Syrische Flüchtlinge erzählen
Ein Ehepaar aus Syrien erzählte von ihrem Alltag in der Hauptstadt Damaskus vor und während dem Krieg und ihrer Flucht aus dem kriegsgebeutelten Heimatland bis in die Schweiz. Ein Gespräch über die Sprachbarriere hinweg.
Über Flüchtlinge spricht man viel, doch selten mit ihnen. Diese Gelegenheit nahmen knapp 40 Besucher wahr, am Gesprächsabend, organisiert von der EVP: Weshalb flüchtete die Familie? Wie sah die Flucht aus? Wie geht es ihren sechs Kindern heute? Dass sie eine lange, kräftezehrende Flucht aus der syrischen Hauptstadt Damaskus hinter sich haben, würde man dem Ehepaar mittleren Alters auf den ersten Blick nicht zutrauen. Dass sie auf einem Schlauchboot gegen Wasserwerferfontänen ankämpften, mit Schleppern verhandelten und einen Aufenthalt im ungarischen Gefängnis überstanden, ist kaum vorstellbar. Jetzt, wo sie hier sitzen; geschmackvoll angezogen, freundlich-zurückhaltend lächelnd. Welche Strapazen sie auf sich nahmen, um jetzt hier in Kilchberg zu wohnen, erzählen sie im Gespräch, das der Co-Präsident der EVP Kilchberg, Andreas Kaplony zusammen mit seiner Frau Angelika moderiert. Als Professor für Islamwissenschaften spricht er fliessend Arabisch und übersetzt für die Anwesenden.
«Danke, dass wir Sie alles fragen dürfen», eröffnet Andreas Kaplony das Gespräch mit den syrischen Flüchtlingen. Mit Ahmed und Nada. Sie dürfen nur mit Vornamen genannt werden, da sie in ihrer Heimat als politisch verfolgt gelten. Dies war im Sommer 2015 schliesslich der ausschlaggebende Grund, zu fliehen.
Zuhause wurde zu Gefängnis
Obwohl ihr Leben in der Heimatstadt Damaskus bereits davor alles andere als angenehm war: Es gab selten Strom, noch seltener Wasser, kein Öl und kaum Benzin. Ein komfortables, ja normales, Leben wurde sukzessive verunmöglicht. Das Geld verlor drastisch an Wert, Strassen standen unter Beschuss. Damaskus war hart umkämpft, denn: «Ist die Hauptstadt verloren, ist der Krieg verloren», erklärt Ahmed.
Die Kinder seien von der Schule verwiesen worden wegen Gerüchten um die oppositionelle Gesinnung ihres Vaters. Die heile Welt der Schule war aber davor schon zerbrochen: Alle Schüler wurden nach Hause geschickt, als eine Bombe entdeckt wurde. Aber auch, weil sie befürchten mussten, dass ihre Kinder auf dem Schulweg entführt würden. Denn der Vater galt als Besitzer einer Schuhfabrik als wohlhabend. «Unser Zuhause wurde zu einem Gefängnis», sagt Ahmed.
Mittlerweile lebt die Familie in Europa verstreut: drei in der Schweiz, drei in Deutschland. Sie sind etappenweise geflohen. «Wir hatten nicht genügend Geld, gemeinsam zu fliehen», erklären die Eltern. Eine Flucht ist ein kostspieliges Unterfangen; insbesondere die Fluchtetappe von Budapest nach Wien, die pro Person über 500 Franken kostete.
Keine Hoffnung für Heimat
Brenzlig klingt vor allem die Episode auf dem Schlauchboot, auf dem sie mit 40 anderen Flüchtlingen zusammengepfercht sassen. Der Motor stieg auf halber Strecke aus, die türkische Grenzwacht versuchte, das Schlauchboot mit Wasserwerfern abzudrängen. Ahmed: «Ich hob ein Kind hoch, damit sie sehen, dass Familien an Bord sind.» Ein unbeschreiblicher Moment der Erleichterung sei gewesen, als der Motor wieder ansprang. Sie gelangten heil zur griechischen Küste.
Der Tiefpunkt der Flucht lag noch vor ihnen: «Budapest war das Schlimmste», sagt Nada. Und ihr Mann nickt ernst. Die Polizei und Behörden hätten sie wie Schwerverbrecher behandelt. Sie mussten ins Gefängnis, die Diabeteskrankheit von Ahmed wurde infrage gestellt, obwohl seine Beine aus Mangel an Medikamenten zur doppelten Grösse anschwollen.
Trotz aller Hindernissen ist es der Familie gelungen, in die Schweiz zu gelangen. «Für uns ist fast unvorstellbar, dass alle Leute so freundlich sind», sagt Nada. Und ihre Wünsche für die Zukunft, wie sehen die aus? «Die Zukunft gehört den Kindern», schicken die Eltern voraus. Sie hoffen, dass sie bald die Sprache beherrschen und Arbeit finden. «Am Anfang waren wir dankbar für die soziale Unterstützung, doch wir wollen unabhängig sein können. Unsere Mentalität erlaubt es nicht, vom Geld anderer abhängig zu sein», sagt Ahmed.
«Haben Sie Hoffnung für Ihre Heimat?», lautet die letzte Frage aus dem Publikum. Nada und Ahmed schütteln wortlos den Kopf.
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