsängerin und zeigten sie mitleidend, fluchend oder (meistens) jubelnd. Nach dem Sieg im Halbfinal am vergangenen Sonntag gegen die Baltimore Ravens eilte sie zu Kelce aufs Feld und drückte sich eng an ihren Freund. Dankbar hielten die Fotografen die Kameras drauf, an den Bildschirmen schauten Dutzende von Millionen zu.

epa11111767 Singer-songwriter, Taylor Swift (3-R) looks up towards the jumbo screen while watching her boyfriend, Kansas City Chiefs tight end Travis Kelce play against the Baltimore Ravens during the second half of the AFC conference championship game between the Baltimore Ravens and the Kansas City Chiefs in Baltimore, Maryland, USA, 28 January 2024. The AFC conference championship Kansas City Chiefs will face the winner of the NFC conference championship game between the San Francisco 49ers and the Detroit Lions to advance to the Super Bowl LVIII in Las Vegas, Nevada, on 11 February 2024.  EPA/SHAWN THEW

Für die «Swifties» sind solche Szenen der Grund, ebenfalls einzuschalten, wenn die Chiefs spielen. Sie wollen einen Blick auf die Popikone erhaschen. Das sorgt für die höchsten Einschaltquoten in der Geschichte der National Football League (NFL), auch der Anteil der Zuschauerinnen ist so hoch wie nie. Eine Studie hat errechnet, dass die NFL seit September nur dank Swifts Präsenz über 330 Millionen Dollar eingenommen hat – mit dem Verkauf von Fanartikeln oder neuen Streaming-Abonnements.

Mit Swift und der lukrativsten Sportliga der Welt (Umsatz im Jahr 2022 fast 19 Milliarden Dollar) haben sich zwei Schwergewichte gefunden. Und Kelce sagt: «Ich habe Spass an diesem Zirkus.»

Bei den traditionellen Footballfans hingegen kommen Taylor Swift und der ganze Rummel nicht gut an. Vordergründig beklagen sie eine Ablenkung vom Wesentlichen, dem Sport, dem Gemetzel auf dem Platz. Und dem, was sonst ja zu einem Footballspiel gehört: dem Essen, dem Trinken, dem Gebrülle auf den Tribünen.

Der NFL-Fan ist weiss, männlich, konservativ

Hinter der Aversion steckt allerdings vor allem ein Kulturkampf: Der durchschnittliche NFL-Fan ist weiss, männlich und konservativ, die Sportart ist im Bibelgürtel ganz besonders populär. In jenen ländlichen Gebieten im Mittleren Westen und Süden der USA also, wo, überspitzt formuliert, die Frau am Herd steht, der Mann das Geld nach Hause bringt, das Gewehr im Schrank steht und man sich so lange wie möglich Sklaven hielt. Auch Missouri, der Heimatstaat der Kansas City Chiefs, ist republikanisch geprägt.

Swift aber stiehlt mit ihrer Präsenz im Stadion den starken Männern die Show. Und weil sie sich getraut, ihre Popularität zu nutzen, ihre Meinung zu äussern und ihre Überzeugungen kundzutun, wird sie zur Zielscheibe. In den sozialen Medien muss sie lesen (sofern sie überhaupt mitliest), dass sie nur hinter dem Geld des bekannten Footballers her sei. Tatsächlich ist sie sehr, sehr viel reicher als ihr gleichaltriger Freund, mit knapp 16 Millionen Dollar jährlich immerhin der am viertbesten bezahlte Tight End der Liga.

FRANKFURT AM MAIN, GERMANY - NOVEMBER 05: Travis Kelce #87 of the Kansas City Chiefs looks on prior to the NFL match between Miami Dolphins and Kansas City Chiefs at Deutsche Bank Park on November 05, 2023 in Frankfurt am Main, Germany. (Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Es ist halt so eine Sache mit Fakten im aktuellen Amerika: Sie werden inzwischen in sehr vielen Lebensbereichen geleugnet. Verschwörungserzählungen hingegen haben Hochkonjunktur. So enthüllte der rechte TV-Moderator Jesse Watters, das US-Verteidigungsministerium wolle Taylor Swift zur Umsetzung seiner politischen Agenda instrumentalisieren und habe entsprechende Pläne der Nato vorgelegt. Das Pentagon dementierte umgehend – mit der Zeile von Swifts Hit «Shake It Off».

Wie stark kann sie die Wahl beeinflussen?

Die Angriffe aus dem rechten Lager zeigen, dass es ein Problem mit Taylor Swift hat. Vor allem: dass es ihren Einfluss fürchtet. Denn Swift ist sehr liberal eingestellt, setzt sich für die Rechte von Minderheiten ein und unterstützt explizit demokratische Politikerinnen und Politiker. Im US-Präsidentschaftskampf 2020 etwa empfahl sie Joe Biden. Gleiches wird für die nächste Wahl im kommenden Herbst erwartet.

Die «Swifties» mögen Teenager gewesen sein, als sie Fans der Sängerin wurden, jetzt sind viele von ihnen wahlberechtigt. Als Swift im September in einem Instagram-Post ihre Follower animiert hat, sich für die Wahl registrieren zu lassen, folgten diesem Aufruf in den ersten Stunden danach 35’000 Menschen. Schon länger wird spekuliert, die «Swifties» könnten dereinst eine US-Präsidentschaftswahl entscheiden. Ist es schon 2024 so weit? Das Nachrichtenmagazin «Newsweek» prognostiziert einen Sieg für jenen Kandidaten, der ihre Empfehlung erhält. Aufgrund ihres Einflusses wurde Swift vom «Time»-Magazin zur Person des vergangenen Jahres erkoren.

Those images courtesy of TIME/TIME Person of the Year obtained on December 6, 2023, shows the covers of Time magazine announcing the 2023 Person of the Year with US singer-songwriter Taylor Swift. (Photo by Inez van Lamsweerde and Vinoodh Matadin / TIME / TIME Person of the Year / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / Inez van Lamsweerde and Vinoodh Matadin for TIME/ TIME Person of the Year " - NO MARKETING - NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS

Die Feindseligkeiten von rechter Seite nehmen seither stark zu. Eine christliche Vereinigung etwa nannte ihren Aufruf zur Wahlregistrierung, immerhin ein von der Verfassung garantiertes Recht, «einen woken Angriff». Sean Davis, CEO des konservativen Magazins «The Federalist», befand: «Taylor Swift ist dumm, und ihre Musik ist scheisse.»

Vor wenigen Tagen schimpfte der ultrarechte Scharfmacher Vivek Ramaswamy, Swift und Kelce seien «ein künstlich kulturell aufgeputschtes Paar». Er spekulierte, dass die Superbowl sowieso bereits den Chiefs versprochen sei, damit bei der Pokalübergabe Swifts Wahlempfehlung für Biden erfolgen könne. Denn auch Kelce ist in seinen Augen verdächtig: Der Chiefs-Angreifer hatte während der Covid-Pandemie für den US-Impfstoffhersteller Pfizer geworben.

Kernschmelze und Verfolgungswahn

Die «New York Times» beschreibt diese und weitere Vorwürfe, Anschuldigungen und Beleidigungen als «Kernschmelze im ‹MAGA›-Lager» und meint damit die Gefolgschaft von Donald Trump (sein Versprechen lautet «Make America Great Again»). Die «Times» bringt es auf den Punkt: «Die Rechte schäumt.»

Was Taylor Swift betrifft, hat sich bei Trumps Klientel ein Verfolgungswahn entwickelt, der absurde Züge zeigt. Swift ist oft im Privatjet unterwegs und wird am kommenden Wochenende von einem Konzert am Samstagabend von Tokio direkt nach Las Vegas fliegen für die Superbowl vom Sonntag. Keine Zweifel, dass sie auch im Endspiel, obschon eigentlich unbeteiligt, die grosse Figur sein wird. Anderes Brimborium hin oder her.

Doch die Rechten scheinen ihr diesen Auftritt nicht zu gönnen. Als der private Tokio-Flug bekannt wurde, widmete ihr ausgerechnet der konservative TV-Sender Fox einen Schwerpunkt. Dieser lässt sonst keine Gelegenheit aus, den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel kleinzureden. Diesmal war die Sorge eine andere, das Thema der Sendung: «Wie sehr Taylor Swift dem Klima schadet.»