Corona-Gesetz im ParlamentRäte einigen sich auf Revision von Covid-Gesetz
National- und Ständerat behandeln das Covid-19-Gesetz. Die Entschlüsse und die Debatte zum Nachlesen.
Das Wichtigste in Kürze:
National- und Ständerat behandeln in dieser Session das Covid-19-Gesetz, nun zeichnet sich eine Einigung ab.
Eigentlich hat der Bundesrat die Gesetzesrevision lanciert, um die Wirtschaftshilfen für die Betroffenen auszubauen.
Nationalräte von SVP, FDP und der Mitte wollten das Gesetz aber als Hebel nutzen, um den Bundesrat zu entmachten. Das ist im Plenum gescheitert.
Dafür spricht der Rat viel mehr Geld für zusätzliche Covid-Hilfen für Firmen und andere Betroffene. Statt 10 Milliarden wie der Bundesrat beschloss der Rat rund 20 Milliarden neue Corona-Gelder.
GLP relativiert Chaos in der Debatte
GLP-Präsident Jürg Grossen sagt, zwischen erster und zweiter Welle habe die Schweiz Fehler gemacht, die zu überdurchschnittlich hohen Todeszahlen geführt hätten. Nun, bei der erneuten Revision des Covid-Gesetzes, müsse man mehr Weitsicht beweisen. Die Rahmenbedingungen in der Pandemie würden sich ständig ändern, konstatiert Grossens Parteikollegin Melanie Mettler. Darum sei es verständlich, dass die öffentliche Debatte teilweise chaotisch sei. Man müsse in einer Pandemie mit Unsicherheit leben. Dazu gehöre auch das Seilziehen zwischen Bundesrat und Parlament. Sie gibt sich überzeugt, dass daraus «bessere Lösung» entstünden.
«Das Leben ist kaum noch erträglich»
Der Bundesrat biete kaum Perspektive über den 22. März hinaus, kritisiert Daniela Schneeberger (FDP). «Dieses Leben in der permanenten Unsicherheit ist kaum noch erträglich», sagt die Baselbieter Gewerbevertreterin. Darum würden die Menschen sich immer weniger an die Massnahmen halten. Menschen und Unternehmen bräuchten unbedingt Planungssicherheit. Das Land müsse lernen, mit dem Virus zu leben. «Wir haben das neue Normal gelernt, der Bundesrat muss den Menschen vertrauen.»
«Wie soll ich dieses Parlament ernst nehmen?»
Die Schweiz befinde sich «auf den letzten Metern eines anstrengenden Covid-Marathons», sagt Franziska Ryser (Grüne). Auf diesen letzten Metern würden nun gewisse Parteien - sie meint die Bürgerlichen - die bisher erzielten Erfolge gefährden und ihre eigene Mehrheit im Bundesrat bekämpfen. Die St. Gallerin, erst seit einem Jahr Nationalrätin, sagt, sie sei von ihren Kolleginnen und Kollegen enttäuscht. «Wie soll ich ein Parlament ernst nehmen, das bei der Regelung der Geschäftsmieten versagt und dafür die Öffnung von Schiessständen ins Gesetz schreiben will?» Das Virus lasse sich nicht per Gesetz aus der Schweiz verbannen.
Mitte warnt vor Volksabstimmung
Markus Ritter (Mitte) weist darauf hin, dass das Schweizer Volk am 13. Juni über das Covid-19-Gesetz abstimmen werde. Wenn es nicht gelinge, die Massnahmen gegen die Pandemie und ihre Kosten ins Gleichgewicht zu bringen, werde es schwierig werden, diese Referendumsabstimmung zu gewinnen. Wegen der neuen Möglichkeiten beim Testen und Impfen könne man der Wirtschaft nun wieder mehr Spielraum geben. Man dürfe die verfassungsmässigen Rechte der Bevölkerung nicht länger stärker einschränken als unbedingt nötig.
SP wirft Bürgerlichen Populismus vor
SP-Fraktionschef Roger Nordmann wirft bürgerlichen Mehrheit der Wirtschaftskommission Populismus vor, ihre Anträge seien teilweise «absurd». Gleich nach ihm beschreibt SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer die Nöte, in denen grosse Teile der Bevölkerung wegen Corona stünden. Trotzdem würden sich die meisten Bürgerinnen und Bürger «zusammenreissen», sagt Meyer - mit einer Ausnahme: Ausgerechnet die Wirtschaftskommission des Parlaments habe «die Nerven verloren». Sie habe ein groteskes Theater aufgeführt und wolle sogar die Stimmen der Wissenschaft zum Schweigen bringen, kritisiert Meyer.
Martullo-Blocher wiederholt «Diktatur»-Vorwurf
In den Medien hat Magdalena Martullo-Blocher (SVP) dem Bundesrat wiederholt vorgeworfen, eine Diktatur eingerichtet zu haben. Jetzt wiederholt sie diese Vorwürfe offiziell vom Rednerpult des Nationalrats.
Sie prangert die ausserordentlichen Kompetenzen an, die der Bundesrat in der Pandemie hat. «Es wäre rechtlich sogar möglich, dass er die ganze Verfassung ausschaltet», sagt Martullo. Nun müsse das Parlament wieder das Heft in die Hand nehmen. Es sei geradezu die Pflicht des Parlaments, die Kompetenzen des Bundesrats im Covid-19-Gesetz zu beschränken. Die Parlamantarier müssten über ihre heutigen Entscheide noch gegenüber kommenden Generationen «Rechenschaft ablegen».
Dutzende von Anträgen und Gegenanträgen
Die Debatte im Nationalrat hat begonnen. Sogar langjährige Bundeshaus-Insider haben so etwas nur selten erlebt. Es gibt Dutzende von Anträgen und Gegenanträgen, Mehrheits- und Minderheitspositionen. Viele stammen von der Wirtschaftskommission. Aber auch viele einzelne Parlamentarier haben vor der Debatte Einzelanträge eingereicht. Die Fülle der Anträge sei ein Zeichen, dass sich das Parlament «wieder stärker einbringen» wolle im Krisenmanagement, sagt Esther Friedli (SVP).
Die Entscheide des Ständerates in der Übersicht
Die Kleine Kammer hat das Covid-Gesetz am 4. März debattiert, die wichtigsten Entschlüsse in der Übersicht:
Die bürgerliche Mehrheit im Ständerat hat am Donnerstag ihren Unmut über die Corona-Strategie des Bundesrats geäussert. Die kleine Kammer verzichtet aber auf Machtspiele und schlägt stattdessen neue Leitplanken für die Entscheide des Bundesrats vor.
Der Ständerat will zur Bewältigung der Corona-Pandemie weitere 14,975 Milliarden Franken an Bundesgeldern zur Verfügung stellen. Er hat entsprechende Nachtragskredite zum Budget 2021 bewilligt.
Der Ständerat will bei den Härtefallmassnahmen die Kantone finanziell entlasten und die Bundeshilfe für Grossfirmen ausbauen.
Der Ständerat will es professionellen oder halbprofessionellen Sportklubs erleichtern, an À-fonds-perdu-Beiträge zu kommen.
Nachtragskredite in Milliardenhöhe bewilligt
Der Ständerat will zur Bewältigung der Pandemie weitere 14,975 Milliarden Franken an Bundesgeldern zur Verfügung stellen. Er hat am Donnerstag entsprechende Nachtragskredite zum Budget 2021 bewilligt.
Dabei fallen die Erhöhung des Bundesbetrags für die kantonalen Härtefallmassnahmen (6,9 Milliarden Franken) und der Beitrag an die Arbeitslosenversicherung zur Deckung der Kurzarbeitsentschädigung im Jahr 2021 (6 Milliarden Franken) am meisten ins Gewicht.
Die Kredite waren sowohl in der vorberatenden Finanzkommission (FK-S) als auch im Rat weitgehend unbestritten. Zusätzliche 50 Millionen Franken sieht die kleine Kammer zugunsten des Nachwuchs- und Breitensports vor – das ist eine Folge zu den Änderungen im Covid-Gesetz.
Über die Nachtragskredite entscheidet als nächstes der Nationalrat.

Kleine Kammer gegen rückwirkenden Anspruch auf Taggelder
Der Ständerat hat im Rahmen des Covid-19-Gesetzes weitere Änderungen bei der Arbeitslosenversicherung beschlossen. Die Anzahl Taggelder bei versicherten Personen, die am 1. März noch anspruchsberechtigt waren, soll für die Monate März bis Mai 2021 um 66 Taggelder erhöht werden.
Eine linke Minderheit, welche die Taggelder zusätzlich rückwirkend für den Januar und Februar auf höchstens 107 erhöhen wollte, scheiterte am Donnerstag mit 24 zu 14 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Der Ständerat folgte dem Antrag des Bundesrats.
Weiter soll die Voranmeldefrist für die Kurzarbeit vorübergehend aufgehoben werden und eine erteilte Bewilligung für Kurzarbeit soll sechs Monate gültig sein. Zudem soll der Bund 33 Prozent der Ausfallentschädigungen übernehmen, welche Kantone für die Zeit vom 17. März 2020 bis 17. Juni 2020 an von der öffentlichen Hand geführte Kinderbetreuungsstätten ausbezahlt haben. Auch bei diesen Punkten folgte der Ständerat dem Bundesrat.
Sportclubs sollen einfacher an À-fonds-perdu-Beiträge kommen
Der Ständerat will es professionellen oder halbprofessionellen Sportklubs erleichtern, an À-fonds-perdu-Beiträge zu kommen. Er hat am Donnerstag einen entsprechenden Antrag einer Kommissionsminderheit zugestimmt. Das Covid-Gesetz soll entsprechend angepasst werden.
Der Entscheid fiel mit 20 zu 20 Stimmen und dem Stichentscheid von Ständeratspräsident Alex Kuprecht (SVP/SZ). Stimmt auch der Nationalrat dem neuen Passus zu, sollen die Sportklubs mit den Unternehmen gleichgestellt werden, die unter die Härtefallregel fallen.
Konkret sollen die Klubs nicht mehr zu Lohnsenkungen gezwungen werden, wenn sie Corona-Gelder beantragen. Dafür darf die Gesamtlohnsumme während fünf Jahren höchstens im Umfang der Erhöhung des Landesindexes der Konsumentenpreise steigen. Für Klubs, die in eine höhere Liga aufsteigen, kann der Bundesrat Ausnahmen vorsehen.
Weiter soll der Bund nach Meinung des Ständerats auch private Radio- und Fernsehunternehmen mit Mitteln aus der Abgabe für Radio und Fernsehen unterstützen können. Das hat die kleine Kammer oppositionslos entschieden.

Ständerat zeigt sich bei Härtefallmassnahmen grosszügig
Der Ständerat will bei den Härtefallmassnahmen die Kantone finanziell entlasten und die Bundeshilfe für Grossfirmen ausbauen. Dies hat er am Donnerstag im Rahmen der Beratungen des Covid-Gesetzes beschlossen.
Die Härtefallgelder für Unternehmen stehen im Zentrum der zweiten Revision des Covid-Gesetzes. Die Erhöhung des Maximalbeitrags auf 10 Milliarden Franken wird nicht in Frage gestellt. Die Ausgestaltung der Härtefallmassnahmen war im Ständerat jedoch umstritten. Bei den Hilfsgeldern für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 5 Millionen Franken will der Ständerat die Kantone entlasten. So soll sich der Bund mit einem Finanzierungsanteil von 80 Prozent an den Kosten beteiligen. Der Bundesrat sah einen Finanzierungsanteil von 70 Prozent vor.
Der Entscheid für eine Entlastung der Kantone fiel allerdings knapp, mit Stichentscheid des Ratspräsidenten. Stimmt auch der Nationalrat der Erhöhung zu, wird dies für den Bund zu Mehrkosten von 600 Millionen Franken führen. Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu fünf Millionen Franken können im Rahmen der Härtefallregelung maximal mit einer Million Franken unterstützt werden.
Härtefallgelder für Grossfirmen
Bei grösseren Firmen übernimmt der Bund sämtliche Kosten für die Hilfsgelder. Die finanzielle Unterstützung des Bundes darf jedoch höchstens 20 Prozent des Jahresumsatzes und 750'000 Franken pro Unternehmen ausmachen. Maximal kann eine Grossfirma laut Vorschlag des Bundesrats mit 10 Millionen Franken unterstützt werden.
Der Ständerat sieht hier eine grosszügigere Lösung vor. Für grosse Unternehmen mit einem Umsatzrückgang von mehr als 70 Prozent soll der Bundesrat auch mehr als 10 Millionen Franken zahlen können. Aufgenommen hat der Ständerat jedoch eine Klausel, die grosse Firmen verpflichtet, unter bestimmten Bedingungen die à-fonds-perdu-Beträge zurückzuzahlen. Dies, wenn die Firma im gleichen Jahr noch einen Gewinn erzielt.
Den Vorschlägen des Ständerats muss der Nationalrat noch zustimmen.
Ständerat will kantonale Lockerungen der Massnahmen ermöglichen
Die kleine Kammer will regionalen Entwicklungen der epidemiologischen Lage vermehrt Rechnung tragen. Der Bundesrat soll «vorbildlichen» Kantonen Erleichterungen der Corona-Massnahmen gewähren.
Der Ständerat nahm einen entsprechenden Einzelantrag von Martin Schmid (FDP/GR) an, mit 30 zu 13 Stimmen. Die bürgerliche Mehrheit sieht in der kantonalen Steuerung von Massnahmen die Chance, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Viele sähen den Sinn von drastischen Massnahmen nicht, wenn in ihrer Region das Virus unter Kontrolle sei.
Finanzminister Ueli Maurer warnte dagegen vor dem Schritt: «Wir wecken damit sofort wieder Erwartungen, dass die Kantone wieder sehr viele Freiheiten haben.» Im vergangenen Herbst sei diese Lösung gescheitert. «Die Kantone forderten eine nationale Steuerung, wir sollten dabei bleiben.»
Ständerat gegen zusätzliche Sonntagsverkäufe
Die Kantone sollen in diesem und im nächsten Jahr nicht bis zu zwölf Sonntagsverkäufe durchführen dürfen. Der Ständerat hat diese Massnahme im Rahmen der Beratungen zu den Änderungen im Covid-Gesetz abgelehnt. Die kleine Kammer folgte am Donnerstag einer Minderheit ihrer Wirtschaftskommission (WAK-S) – mit 23 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung. Der Nationalrat wird am kommenden Montag darüber befinden. Auch seine Wirtschaftskommission schlägt eine Ausnahmeregel für Sonntagsverkäufe vor.
Ständerat Paul Rechsteiner (SP/SG) sprach von einem «groben Foul». Solche Bestimmungen im Schnellverfahren – ohne Vernehmlassung der Kantone – zu erlassen, sei staatspolitisch bedenklich. «Es handelt sich hier um ein unerwartetes Geschenk aus Bern, niemand hat es gefordert, niemand erwartet.»
Corona-Geimpfte sollen von Quarantäne verschont bleiben
Im Rahmen der Diskussion über das geänderte Covid-Gesetz hat der Ständerat am Donnerstag beschlossen, dass Personen, die sich gegen Covid-19 geimpft haben, von allfälligen Quarantänemassnahmen befreit werden sollen. Die kleine Kammer stimmte einem Einzelantrag von Thomas Minder (parteilos/SH) zu – mit 19 zu 18 Stimmen bei 6 Enthaltungen. Der Bundesrat kann Ausnahmen vorsehen.
Bürgerliche Ständeräte fordern Corona-Umdenken
Mehrere bürgerliche Ständeräte haben am Donnerstagmorgen den Bundesrat aufgefordert, der Bevölkerung und der Wirtschaft in der Corona-Krise mehr Perspektiven zu geben. Zahlreiche Ständerätinnen und Ständeräte äusserten sich dazu. Vor allem bürgerliche Ratsmitglieder fanden dabei deutliche Worte. Hannes Germann (SVP/SH) bezeichnete die heute geltenden Corona-Massnahmen als «unverhältnismässig» und sprach von einem «Versagen auf verschiedenen staatlichen Ebenen». Trotz guter Sicherheitskonzepte dürfe niemand ins Stadion. Geradezu «lächerlich» sei der Streit um die Aussenterrassen in Restaurants. Es brauche nun «sinnvolle Korrekturen».
Strategiewechsel gefordert
Der Bundesrat müsse den Menschen mehr Perspektiven für Öffnungen geben, forderte Ruedi Noser (FDP/ZH). «Wir müssen schauen, wie wir künftig mit dem Virus leben können.» Dazu brauche es eine kohärente Impfstrategie. Der Bund sei weit nicht so gut unterwegs wie behauptet werde.
Andrea Gmür-Schönenberger (CVP/LU) fragte sich, weshalb der Bund bei Selbsttests und den Impfstoffen nicht schneller vorwärts mache. Peter Hegglin (CVP/ZG) forderte den Bundesrat auf, die Aufhebung der «besonderen Lage» zu prüfen. Es brauche eine «pragmatische Öffnungsstrategie».
«Es braucht eine langfristig tragbare Strategie, welche die vielen Kollateralschäden berücksichtigt», sagte Hansjörg Knecht (SVP/AG). Eine austarierte Gesamtabwägung vermisse er von der Regierung zunehmend. «Bei Verboten läuft der Staat zu Höchstform auf, bei innovativen Ideen ist man zurückhaltend bis ablehnend.»
«Kein Öffnungsdatum ins Gesetz»
Auch Pirmin Bischof (CVP/SO) sah in der Krisenbewältigung Luft nach oben. So habe die Regierung etwa nicht immer treffend begründen können, weshalb welche Massnahmen ergriffen wurden.
Es sei aber wichtig – betonte er wie viele seiner Vorredner -, dass dem Bundesrat die Handlungskompetenz nicht entzogen werde. «In einer Krise ist es wichtig, die verfassungsmässigen Instrumente einzuhalten», sagte Bischof mit Blick auf Anträge, die am kommenden Montag im Nationalrat zu reden geben werden. Egal, was der Schwesterrat entscheide: «Vom Ständerat wird kein Öffnungsdatum ins Gesetz geschrieben.»
Von linker Seite äusserten sich in der Eintretensdebatte nur die Präsidenten der Wirtschaftskommission, Christian Levrat (SP/FR), und der Gesundheitskommission, Paul Rechtsteiner (SP/SG). Sie lobten das Krisenmanagement des Bundesrats ausdrücklich. Die Eingriffe in die Freiheit der Menschen seien in der Schweiz weit weniger stark gewesen als im umliegenden Ausland.
«Gratwanderung» des Bundesrats
Finanzminister Ueli Maurer sprach von einer Gratwanderung, auf der sich der Bundesrat seit langem befinde. Das Ziel sei immer eine rasche Rückkehr zum normalen Betrieb.
Maurer sagte, der Bundesrat nehme die Anliegen aus der Bevölkerung ernst: «Der Weg muss breiter werden, damit uns die Bevölkerung noch folgen kann.» Wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte erhielten nun einen höheren Stellenwert. Das sei auch mit Blick auf die Bundesfinanzen notwendig.
Der Ständerat hat nun mit der Detailberatung zum Covid-Gesetz begonnen. Der Einzelantrag von Heidi Z’graggen (CVP/UR), der vorsieht, bei künftigen Corona-Einschränkungen verstärkt die Verhältnismässigkeit ins Zentrum stellen, wurde angenommen.
Ständerat diskutiert über Härtefälle und Corona-Politik des Bundes
Der Ständerat berät am Donnerstagmorgen das überarbeitete Covid-19-Gesetz. Dabei wird auch die Corona-Politik des Bundesrats der vergangenen Wochen ein Thema sein. Die vorberatende Kommission will der Regierung aber keine Macht entziehen.
Im Gegensatz zur Schwesterkommission im Nationalrat verzichtete die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S) im Vorfeld der Debatte darauf, im Covid-Gesetz konkrete Daten für weitere Öffnungsschritte festzuschreiben. Das Management der gesundheitlichen Krise müsse schon nur aus institutionellen Gründen beim Bundesrat bleiben, hielt sie fest.
Jedoch lud die WAK-S den Bundesrat mit einem Brief ein, den Rhythmus des Ausstiegs aus dem Lockdown zu beschleunigen – unter dem Vorbehalt, dass die epidemiologische Entwicklung dies zulasse. Sie schlug im Schreiben vor, den 22. März als Öffnungsdatum für die Gastronomiebetriebe und weitere Lockerungen vorzusehen.
Um nochmaligen Schliessungen vorzubeugen, hält die Kommission eine möglichst breite Teststrategie für entscheidend. Sie hat deshalb ohne Gegenstimme entschieden, ihrem Rat eine neue Bestimmung im Covid-19-Gesetz zu beantragen, wonach der Bund die Durchführung von Corona-Tests fördert und die ungedeckten Kosten trägt.
Verbindliche Konsultation des Parlaments
Der parteilose Schaffhauser Ständerat Thomas Minder beantragt zusätzlich, dass dem Parlament in der besonderen Lage ein Vetorecht eingeräumt wird. Sprechen sich die zuständigen Kommissionen beider Räte gegen einen Lockdown, eine Ausgangssperre, grossräumige Grenzschliessungen oder Schliessungen von bedeutenden Branchen aus, soll der Bundesrat auf die Massnahme verzichten müssen.
Ein weiterer Einzelantrag von Heidi Z’graggen (CVP/UR) will bei der Diskussion von künftigen Corona-Einschränkungen verstärkt die Verhältnismässigkeit ins Zentrum stellen. Vor einschneidenden Massnahmen sollten Bund und Kantone «sämtliche Möglichkeiten von Schutzkonzepten, von Test- und Impfstrategien sowie der Kontaktverfolgung ausschöpfen.»
Im Raum stehen weitere Anträge, die den Umgang mit geimpften Personen regeln oder Erleichterungen für «vorbildliche» Kantone vorsehen wollen. Der Ständerat berät diese Vorschläge gleich zu Beginn der Debatte.
Hilfe für mehr Unternehmen
Später steht das Härtefallprogramm im Zentrum der Diskussionen. Der Bundesrat beantragt dem Parlament, die Finanzhilfen auf 10 Milliarden Franken aufzustocken. Bei der Arbeitslosenversicherung soll der Bund auch 2021 die Kosten der Kurzarbeitsentschädigung übernehmen. Die Anzahl Taggelder für anspruchsberechtige Personen soll erhöht werden. Finanzielle Unterstützung erhalten sollen neu auch Kindertagesstätten. Kulturschaffende sollen schliesslich rückwirkend eine Entschädigung erhalten.
Die WAK-S beantragt ihrem Rat, einige Änderungen vorzunehmen. Bei den Härtefallbestimmungen beantragt die Kommission, dass nicht nur Unternehmen, die vor dem 1. März 2020 gegründet wurden berücksichtigt werden, sondern auch Unternehmen, die vor dem 1. Oktober 2020 gegründet wurden.
Die Kommission beantragt zudem den Finanzierungsanteil des Bundes an den Härtefallmassnahmen für Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 5 Millionen Franken von 70 auf 80 Prozent zu erhöhen. Und auch bei der Regelung für die Kurzarbeitsentschädigung will die Kommission eine grosszügigere Regelung als der Bundesrat.
Sonntagsverkäufe und Medien-Hilfe
Die Kommission hat darüber hinaus neue Regelungen ins Gesetz eingeführt. Sollen die Kantone in diesem und im nächsten Jahr bis zu zwölf offene Verkaufssonntage pro Jahr erlauben dürfen, damit die Geschäfte die Verluste durch die Schliessungen kompensieren können.
Neu soll auch eine Bestimmung im Gesetz aufgenommen werden, wonach der Bund auch private Radio- und Fernsehunternehmen mit Mitteln aus der Abgabe für Radio und Fernsehen unterstützen kann.
Nachtrag zum Voranschlag 2021
Zusammen mit dem Covid-19-Gesetz berät der Ständerat am Donnerstag auch acht Nachtragskredite im Umfang von 14,3 Milliarden Franken. Dazu zählen die Erhöhung des Bundesbetrags für die kantonalen Härtefallmassnahmen (6,3 Milliarden Franken) und der Beitrag an die Arbeitslosenversicherung zur Deckung der Kurzarbeitsentschädigung im Jahr 2021 (6 Milliarden Franken).
Die Kredite waren in der Vorberatung der Finanzkommission des Ständerats (FK-S) weitgehend unbestritten. Die Kommission schlägt ihrem Rat jedoch vor, zusätzliche 50 Millionen Franken zugunsten des Nachwuchs- und Breitensports zu beantragen.

Lesetipp: Der Bundesrat hat die Bevölkerung auf seiner Seite
800’000 Personen sind in Kurzarbeit, mehrere Hunderttausend arbeitslos. «Und diese Leute wollen wieder arbeiten», sagte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi kürzlich in der TV-Sendung «10 vor 10». Entsprechende Zuschriften erhalte er immer wieder, deshalb wollten die bürgerlichen Parteien Druck auf den Bundesrat ausüben: Er soll rascher öffnen als vorgesehen. Nur: Will das auch die Bevölkerung? Die Antwort erfahren Sie hier.

Lesetipp: Debatte um schnellere Lockerungen – Der Bundesrat hat die Bevölkerung auf seiner Seite
Die Nationalräte «stämpfelen» wie trotzige Kinder
Sie haben es getan: 97 Mitglieder des Nationalrats haben am Mittwochmorgen dafür gestimmt, dass Restaurants, Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen ab dem 22. März öffnen dürfen – ungeachtet der Entwicklung der Covid-Epidemie im Land (lesen Sie die Argumente beider Seiten im Ticker).
Diese Erklärung des Nationalrats ist das politische Pendant zum Stämpfelen eines Kindes, das jetzt sofort seine Pommes frites essen will, obwohl sie noch ein paar Minuten abkühlen müssen: unnötig, unnütz, unerträglich. Hier gehts zur vollständigen Analyse von Inlandredaktor Fabian Fellmann.

Lesetipp: Analyse zum Öffnungs-Aufruf – Die Nationalräte «stämpfelen» wie trotzige Kinder
SDA/red
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