Zürich kauft wieder Boden Stadt ersteigert sechs Häuser – Mietende sind «hin und weg»
58,1 Millionen Franken zahlt die Stadt für eine Siedlung in der Nähe des Rieterparks. Damit hat sie ihr Budget für Bodenkäufe schon fast ausgeschöpft.
Auf diesen Brief haben Bewohnende an der Scheideggstrasse ein Jahr lang gehofft.
Der Absender ist eine grosse Maklerfirma. Sie hatte den Auftrag, sechs Häuser auf dem Hügel in der Nähe des Rieterparks zu verkaufen. Dies sei nun geschehen, heisst es im Brief vom Mittwoch. Die neue Besitzerin ist die Stadt Zürich.
Etwas Besseres hätte aus Sicht der Mietenden kaum passieren können.
Die Stadt bestätigt den Kauf einen Tag später in einer Medienmitteilung. 58,1 Millionen Franken zahlt sie für die insgesamt 39 Wohnungen, 7 Einzelzimmer, 2 Gewerbeflächen sowie 30 Autoparkplätze. Gemäss den städtischen Belegungsvorgaben bietet die Siedlung Platz für mindestens 77 Menschen. Die Häuser aus den 1920er- und 1940er-Jahren befinden sich laut der Mitteilung in einem «gebrauchstauglichen bis guten Zustand». Der Preis bilde auch das grosse Ausnutzungspotenzial der Grundstücke ab. Die Bauordnung erlaubt darauf doppelt so viel Wohnraum wie heute.
Den Zuschlag hat die Stadt in einem zweistufigen Bieterverfahren erhalten. Die Stadt musste also zwei Mal ein Kaufgebot einreichen. Das Geld erhalten zwei Brüder aus der Innerschweiz, denen die Häuser bisher gehörten.
«Wir sind hin und weg», sagt Can Deniz, einer der betroffenen Mieter. Der Verkaufsprozess habe sich immer wieder verzögert. Die Mietenden seien vollständig im Ungewissen geblieben. Ein Jahr habe man gebangt, einige Mieterinnen seien bereits weggezogen. «Umso grösser fällt die Erleichterung aus, dass wir unsere solidarische Nachbarschaft behalten können.»
Die Mietenden hatten befürchtet, dass «Spekulanten» ihre Häuser übernehmen, abreissen und durch teure Eigentumswohnungen ersetzen würden. Die oft langjährigen Bewohnenden hätten dann ausziehen müssen und kaum eine bezahlbare Wohnung mehr gefunden in der Stadt. Um dieses Szenario abzuwenden, vernetzten sie sich mit der Zürcher Wohnbewegung. Sie gingen an die Öffentlichkeit und forderten gemeinnützige Wohnbauträger wie die Stadt Zürich auf, ihr Zuhause zu übernehmen.
Viele Menschen lebten mit der Drohung, wegen Leerkündigungen aus Zürich verdrängt zu werden, sagt Can Deniz. Doch nicht alle hätten die gleichen Möglichkeiten, um sich zu wehren. «Die Politik sollte ihre Verantwortung wahrnehmen und auch allen anderen Betroffenen ein solches Happy End ermöglichen.»
Das «Happy End» von der Scheideggstrasse ist auch eine Folge der Kaufoffensive, welche die Stadt Zürich 2021 gestartet hat. Seither steigen die Beträge der städtischen Hauskäufe steil an. Für dieses Jahr sah das zuständige Finanzdepartement von Daniel Leupi (Grüne) 500 Millionen Franken vor. Mit dem Zuschlag an der Scheideggstrasse hat die Stadt diese Summe schon fast ausgeschöpft. Bisher hat sie Boden und Liegenschaften für 452 Millionen Franken erworben, 211 Millionen allein kostet das unbebaute Harsplen-Areal in Witikon. Die 500 Millionen dienen aber eher als Richtwert und stellen keine absolute Grenze dar.
Angestossen hat diese Kaufoffensive die links-grüne Parlamentsmehrheit. Die bürgerlichen Parteien lehnen solche staatlichen Eingriffe als preistreibend und nutzlos ab.
Erleichtert wird der Hauskauf auch dank einer Volksabstimmung, die dem Stadtrat die alleinige Kompetenz dazu verliehen hat. Dazu kamen steigende Zinsen. Sie haben gemäss Branchenkennern Immobilienunternehmen zurückhaltender werden lassen. Dies verschaffe der Stadt bessere Chancen.
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