Grünes Licht für Staatsgelder Swiss will bis Ende August stornierte Tickets zurückzahlen
Die Schweizer Fluggesellschaft hat bis Ende September Zeit, finanzielle Ausfälle für stornierte Flugreisen zurückzubezahlen. Der Reisebranche reicht dies nicht, sie verlangt neue Bundeshilfen.
Die Neuigkeiten aus Berlin sind erfreulich: Die Lufthansa-Tochtergesellschaft Swiss erhält ihre staatlich garantierten Kredite. Der deutsche Wirtschaftsstabilisierungsfonds hat den Schweizer Bundesgarantien für Kredite in Höhe von 1,5 Milliarden Franken zugestimmt.
Beschleunigt die Swiss nun die Rückerstattung für wegen der Corona-Krise stornierte Flüge? Das Unternehmen weist darauf hin, dass es «fortlaufend» Flugtickets erstatte. Die Fluggesellschaft hat nach eigenen Angaben bislang einen «dreistelligen Millionenbetrag» ausbezahlt.
Doch Kunden hatten sich massiv über die zögerliche Erstattung annullierter Flüge beschwert. Nun will Swiss vorwärtsmachen: «Ziel ist es, bis Ende August weitgehend alle Anfragen abzuarbeiten, die bis Ende Juni eingegangen sind», sagt eine Swiss-Sprecherin.
Politik schaut hin
Die Eile kommt nicht von ungefähr. Die Firma steht unter Druck der Politik: Der Berner SVP-Nationalrat Lars Guggisberg hatte in der Sondersession einen Vorstoss durchgebracht, welcher die Swiss verpflichtet, ausstehende Rückerstattungen bis spätestens 30. September zu erledigen. Nachdem nun klar ist, dass die Swiss Geld vom Bund bekommt, drückt Guggisberg aufs Tempo: «Ich erwarte, dass die Swiss die Rückerstattungen insbesondere an die Reisebüros rasch vornimmt, jetzt, wo klar ist, dass sie Geld vom Staat bekommt.»
Es gehe um rund 200 Millionen Franken, die den Reisebüros für die Rückzahlung an ihre Kundschaft seit Monaten fehlten. Die Airline dürfe nicht bis Ende September warten. «Der Branche steht das Wasser bis zum Hals. Es geht um Tausende Arbeitsplätze.» Sollte die Swiss zuwarten, werde er bei Bundesrat Ueli Maurer vorstellig werden.
Bei der Airline heisst es dazu, sie werde sich an die Vorgaben der Eidgenossenschaft halten. Das Unternehmen habe indes noch keine Staatsbeträge bezogen.
Seit Wochen versuchen die Reiseveranstalter über ihren Verband, die Landesregierung zu einem Entscheid über Hilfspakete zu bewegen.
Die Reisebranche kann jeden Rappen gebrauchen. Sie will daher nicht nur Geld von der Swiss zurück, sondern hofft noch auf neue Bundeshilfen. Daher richtet die Branche die Augen auf den Bundesrat, der am Mittwoch zusammentritt.
Seit Wochen versuchen die Reiseveranstalter über ihren Verband, die Landesregierung zu einem Entscheid über Hilfspakete zu bewegen. Wegen der Pandemie leiden die Reisebüros unter massiven Umsatzeinbussen. Weil die Landesregierung an ihrer Sitzung vor einer Woche keine Entscheide zur Reisebranche traf, gilt der 19. August als nächster Termin. Allerdings kommen aus Bundesbern unterschiedliche Signale.
Dem Vernehmen nach hat der Schweizer Reise-Verband vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Rauchzeichen erhalten, wonach die Reisebüros auf der bundesrätlichen Traktandenliste vom Mittwoch stünden. So soll es beim Seco Ende vergangener Woche zu Extraschichten gekommen sein, weil der Bundesrat noch detaillierte Informationen zur Reisebranche verlangt habe.
Wenig Zuspruch im Bundesrat
Bei anderen Bundesstellen hingegen weiss man nichts von einem Antrag auf zusätzliche Hilfe für die Reisebüros: Wenn es nach Finanzminister Ueli Maurer geht, muss sich die Reisebranche selber helfen. Man könne die Bundeskasse nicht endlos anzapfen. «Das Ende der Fahnenstange ist erreicht», verlautet aus Maurers Umfeld.
Das dringendste Anliegen der Reisebüros an den Bundesrat ist die Kurzarbeitsentschädigung für Personen in «arbeitgeberähnlicher Stellung». Seit dem 1. Juni haben mitarbeitende Gesellschafter keinen Anspruch auf diese Art von Entschädigung mehr. Die Reiseveranstalter verlangen, dass der Bundesrat für ihre Branche diesen Entscheid wieder rückgängig macht.
«Die Reisebranche ist ein klarer Härtefall, da sie seit Monaten keinen Umsatz mehr erwirtschaftet», sagt André Lüthi, Mitinhaber der Berner Globetrotter Group. Er sitzt zudem im Vorstand des Reise-Verbands und ist für das Ressort Politik zuständig. Allein im Juli betrage der Rückgang im Schnitt zwischen 80 und 85 Prozent, so Lüthi. «Hinzu kommt, dass sehr viel Arbeit für Annullationen und Umbuchungen anfällt», sagt Lüthi.
Reisebüros befürchten Klagewelle
Weiter verlangt die Reisebranche, dass der Bundesrat den vom Parlament im Mai beschlossenen Rechtsstillstand verlängert. Bis Ende September können Kunden ihre Rückerstattungsforderungen für stornierte Reisen und Flüge nicht mit Betreibungen durchsetzen. Die Reiseveranstalter können die Gelder derzeit nicht an die Kunden zurückgeben, weil die Fluggesellschaften die Gelder nicht zurückerstatten. «Wenn diese Frist fällt, werden wir wir mit Klagen eingedeckt», befürchtet Lüthi.
Die Zusage des deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds, die Fluggesellschaft Swiss mit Bundesgeldern zu retten, sei da nur ein Tropfen auf den heissen Stein. «Nicht nur die Swiss muss den Reisebüros Geld zurückerstatten, sondern andere Airlines und Leistungsträger wie Hotels ja auch», sagt Lüthi.
Die Reisebranche rechnet ab Herbst mit einer Konkurswelle, wenn sie keine Bundeshilfe erhält. Gefährdet seien ein Drittel bis die Hälfte der rund 10’000 Arbeitsplätze. Zuletzt gab die Kuoni-Muttergesellschaft DER Touristik am Dienstag bekannt, in der Schweiz 140 Stellen abbauen zu wollen.
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