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Neue Verkehrsregeln in Zürich
Stadt befreit rund 60 Meter der Langstrasse von Autos

Fertig Stau: Bis November 2023 soll der Durchgangsverkehr tagsüber aus der Langstrasse verschwinden. 
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Das Zürcher Tiefbauamt hat heute mit der Umsetzung des Projekts «Autoarme Langstrasse» begonnen. Konkret werden zunächst Werkleitungsarbeiten auf der Kanonengasse vorgenommen, denn auf diese Strasse wird künftig der Autoverkehr umgeleitet. Im Juni 2023 fangen gemäss aktueller Planung die Bauarbeiten auf der Langstrasse selbst an. 

Gemäss einer Mitteilung vom Montag sieht das Projekt vor, dass auf der stark befahrenen Achse im Kreis 4 im Abschnitt zwischen Brauerstrasse und Dienerstrasse tagsüber nur Velofahrende, Busse und Taxis in beide Richtungen verkehren dürfen. In der Nacht ist die Strecke wieder für alle Verkehrsteilnehmenden offen. Für die Umsetzung des Projekts ist ein Gesamtkredit von fünf Millionen Franken budgetiert.

Langstrasse für Autos unattraktiv machen

«Die Langstrasse kann nicht auf der ganzen Strecke autofrei sein, weil die Anwohnenden sonst nicht mehr mit dem Fahrzeug zu ihren Häusern gelangen könnten. Auch weitere Zubringer und Rettungsfahrzeuge müssen diese Strecke befahren können», erklärt Tiefbauamt-Sprecher Roger Schaad das Vorgehen. Das Projekt sei aus einem Mitwirkungsverfahren mit der Quartierbevölkerung als beste Variante hervorgegangen. «Ein Fahrverbot, das aufwendige Kontrollen und Signalisationen nach sich ziehen würde, kann dadurch verhindert werden», sagt Schaad.

Das autofreie Teilstück könne man wie eine Art Barriere betrachten. «Der Unterbruch der Strecke soll die Langstrasse für Autofahrende unattraktiv machen», sagt der Tiefbauamt-Sprecher. Man gehe davon aus, dass diese direkt auf die Umfahrungsachsen Ankerstrasse und Kanonengasse sowie Feldstrasse und Schöneggstrasse einbiegen.

«Am Anfang werden sich wohl noch einige Autos in die Langstrasse verirren, aber das dürfte sich mit der Zeit legen.» 

Roger Schaad, Sprecher Tiefbauamt Stadt Zürich.

Derzeit ist geplant, dass das Fahrverbotsschild auf Höhe Brauerstrasse und Dienerstrasse angebracht wird und nicht schon eingangs Langstrasse auf das gesperrte Teilstück hingewiesen wird. Allfällige kleinere Anpassungen an der Signalisation seien auch zu einem späteren Zeitpunkt noch möglich, sagt Schaad. «Am Anfang werden sich wohl noch einige Autos in die Langstrasse verirren, aber das dürfte sich mit der Zeit legen.» 

Bis im November 2023 wird die Stadt folgende Anpassungen vornehmen: 

  • Fahrverbot für Autos zwischen Brauerstrasse und Dienerstrasse während des Tages

  • Umleitung des Durchgangsverkehrs zwischen 5.30 und 22 Uhr über Ankerstrasse und Kanonengasse

  • Tempo 30 auf der Langstrasse

  • Aufhebung der separaten Busspur

  • 37 neue Veloabstellplätze

  • Verbreiterung der Trottoirs auf Höhe des Coop-Supermarkts um 2,60 Meter

  • Sechs neue Bäume im Abschnitt zwischen Stauffacher- und Hohlstrasse

  • Erneuerung der Werkleitungen und des Belags

  • Einbau von Schallschutzfenstern

Mehr Platz für Velos

SP-Stadträtin Simone Brander zeigt sich zufrieden mit dem Start der Bauarbeiten: «Mehr Platz für den Velo- und Fussverkehr, weniger Autos an der Langstrasse – diese Ziele erreichen wir mit dem Projekt», sagt die Vorsteherin des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements.

Auch der grüne Zürcher Gemeinderat und Co-Geschäftsführer des VCS, Markus Knauss, ist froh über die Neuerung. «Es dürfte eine Weile dauern, bis sich alle an das neue Regime an der Langstrasse gewöhnt haben. Aber ich gehe davon aus, dass niemand mehr als einmal gebüsst werden will», sagt er auf Anfrage.

Erfreulich sei vor allem, dass die Velofahrenden mit der Neuerung die Langstrasse endlich auf der gesamten Länge in beide Richtungen befahren können. Wichtig ist für Knauss auch, dass die Verkehrsverlagerungen mit Temporeduktionen einhergehen und so «stadtverträglicher» sind. 

Angst vor «Exzessen des Nachtlebens»

Die verkehrsarme Langstrasse ist seit den 1970er-Jahren ein Thema. 1999 führte die Stadt Zürich ein erstes Mitwirkungsverfahren durch, um die Meinungen der Bevölkerung einzuholen. Ein Konsens kam dabei nicht zustande. Die Mitwirkenden waren gegenüber einer Totalsperrung kritisch eingestellt, «da sie sich vor zu viel Kriminalität und den Exzessen des Nachtlebens fürchteten», fasst das Tiefbauamt auf seiner Website die Geschichte zusammen.

2003 überwies das Stadtparlament eine Motion für eine bessere Verkehrsführung an den Stadtrat, es folgten weitere Workshops mit Anwohnenden und Gewerbetreibenden, aus denen die Stadt ein Verkehrskonzept für die Langstrasse und ihre Umgebung entwickelte.

Angst vor Exzessen auf der Langstrasse: Um 1995, als dieses Bild aufgenommen wurde, drängten Drogensüchtige und Dealer nach der Schliessung der offenen Drogenszene am Letten an die Langstrasse.

2007 bekräftigte das Stadtparlament schliesslich erneut seine Forderung nach einer verkehrsarmen Langstrasse. Doch die Umsetzung verzögerte sich danach während Jahren wegen Rekursen. Ausserdem musste die Stadt zuerst mit Verkehrs- und Lärmstudien die Auswirkungen des neuen Regimes für die Umfahrungsachsen abklären. 2013 kam schliesslich auch noch das Veto des Kantons: Wenn der Verkehr von der kommunalen Langstrasse tagsüber auf die überkommunalen Strassen links und rechts verlagert würde, seien die negativen Auswirkungen zu gross.

Bürgerliche warnen vor Belastung der Quartiere

Die Stadt hat das Verkehrskonzept daraufhin erneut angepasst, und der Kanton gab 2018 grünes Licht. Doch wegen weiterer Einsprachen konnte der Stadtrat das Projekt erst im November 2020 festsetzen. Im August 2021 hiess das Stadtparlament die 5 Millionen Franken für die Umsetzung gut – gegen die Stimmen der Bürgerlichen.

Die SVP sprach von einer «Kapitulation vor der Velolobby» und prophezeite Stau tagsüber in der Kanonengasse. Auch die FDP warnte, die umliegenden Quartiere würden mit zusätzlichem Autoverkehr belastet. Ab November 2023 wird sich zeigen, ob die Befürchtungen gerechtfertigt waren. Dann kommt das neue Verkehrsregime zur Anwendung.