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US-Medien zur Anklage gegen Trump
«Tabu gebrochen» – «Hexenjagd? Na und!» – «Rechtlich erbärmlich»

Die grossen Zeitungen der USA berichten in Grossbuchstaben über die erstmalige Anklage gegen einen US-Präsidenten. Und sie analysieren die Geschehnisse detailliert, dabei zeigen sich viele verschiedene Meinungen. Die Anklage finden viele grundsätzlich richtig, sie könnte jedoch weitere Verfahren gegen Trump gefährden, zu einem gefährlichen Präzedenzfall werden oder letztlich dem Ex-Präsidenten gar nützen. Der Überblick:

«Washington Post»: Trump-Anklage könnte weitere Verfahren gefährden

Die Washington Post schreibt, dass die Anklage zwar korrekt sei, aber auch riskant, weil weitere und weitaus berechtigtere Anklagen im Falle eines Scheiterns gefährdet werden. «Verstösse gegen das Wahlkampffinanzierungsgesetz untergraben die Demokratie und verdienen es, ernst genommen zu werden. Doch auch die potenziellen Nachteile einer Anklage gegen Trump sollten ernst genommen werden. Diese strafrechtliche Verfolgung wird nun zwangsläufig zum Testfall für Verfahren gegen alle ehemaligen Präsidenten – und die vielen Verfahren gegen diesen Ex-Präsidenten im Besonderen. Zu den weiteren laufenden Ermittlungen gehören die Untersuchungen des Justizministeriums zum Aufstand vom 6. Januar 2021 und zu den in Mar-a-Lago entdeckten Geheimdokumenten, bei denen die Möglichkeit der Behinderung der Justiz besonders schwerwiegend ist. Verglichen mit dem Schweigegeldverfahren in New York handelt es sich dabei um klare Fälle. Eine fehlgeschlagene Strafverfolgung wegen der Schweigegeldzahlung könnte sie alle aber in Gefahr bringen und Trump Munition für seine Vorwürfe einer ‘Hexenjagd’ liefern», heisst es im Meinungsstück der Redaktion.

«Die öffentliche Wahrnehmung und die politische Strategie sollten einen Staatsanwalt nicht davon abhalten, einen soliden Fall vorzulegen, aber sie sollten ihn auch nicht dazu bringen, einen wackeligen Fall vorzulegen. Diese Anklage muss hieb- und stichfest sein. Andernfalls lohnt es sich nicht, sie fortzusetzen.»

«New York Times»: Die Anklage bricht ein Tabu und testet die Demokratie

Washington-Korrespondent Peter Baker berichtet für die New York Times seit Bill Clinton über die US-Präsidenten. «Seit der Wahl von Donald J. Trump ins Weisse Haus hat es so viele unvorstellbare Neuerungen gegeben, so viele unantastbare Grenzen wurden überschritten, so viele unvorstellbare Ereignisse haben die Welt schockiert, dass man leicht den Blick dafür verliert, wie erstaunlich dieser besondere Moment wirklich ist», schreibt Baker. «Seit mehr als zwei Jahrhunderten werden Präsidenten auf ein Podest gestellt, selbst diejenigen, die in Skandale verwickelt sind, und für immun gegen Strafverfolgung erklärt, solange sie im Amt sind und sogar noch danach. Das ist vorbei. Dieses Tabu wurde gebrochen. Ein neuer Präzedenzfall ist geschaffen worden. Wird es das Land zerreissen, wie manche es befürchteten? Oder wird es ein Moment der Abrechnung werden, ein Zeichen dafür, dass selbst jemand, der einst der mächtigste Mensch auf dem Planeten war, nicht über dem Gesetz steht?»

Das werde sich weisen. Viele seien nun erst einmal verwundert, dass die aktuelle Anklage wegen der Schweigegeldzahlung erfolgte und nicht wegen grösseren Fällen in Georgia (Präsidentschaftswahlen) oder Washington (Capitol-Sturm). Diese könnten nun aber folgen, die Hemmschwelle sei gefallen und für Trump werde es dann richtig ungemütlich, wenn mehrere Anklagen im Raum stehen.

«CNN online»: Ein neuer nationaler Albtraum könnte bevorstehen

«Die erste strafrechtliche Anklage gegen einen ehemaligen amerikanischen Präsidenten stellt eine einzigartige Gefahr für eine gespaltene Republik dar, die bereits mehrfach durch das endlose Normbruchverhalten von Donald Trump an den Rand des Abgrunds getrieben wurde», schreibt CNN-Reporter Stephen Collison. Er berichtet seit Bill Clinton aus Washington über die US-Präsidenten. 

«Die strafrechtliche Verfolgung des 45. Präsidenten - und seine Versuche, einen parteipolitischen Feuersturm zu entfachen, um sich selbst zu schützen - werden Amerikas ohnehin schon vergiftete Politik noch mehr belasten, eine weitere Präsidentschaftswahl erschüttern und könnten die bisher grösste Herausforderung für das Justizsystem darstellen.

Es ist die letzte verblüffende Hürde, die der widerspenstigste Präsident der Nation genommen hat. Und es bedeutet, dass nach einer turbulenten vierjährigen Amtszeit, zwei historischen Amtsenthebungsverfahren, einer durch Trumps Lügen über Betrug verfälschten Wahl und einem Mob-Angriff seiner Anhänger auf den Kongress ein neuer nationaler Albtraum bevorstehen könnte.

Angesichts der extremen nationalen politischen Entfremdung, die durch Trump verschärft wurde, wird dieser Fall das Land wahrscheinlich verändern, egal wie er ausgeht. Es wird zum Beispiel befürchtet, dass damit die letzte politische Zurückhaltung zerstört wird und künftige Präsidenten in einer Weise strafrechtlich verfolgt werden, die eher an fragile scheiternde Staaten erinnert als an die vitalste Demokratie der Welt. Sollte Trump jedoch tatsächlich Straftaten begangen haben, würde eine Nichtverfolgung eine Botschaft aussenden, dass die Mächtigen mit einem Verhalten davonkommen, das gewöhnliche Amerikaner nicht tun können.

Der Schritt war besonders verblüffend, wenn man bedenkt, dass Trump seit langem ungestraft davonkommt und in seiner steilen persönlichen, geschäftlichen und politischen Karriere immer wieder die Grenzen des Gesetzes und die Konventionen des akzeptierten Verhaltens übertreten hat. Plötzlich wird Trumps jahrzehntelange Flucht vor der Rechenschaftspflicht ein Ende haben.»

«Politico»: Trump scheint das Opfer einer Hexenjagd zu sein. Na und?

Der Anwalt und ehemalige Bundes-Staatsanwalt Ankush Khardori schreibt, dass die Anklage in New York eine höchst ungewöhnliche Rechtstheorie verfolge und auf einer ungewöhnlichen Basis stehe. «Manchmal hat sogar Donald Trump Recht. Diesmal ist es seine Behauptung, dass er von der Staatsanwaltschaft in Manhattan wegen eines Vergehens herausgegriffen wurde, das bei anderen wahrscheinlich nicht als Verbrechen angeklagt worden wäre», analysiert Khardori. «Diese Behauptung wird wahrscheinlich ein zentraler Bestandteil von Trumps Verteidigung sein, sowohl in der Öffentlichkeit als auch vor Gericht, und sie wird wahrscheinlich nicht so bald verschwinden - zumal es gute Gründe gibt, zu glauben, dass sie wahr ist. (…) Bei jedem anderen hätte eine solche Untersuchung wahrscheinlich gar nicht erst begonnen. Aber angesichts der Politik des Justizministeriums, keinen amtierenden Präsidenten anzuklagen, war die Staatsanwaltschaft von Manhattan eine bequeme Anlaufstelle für Leute, die Trump schon während seiner Amtszeit strafrechtlich verfolgt sehen wollten.»

«Es lohnt sich, bei all dem ehrlich zu sein - vor allem, wenn die Öffentlichkeit beginnt, sich mit der folgenschweren Entwicklung von Trumps Anklage auseinanderzusetzen -, auch wenn das nicht bedeutet, dass der Fall gegen Trump verworfen werden sollte oder irgendwie ungültig ist. Manchmal taucht ein ungewöhnlicher Fall aus dem Nichts auf, aus Gründen, die die Staatsanwälte nicht vorhersehen konnten, und sie müssen damit umgehen, so gut sie können, auch wenn das Ergebnis relativ bescheiden ist und nicht so brisant ist, wie es die Gegner des Angeklagten gerne sehen würden.»

Der Vorwurf der Hexenjagd werde dem Ex-Präsidenten aber rechtlich ohnehin nichts bringen, erklärt der Anwalt weiter: «Trump und seine Verteidiger könnten geltend machen, dass die Anklage abgewiesen werden sollte, weil er Opfer einer selektiven oder böswilligen Strafverfolgung ist, aber im Moment scheint ein rechtliches Argument in dieser Richtung wahrscheinlich zu scheitern. Der Grund dafür ist, dass das Gesetz in der Regel stichhaltige Beweise dafür verlangt, dass der Angeklagte aus einem unzulässigen Grund herausgesondert wurde und dass andere, ähnlich gestellte Personen nicht für ein ähnliches Verhalten strafrechtlich verfolgt wurden. Vielleicht werden wir herausfinden, dass viele andere New Yorker Schweigegelder an Frauen gezahlt haben, mit denen sie geschlafen haben, und dass sie das mitten in einem Wahlkampf getan haben. Aber das scheint unwahrscheinlich – und das wiederum wird wohl jeden Versuch von Trump zunichte machen, den Fall aus diesen Gründen abzuweisen.»

«Wall Street Journal»: US-Demokratie wird weiter missbraucht werden

«Es ist ein trauriger Tag für das Land. Die politischen Auswirkungen sind unvorhersehbar und wahrscheinlich destruktiv. Wenn es jemals einen Fall gab, der die Büchse der Pandora öffnete, dann ist es die erste Anklage gegen einen ehemaligen Präsidenten in der Geschichte der USA», schreibt die Redaktion der zweitgrössten Zeitung der USA.

Die Büchse der Pandora sieht die Redaktion des «Wall Street Journal» in der Tatsache, dass die Anklage nicht auf Bundesebene, sondern in einem Staat erfolgte: «Die Gefahr für Amerika liegt im Präzedenzfall, den diese Anklage schafft. Der New Yorker Bezirksstaatsanwalt sprengt eine politische Norm, die seit 230 Jahren gilt. Künftig wird irgendein lokaler republikanischer Staatsanwalt versuchen, sich einen Namen zu machen, indem er das Gleiche mit einem Demokraten tut. Die US-Demokratie wird weiter missbraucht und geschädigt werden. Der New Yorker Bezirksstaatsanwalt setzt Kräfte frei, die wir alle noch bedauern werden.»

Der Ex-Präsident werde den Fall so oder so für sich nutzen: «Trump hat in einer Stellungnahme deutlich gemacht, dass er die Anklage zu einem Gegenstand seiner Wahlkampfkampagne machen wird – er nannte sie einen Versuch der Demokraten, ihm eine weitere Amtszeit als Präsident zu verweigern. Er wird dies der Liste falscher russischer Kollusionsbehauptungen, zweier gescheiterter Amtsenthebungsverfahren und der Mar-a-Lago-Dokumentendurchsuchung durch das FBI hinzufügen. Ob diese politische Verteidigung erfolgreich ist, wird davon abhängen, wie sich der Fall vor Gericht entwickelt - ein Fall, der ein Medienzirkus für die Ewigkeit sein wird.»

«Fox News»: Anklage ist rechtlich erbärmlich

Beim konservativen TV-Sender «Fox News» überbieten sich die Kommentatoren in aktuellen Sendungen wie dem «Ingraham Angle» mit drastischen Worten. So spricht Autorin Mollie Hemingway davon, dass die Demokraten gewillt seien, das Land zu zerstören, weil sie Trump und alle Republikaner so sehr hassen. Es erinnere sie an die Ära von Stalin in der Sowjetunion, wo man gegen unerwünschte Personen vorging und Straftaten erfand. Das sehe man sonst nur in Bananenrepubliken, es sei fürchterlich.

In der Online-Ausgabe analysiert Rechtsprofessor Jonathan Turley den Fall für «Fox News» etwas differenzierter. Wenn die Anklage dem entspreche, was man bisher wisse, sei sie rechtlich erbärmlich und stehe auf einer sehr schlechten Grundlage. Turley führt aus, dass eine Anklage gegen den früheren demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Edwards wegen Schweigegeldzahlungen scheiterte. «In diesem Fall waren Wahlkampfhelfer und Spender direkt an der Vertuschung einer Affäre beteiligt, aus der ein Kind hervorging.  Die Anklage wurde dennoch fallen gelassen. Der Grund dafür ist, dass man bei einem solchen Skandal den alleinigen Zweck für die Zahlung von Schweigegeld nachweisen muss. Für jeden verheirateten Mann, ganz zu schweigen von einem Prominenten, gibt es verschiedene Gründe, einen Sexskandal zu begraben.»

«Bei Trump stand eine Wahl an, aber er war auch ein verheirateter Mann, der angeblich eine Affäre mit einem Pornostar hatte. Außerdem war er ein prominenter Fernsehstar, für den die übliche "Sittenklausel" gilt, die bei kriminellem Verhalten oder einem Verhalten, das "öffentlichen Verruf, Skandal oder Peinlichkeit" mit sich bringt, zum Tragen kommt. Den Nachweis zu erbringen, dass Trump nur mit Blick auf die Wahlen gehandelt hat – und nicht mit Blick auf seine aktuelle Ehe oder seine Fernsehverträge – ist daher unplausibel.» Es könne sein, dass der New Yorker Bezirksstaatsanwalt noch mehr Gründe für die Anklage vorlege, das werde sich nächste Woche zeigen, und dann werde das Urteil der Geschichte nicht nur über Trump gefällt werden.

«Der Spiegel»: Es trifft den Richtigen

Auch deutschsprachige Medien kommentieren den Fall, so beispielsweise der Washington-Chefkorrespondent Roland Nelles in «Spiegel Online»: «Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Donald Trump wird tatsächlich angeklagt. Endlich, möchte man sagen.» Und weiter: «Es trifft hier den Richtigen. Trump hat über Jahre stets so getan, als stehe er über dem Recht. Dass sich Trump für eine seiner mutmasslichen Missetaten nun endlich einmal vor einem Gericht verantworten muss, war überfällig.»

Nelles schreibt, dass die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner ihr Urteil über Trump aber ohnehin längst gefällt haben. « Amerika will diesen Mann hinter sich lassen. Die Einzigen, die das noch nicht verstanden haben, sind Trump und seine treuesten Fans. Vermutlich würde am Ende selbst eine Verurteilung des Ex-Präsidenten daran nichts ändern.»

«NZZ online»: Trump wird für den falschen Fall angeklagt

Die NZZ warnt vor den Folgen der Anklage: «Erstmals in der amerikanischen Geschichte wird ein ehemaliger Präsident strafrechtlich belangt. Die Anklage Donald Trumps kommt nicht überraschend, doch der New Yorker Schweigegeld-Fall ist eine Lappalie und nährt die Behauptung, es handle sich um eine Hexenjagd», schreibt Meret Baumann. Dem ehemaligen Präsidenten könne das nur nützen. «Mögliche weitere Anklagen in ungleich gewichtigeren Fällen werden nicht mehr dieselbe Beachtung erhalten und in der politischen Schlammschlacht untergehen, die nun heftiger denn je geführt werden wird.» Die Reihen der Republikaner würden sich nun wieder hinter ihm schliessen, heisst es weiter. «Trump erklärte schon vor vier Wochen, eine Anklage werde ihm eher helfen als schaden. Er dürfte recht haben.»