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Wiederausfuhr von Waffen
Ständeratskommission will Kriegsmaterialgesetz lockern

Sollen Schweizer Waffen auch im Ukraine-Krieg zum Einsatz kommen? 9-Millimeter-Patronen aus Schweizer Produktion.
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Darf und soll Kriegsmaterial aus Schweizer Produktion die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen das attackierende Russland unterstützen? Mit dieser Frage hat sich am Donnerstag einmal mehr das Parlament auseinandergesetzt. Die Reihe war an der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats.

So viel vorweg: Eine rasche Wiederausfuhr von Kriegsmaterial unter bestimmten Bedingungen ist auch nach den Beratungen in der zuständigen Ständeratskommission nicht absehbar. Zwar kommt nach monatelangen Diskussionen etwas Schwung in die Debatte, das geltende Kriegsmaterialgesetz zu ändern. Dieses verbietet es heute dem Bund, ausländische Anträge auf eine Weitergabe von Waffen und Munition aus Schweizer Produktion zu bewilligen. Verschiedene ausländische Begehren zum Weiterverkauf von Kriegsmaterial an die Ukraine lehnte der Bund gestützt auf geltendes Gesetz ab. Europäische Länder erhöhten deshalb zuletzt den  Druck auf die Schweiz.

Die Sicherheitskommission des Ständerats folgte nun überraschend deutlich einer parlamentarischen Initiative der Nationalratskommission, und zwar mit acht zu fünf Stimmen. Die Nationalratskommission kann damit eine Gesetzesvorlage ausarbeiten. Nach Auskunft von Kommissionspräsident Werner Salzmann (SVP) sind aber noch viele Fragen offen, weshalb er nur von einem «Grundsatzentscheid» sprach. Insbesondere geprüft werden muss noch die Frage, ob die in der parlamentarischen Initiative vorgeschlagenen Lösungen überhaupt vereinbar sind mit dem Neutralitätsrecht.

Nur für völkerrechtlich legitimierte Selbstverteidigungskriege

Gemäss parlamentarischer Initiative soll der Bundesrat künftig im Einzelfall eine Nichtwiederausfuhrerklärung ausnahmsweise auf fünf Jahre befristen können. Dies soll er dann tun dürfen, wenn das Bestimmungsland die Menschenrechte nicht schwerwiegend verletzt und keine Gefahr besteht, dass das Kriegsgerät gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird, und wenn das Bestimmungsland nicht in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist.

Die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial in einen kriegführenden Staat wäre nur möglich, wenn dieser von seinem völkerrechtlich legitimierten Selbstverteidigungsrecht Gebrauch macht. Der UNO-Sicherheitsrat oder die UNO-Vollversammlung müsste dies mit einer Zweidrittelmehrheit zuvor festgestellt haben.

Die Vorlage muss nun zuerst unter Führung der zuständigen Nationalratskommission erarbeitet werden. In den Ständerat kommt diese frühestens irgendwann im nächsten Jahr. Gegen die Vorlage kann das Referendum ergriffen werden. Dies würde zu weiteren Verzögerungen führen. Salzmann bemerkte deshalb: «Wir sind nur einen kleinen Schritt weiter, Waffen indirekt in die Ukraine zu liefern.»
Das Ei des Kolumbus scheint noch nicht gefunden.

Motion für die Rüstung – mit einigen Fallstricken

Die Ständeratskommission schickt ihrem Ja einen Begleitbrief in den Nationalrat hinterher. Darin steht offenbar, dieser müsse die Sache mit der Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit der UNO-Vollversammlung zu einer Resolution fallen lassen, ansonsten werde eine Kommissionsmehrheit im Ständerat  die Vorlage nicht unterstützen. Es gibt offensichtlich noch Fallstricke bei dieser Gesetzesvorlage.

Mit einer neuen Kommissionsmotion will die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats eine 2021 beschlossene Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes rückgängig machen. Und dies hat mit einer Hilfestellung für die Ukraine nichts zu tun. Die Motion soll allein der Stärkung und dem Erhalt der einheimischen Rüstungsindustrie dienen.

Der Bundesrat soll demnach von geltenden Bewilligungskriterien im Kriegsmaterialgesetz abweichen können, wenn «ausserordentliche Umstände vorliegen und die Wahrung der aussen- oder der sicherheitspolitischen Interessen dies erfordert». Kommissionspräsident Salzmann sprach dabei offen von einem «positiven Zeichen an die Schweizer Rüstungsindustrie».

SP und Mitte unter Druck

Kommt diese Motion im Ständerat durch, dürften SP und Mitte im Nationalrat unter Druck geraten. 2021 war es nämlich eine knappe Mitte-links-Allianz, die eine vergleichbare Formulierung gegen den Willen des Bundesrats ablehnte. Die Mitte-links-Mehrheit setzte sich damals mit fünf Stimmen gegen die Ausnahmeregelung des Bundesrats durch. Die Mitte war gespalten. 

Interessant werden dürfte auch der Positionsbezug der SP in dieser Frage. Stimmen Teile ihrer Fraktion dieser Motion zu, wenn umgekehrt die gemeinsam erarbeitete parlamentarische Initiative für Waffenwiederausfuhren in die Ukraine unterstützt wird? Auch hier sind noch Fragen offen.

Die vorliegende, neue Kommissionsmotion wurde zwar im Zuge der aktuellen Diskussionen um die Unterstützung der Ukraine beschlossen. Doch inhaltlich nützt diese der Ukraine aber rein gar nichts – die Motion dient allein der Stärkung der Schweizer Rüstungsindustrie und würde zur gesetzlichen Situation führen, die vor über zehn Jahren herrschte.