Super-G in La Thuile«Macht das Sinn?» Gut-Behrami übt nach wildem Rennen heftige Kritik
Im Aostatal erleben die Skifahrerinnen einen aufregenden Tag. Es gibt Unterbrüche, Stürze – und ein Helfer muss reanimiert werden. Die junge Deutsche Emma Aicher verblüfft erneut.

Für Lara Gut-Behrami geht es um den Gewinn einer Kristallkugel, darum, sich zum sechsten Mal in ihrer Karriere zur besten Super-G-Fahrerin zu küren. In den letzten drei Rennen kämpft sie im Duell mit Federica Brignone um jeden Punkt. Doch es gibt Tage, an denen ist das Resultat für die Tessinerin nur zweitrangig. Dieser Donnerstag in La Thuile ist so ein Tag.
Die beiden Abfahrtstrainings diese Woche mussten wegen Schnee, Regen und Nebel abgesagt werden. Deshalb wurde kurzerhand das Programm umgestellt und schon auf Donnerstag der erste von zwei Super-G angesetzt.
Die Umstände sind dann schwierig. Am Morgen noch muss eine Menge Schnee aus der Piste entfernt werden. Die Fahrerinnen mit tiefen Startnummern finden eine gute Strecke und gute Bedingungen vor – doch diese werden zunehmend schlechter.
Ein Pistenarbeiter stürzt in die Netze
Erst recht, als es auf der Piste zu einem Notfall kommt. Gemäss italienischen Medien wurde ein Pistenarbeiter ohnmächtig und stürzte in die Netze. Offenbar musste er gar reanimiert werden, ehe ihn der Helikopter ins Spital flog.
Der über 20-minütige Unterbruch erfolgt genau nach Brignones Fahrt, die ziemlich wild war. Bei einem Tor hängt die Italienerin ein – hinterher muss sie ihre rechte Hand kühlen. Und doch liegt die Gesamtweltcupleaderin auf Rang 3, als sich Gut-Behrami mit der Nummer 13 aus dem Starthaus stösst. Vor ihr ist auch noch die Österreicherin Cornelia Hütter gestürzt. Die Sicht ist nun schlecht, und auf der Piste liegt bereits ein leichter Wasserfilm wegen der warmen Temperaturen.
Die Voraussetzungen könnten also viel schwieriger nicht sein für die 33-Jährige. Doch die Tessinerin schlägt sich wacker, landet auf Rang 4 und verliert nur 10 Punkte auf Brignone. Ihr Vorsprung in der Disziplinenwertung beträgt vor dem zweiten Super-G in La Thuile und dem Finalrennen in Sun Valley nächste Woche noch immer 45 Punkte.
Gut-Behrami und die markige Kritik
Doch eben: Irgendwie ist das alles nebensächlich nach diesem doch ziemlich verrückten Rennen in Norditalien. Als Gut-Behrami jedenfalls bei SRF zum Interview kommt, hat sie nicht sonderlich Lust, über ihre Leistung zu reden. Sie legt erst gemächlich los: «Es ist schwierig für die Organisatoren und die FIS: Alle pushen, damit Rennen durchgeführt werden. Es ist schwierig, ein Rennen abzusagen. Aber es war einfach mehr als nur am Limit.»
Es gebe Tage, an denen es einzig darum gehe, heil ins Ziel zu kommen, sagt Gut-Behrami. «Heute war das so einer. Es ist so warm, es schneite die letzten Tage, die Piste war alles andere als gut. Ab und zu gibt es solche Rennen – ob sie auch Sinn machen, ist eine andere Geschichte», sagt die Gesamweltcupsiegerin des Vorjahres. Als sie gefragt wird, ob sie denn auf Sicherheit gefahren sei, antwortet sie: «Man sollte aufhören, über Sicherheit, Material und die ganzen Sachen zu reden: Wenn man so ein Rennen durchführt, wäre es gescheiter, man würde gar nicht über Sicherheit reden.»
Nächste Frage. Ob es ihr denn wichtig sei, dass sie noch einen Vorsprung auf Brignone habe im Super-G-Klassement? «Es geht so schnell. Wir fahren mit 100 km/h einen Hang hinunter, in dem es Löcher hat, auf dem der Schnee bricht. Das einzig Wichtige heute ist, dass ich gesund bin.»
Es sind markige Worte der Schweizerin, die wohl auch in den Ohren der Veranstalter und des Weltverbands FIS noch nachhallen dürften. Zumal sich sogar Lokalmatadorin Brignone kritisch äusserte: «Die Strecke ist nicht konstant, es kann sein, dass du plötzlich gestoppt wirst. Die Unterlage ist leicht kratzig. Aber letztlich habe ich auch zu viel riskiert, das sollte ich nicht tun. Aber ich wollte vor dem Heimpublikum einfach liefern.» Das hat die 34-Jährige mit ihrem dritten Platz auch getan.
Aicher und der Lauf im Speed
Schneller als die Frau, die im Gesamtweltcup nun schon 332 Punkte vor Gut-Behrami, ihrer ersten Verfolgerin, liegt, sind nur Landsfrau Sofia Goggia und vor allem sie: Emma Aicher. Der Deutschen wurde schon ein gigantisches Talent nachgesagt, als sie noch beim Nachwuchs ihre Schwünge zog. Nun zeigt sie das auf der grössten Bühne.
Vor zwei Wochen gewann die 21-Jährige in Kvitfjell die Abfahrt und damit erstmals im Weltcup. Nun doppelt sie im Super-G von La Thuile gleich nach. Sonderlich aufregend scheint das die junge Frau nicht zu finden, die eine Schwedin als Mutter hat und in Sundsvall an der schwedischen Ostküste aufgewachsen ist, ehe die Familie nach Engelberg und später nach Deutschland zog. Bei SRF sagt sie: «Ich habe einfach versucht, normal Ski zu fahren und Gas zu geben. Einfach die Ski laufen lassen und so früh wie möglich in die Hocke gehen. Das Einzige, was war, ist die Welle da unten.» Sie meint den Zielsprung, bei dem viele Athletinnen weit fliegen und manche auch in Nöte geraten. Sie eben nicht.
Aicher erlebt in den Speed-Disziplinen gerade wunderbare Wochen. Zweite in der ersten Abfahrt von Kvitfjell, Siegerin der zweiten Abfahrt – und nach dem Ausfall im dortigen Super-G nun also der Triumph in La Thuile. Das ist umso bemerkenswerter, als Aicher die einzige Fahrerin im gesamten Feld ist, die alle Rennen in sämtlichen Disziplinen bestreitet, die lange Saison müsste sich eigentlich gerade bei ihr bemerkbar machen.
Bis vor kurzem tat es ihr Michelle Gisin gleich. Doch die Engelbergerin konzentriert sich nach einigen Problemen auf Super-G und Abfahrt – und feiert im Aostatal als Neunte ein Erfolgserlebnis. Damit stehen die Chancen sehr gut, dass sie wie bei der Abfahrt auch im Super-G das finale Rennen in Sun Valley wird bestreiten können. Dafür qualifizieren sich die Top 25, Gisin liegt nun auf Rang 21.
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Helikopter
Der Helikopter entfernt sich jetzt und transportiert die verletzte Person ab. Beim Wegfliegen hat er ein paar Werbebanden umgeweht, der Unterbruch dürfte also noch etwas andauern.
Emma Aicher beim SRF
Die Führende sagt: «Ich habe einfach versucht, normal Ski zu fahren und Gas zu geben. Einfach die Ski laufen lassen und so früh wie möglich in die Hocke gehen. Das Einzige was war, ist die Welle da unten. Die Piste wird sicher nicht besser, es ist schon so frühlingshaft, aber wir werden sehen – erst recht nach diesem längeren Unterbruch. Im Speed ist mir schon etwas der Knoten geplatzt. Ich kann nicht sagen, was es ist, aber bin froh, dass es so ist.»
Gewinnt sie hier nach der Abfahrt in Kvitfjell ihr zweites Weltcuprennen?
Michelle Gisin beim SRF
Michelle Gisin, derzeit Siebte, steht beim SRF und sagt: «Die Bedingungen sind erstaunlich gut, wenn man das Wetter der letzten Tage kennt, gestern Nachmittag hat es gar geregnet. Die Piste war super für uns mit den tieferen Startnummern. Ich hoffe, dass sie hält, damit wir ein gutes Rennen bis zum Schluss haben. Schade, habe ich unten die Linie etwas verpasst, aber es war ein ordentlicher Lauf, ich nehme das Positive mit.»
Helikopter im Einsatz
Jetzt kommt der Helikopter. Offenbar musste jemand reanimiert werden, so die ersten Informationen.
Ester Ledecka
Die Tschechin wäre die nächste am Start, sie hat sich schon eine Jacke angezogen, so lange muss sie warten. Es ist wohl wirklich jemand in die Netze gestürzt. Jedenfalls müssen Netze neu gerichtet werden.
Brignone kühlt derweil ihre rechte Hand, mit der sie die Stange aus der Verankerung gerissen hat.
Unterbruch
Das Rennen ist unterbrochen. Warum, ist noch nicht ganz klar. Es scheint, als wäre jemand in die Netze geflogen, eine Rennfahrerin kann das aber nicht gewesen sein. Oder wird doch nur das Tor fixiert, das Brignone aus der Verankerung gerissen hat?
10 Federica Brignone
Jetzt gehts um die Kugel. Legt Brignone gegen Gut-Behrami vor? Die Italienerin mag diese Bedingungen und den Frühlingsschnee, oben aber hat sie schon etwas Probleme, rutscht weg – und verliert viel Zeit. Dann fährt sie auch noch in ein Tor und reisst die Stange aus der Verankerung, Brignone scheint fast übermotiviert. Rang 3 mit 39 Hundertsteln Rückstand gibt es für sie.
9 Lauren Macuga
Die Amerikanerin mit dem wilden Fahrstil und den vielen farbigen Fischerhüten macht sich jetzt auf die Jagd nach Aichers Zeit. Es reicht nicht ganz: Rang 3 mit 55 Hundertsteln Rückstand.
8 Sofia Goggia
Goggia gehört hier zu den Topfavoritinnen, wird sie Aicher gefährlich? Goggia startet schnell, liegt bei der zweiten Zwischenzeit nur 19 Hundertstel zurück – und bei der nächsten schon vorne. Bringt sie die 31 Hundertstel ins Ziel? Nein! 6 Hundertstel fehlen ihr. Aicher bleibt in Führung.
7 Stephanie Venier
Die Super-G-Weltmeisterin von Saalbach-Hinterglemm ist gestartet. Entsprechend trägt sie einen goldenen Helm. Ob er ihr Glück bringt? Venier kann oben ebenfalls nicht mithalten mit Aicher, verliert bis zur zweiten Zwischenzeit schon über acht Zehntel. Im Ziel sind es 1,25 Sekunden, damit fällt sie auch hinter Gisin zurück.
6 Elena Curtoni
Schon ist die nächste Italienerin unterwegs. Auch Curtoni verliert oben richtig viel Zeit auf Aicher, die da mit viel Gefühl gefahren ist. Bis ins Ziel häufen sich 1,41 Sekunden an, Rang 5 für Curtoni.
5 Michelle Gisin
Die Engelbergerin fokussiert sich mittlerweile nur noch auf die Speed-Disziplinen. Zahlt sich das hier in La Thuile aus? Oben verliert sie über eine halbe Sekunde auf Aicher. Dann holt sie auf, wie Bassino vor ihr. Doch es reicht nicht für die Führung: Rang 4 für Gisin mit 1,20 Sekunden Rückstand. Beim Zielsprung liess sie zu viel Vorsicht walten.
4 Marta Bassino
Die Super-G-Weltmeisterin von 2023 tut sich in diesem Winter enorm schwer. Top-Resultate sind rar. Hier fährt die Italienerin ganz solid. Sie schafft es auf Rang 2 mit 71 Hundertsteln Rückstand. Beim Zielsprung ist sie weit geflogen, da hatten jetzt schon einige Fahrerinnen Mühe und wurden überrascht.
3 Emma Aicher
Die Deutsche hat jüngst in Kvitfjell erstmals ein Weltcuprennen gewonnen – gleich die Abfahrt. Die 21-Jährige ist aber auch technisch sehr versiert. Oben ist sie sagenhafte 69 Hundertstel schneller als Rädler. Und im Ziel 92 Hundertstel. Das dürfte eine echte Richtzeit sein für die Gegnerinnen.
2 Ariane Rädler
Die Österreicherin startet schon einmal etwas schneller als Pirovano vor ihr. Sie kommt ohne Probleme durch die Passage, bei der die Italienerin viel Mühe hatte. Und setzt eine neue Bestzeit mit 93 Hundertsteln Vorsprung.
1 Laura Pirovano
Vor fünf Jahren wurde hier im Aostatal letztmals gefahren, den Super-G gewann damals Nina Ortlieb vor Brignone und Suter. Und nun also eröffnet Pirovano dieses Rennen.
Der Start ist enorm flach, Gleitfähigkeiten werden hier gefragt sein. Die Italienerin hat einige Mühe in den technischen Passagen. Ihre Richtzeit: 59,74 Sekunden, unter einer Minute ist dieser Sprint-Super-G also kurz.
Die Ausgangslage
Die Ausgangslage ist spannend. Der Kampf um den Sieg in der Super-G-Wertung läuft auf ein Duell hinaus – zwischen Lara Gut-Behrami und Federica Brignone. Die Tessinerin, die schon fünfmal die Super-G-Kristallkugel gewann (2013/14, 2015/16, 2020/21, 2022/23, 2023/24) liegt auch in diesem Winter vorne. Bei nun noch drei ausstehenden Rennen in dieser Disziplin führt die 33-Jährige mit 55 Punkten Vorsprung vor der Gesamtweltcup-Leaderin. Sofia Goggia auf Rang 3 hat schon 159 Punkte Rückstand.
In der Gesamtwertung scheint die Entscheidung derweil gefallen. Brignone führt mit 322 Punkten Vorsprung auf Gut-Behrami, die sich im vergangenen Winter die grosse Kristallkugel sicherte. Brignone startet mit der Nummer 10, Gut-Behrami als Dreizehnte.
Neben ihr sind sechs weitere Schweizerinnen am Start: Michelle Gisin (5), Corinne Suter (14), Joana Hählen (27), Malorie Blanc (29), Priska Ming-Nufer (34) und Janine Schmitt (35). Vorab Gisin und Blanc kämpfen noch um einen Platz in den Top 25 des Super-G und damit um eine Teilnahme am Finalrennen im amerikanischen Sun Valley nächste Woche. Sie liegen derzeit auf den Rängen 24 und 25.
Die Bedingungen
Die Bedingungen im Norden Italiens bleiben allerdings herausfordernd. Auch in der Nacht auf heute hat es noch einmal kräftig geschneit, die Arbeiten auf der Piste «3 Franco Berthod» dauerten am Morgen noch lange an. Der Start ist auf 11 Uhr angesetzt.
Herzlich willkommen
Guten Morgen und herzlich willkommen. Nach einer turbulenten Woche wird heute in La Thuile erstmals gefahren. Weil die beiden Trainings wegen Nebels und Schnees nicht stattfinden konnten, steht heute allerdings nicht wie geplant eine Abfahrt auf dem Programm, sondern ein Super-G. Auch morgen Freitag soll im Aostatal ein Super-G gefahren werden.
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