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Abschwächung der Raser-Strafnorm
Stiftung warnt: «Das führt zu mehr Toten und Schwerverletzten»

Autoposer fahren mit ihren Sportwagen durch die Zürcher Innenstadt, oft mit stark überhöhter Geschwindigkeit. Sie sollen künftig milder bestraft werden können.
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Die Autos meist geleast, die Lenker männlich und zwischen 18 und 31 Jahre alt. Dieses «Täterprofil» zeichnete die Zürcher Staatsanwaltschaft, als sie im vergangenen November von einer bedenklichen Häufung von Raserdelikten warnte. Innerhalb von nur 20 Tagen sei es im Oktober zu fünf mutmasslichen Raserunfällen gekommen. Ein paar Monate zuvor gelang derselben Staatsanwaltschaft ein massiver Schlag gegen die Raserszene: Sie verhaftete elf Männer und eine Frau, die bei illegalen Rennen mit Geschwindigkeiten von bis zu 287 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen waren. Seit der Einführung des Tatbestands des Rasens werden Jahr für Jahr in der Schweiz deutlich über 400 Schnellfahrer verurteilt, Tendenz steigend. 

2013 wurde die Strafnorm verschärft, als indirekter Gegenvorschlag zur Raserinitiative der Stiftung Roadcross, die daraufhin von den Initianten zurückgezogen wurde. Seitdem werden Raser mit einer Mindeststrafe von einem Jahr und einer Mindestdauer des Führerausweisentzugs von 24 Monaten geahndet. Als Raser gilt, wer in einer 30er-Zone mit über 70, innerorts mit über 100 sowie auf der Autobahn mit über 200 km/h unterwegs ist. 

Mindeststrafe soll abgeschafft werden

Der Bundesrat schlägt nun vor, auf eine Mindestfreiheitsstrafe zu verzichten und den Führerausweisentzug auf 12 Monate zu senken. Doch das war der vorberatenden Verkehrskommission immer noch zu streng: Sie schlägt nun mit einem knappen Mehr einen Führerausweisentzug von 6 Monaten vor. Am Mittwoch wird der Nationalrat erstmals über verschiedene Änderungen des Strassenverkehrsgesetzes debattieren.

Bei der aktuellen Häufung von Unfällen Raser milder anzupacken, sei ein komplett falsches Zeichen, enerviert sich Willi Wismer, Präsident von Roadcross: «Das ist völlig unverständlich, so verliert das Rasergesetz seine abschreckende Wirkung.» Die Stiftung setzt sich für mehr Verkehrssicherheit ein, macht Präventionsarbeit und berät Opfer. 

Roadcross versuchte in letzter Minute, den Parlamentarierinnen und Parlamentarier ins Gewissen zu reden. Am Dienstag hat sich die Stiftung mit einem Brief an die Nationalräte gewandt. Sie sei sehr beunruhigt, denn Raserei sei immer ein bewusster Entscheid, steht im Brief an die Parlamentarier: «Wer dies tut, gefährdet die Verkehrssicherheit und nimmt vorsätzlich Tote und Schwerverletzte in Kauf.» Dass Mindeststrafen von einem Jahr Gefängnis und 24 Monaten Fahrausweisentzug abgeschwächt und den Rasern mit Milde begegnet werden soll, untergrabe die Ziele von Via Sicura, dem Verkehrssicherheitsprogramm des Bundes. Roadcross verweist auf eine Evaluation des Bundesrats aus dem Jahr 2016. Diese ergab, dass dieses Programm, das auch den Rasertatbestand beinhaltet, Leben rettet. 

Roadcross-Präsident Wismer warnt: Sollten die Abschwächungen tatsächlich von beiden Räten beschlossen werden, werde intern das Referendum gegen diese Gesetzesänderung erwogen. 

Gesetz schoss über das Ziel hinaus

Davon lässt sich SVP-Nationalrat Walter Wobmann nicht beeindrucken. Damals sei man mit der Änderung des Strassenverkehrsgesetzes weit übers Ziel hinausgeschossen, ist er überzeugt. Es sei doch ein Unterschied, wenn ein «junger Spinner» vor einem Schulhaus mit über 100 Kilometern pro Stunde durchbrettere oder ob man jemanden notfallmässig ins Spital bringen müsse und dabei das Tempolimit nicht beachte. Er verurteile exzessive Tempobolzerei, aber gewisse Ausnahmen müssten möglich sein.  

Ähnlich argumentiert Mitte-Nationalrat Martin Candinas. Beide sind sich wie die meisten bürgerlichen Politikerinnen und Politiker einig, dass man den Richtern wieder mehr Ermessensspielraum ermöglichen müsse. Richter beklagten laut Candinas den fehlenden Spielraum, da sie sich in aller Regel an die Mindeststrafen halten müssten. 

Dem widerspricht Michael Huwiler, Leiter Strassenverkehr bei der Zürcher Staatsanwaltschaft: «Mir persönlich sind keine Fälle bekannt, bei denen das Gericht eine tiefere Strafe als 12 Monate hätte aussprechen wollen.» Auch bei diversen anderen Straftatbeständen gebe es Mindeststrafen. Zudem hätten die Gerichte schon heute den notwendigen Spielraum für Ermessen, etwa wenn ein Notfall vorliege. Der jetzige Rasertatbestand habe sich in seiner Form bewährt und habe einen wertvollen Beitrag für die Sicherheit im Strassenverkehr geleistet, sagt Huwiler. Denn es sei wichtig, Raser aus dem Verkehr zu ziehen, bevor es zu schweren Unfällen komme.