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Messerattacke in Morges VD
Staatsanwalt fordert Freiheitsstrafe und Verwahrung

Die Staatsanwaltschaft hat eine 18-jährige Freiheitsstrafe für den mutmasslichen Täter (2. v.l.) beantragt.

Die Bundesanwaltschaft hat eine 18-jährige Freiheitsstrafe für den Mann beantragt, der im September 2020 in Morges VD einen Portugiesen getötet haben soll. Die Verteidigerin bestritt die Tat nicht, forderte aber, die Schizophrenie ihres Mandanten zu berücksichtigen.

Der Staatsanwalt des Bundes war der Ansicht, dass die schweren Taten, die nichtigen Motive und die fehlende Einsicht eine lebenslange Freiheitsstrafe zur Folge haben sollten. Diese Strafe müsse jedoch aufgrund der vom psychiatrischen Gutachter attestierten mittelgradig verminderten Schuldfähigkeit gesenkt werden.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft lehnte die vom Sachverständigen empfohlene stationäre Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung ab. Er führte mehrere Gründe an, die dagegen sprächen: Der 29-jährige Angeklagte sei sich seiner Krankheit nicht bewusst und suche keine Behandlung, er ziehe das Gefängnis vor. Unter diesen Umständen könne nur die ordentliche Verwahrung die öffentliche Sicherheit nach Ablauf der Strafe gewährleisten.

«Abscheulicher Egoismus»

Die Umstände und Motive der begangenen Tat sind laut Staatsanwaltschaft als Mord zu qualifizieren. Der Täter habe nicht nur die Errichtung eines Kalifats angestrebt, sondern darüber hinaus den begehrten Status eines Mudjaheddin erlangen wollen. Er sei von einem «primitiven und abscheulichen Egoismus» getrieben gewesen.

Die Verteidigerin bestritt nicht, dass es sich bei der Tat in Morges um einen Mord handelt. Ebenso wenig dementierte sie das Trauma, das die Zeugen des Angriffs erlitten haben. Stattdessen versuchte sie, die Vorwürfe der Propaganda für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), des versuchten Brandanschlags auf eine Tankstelle und des Mordes an einem Gefängniswärter zu entkräften.

Die Anwältin wies darauf hin, dass das Strafmass von der Sichtweise des Gerichts abhänge: Entweder sei es der Ansicht, dass der Angeklagte die Verantwortung für seine Tat übernehmen und eine lebenslange Haftstrafe erhalten solle. Andernfalls müssten die Richter anerkennen, dass ihr Mandant an einer schweren psychischen Störung leide und deshalb auf eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verzichten sei.

Die Verteidigerin plädierte gegen die von der Staatsanwaltschaft beantragte ordentliche Verwahrung. Jeder habe ein Recht auf eine Zukunftsperspektive. «Ich möchte deshalb, dass eine Strafe verhängt wird, die ein Ende hat.» Als mögliche Alternative schloss die Anwältin die vom Gutachter vorgeschlagene stationäre therapeutische Massnahme nicht aus. Sie hielt fest, dass die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung «gut» seien.

Unverständnis bei der Familie

Am Vormittag sprach der Anwalt der Familie des Opfers über das Unverständnis seiner Mandanten für die Motive, die der Angeklagte für seine Tat genannt hatte. Namentlich nannte er die Berufung auf das Kalifat, den Propheten, die Rache an der Koalition, die gegen den IS in Syrien kämpft.

Grosses Unverständnis habe die Familie auch für die Betreuung des Angeklagten nach seiner ersten Inhaftierung. «Sie hätte von der Justiz und den Behörden mehr Erklärungen zu den Mängeln dieser Betreuung erwartet», betonte der Rechtsanwalt.

Er erinnerte auch daran, dass der Angeklagte gesagt habe, er sei bereit, es wieder zu tun. Unter diesen Umständen könne man nicht von aufrichtiger Reue sprechen. Für die Familie sei der Täter ein Manipulator.

Der Rechtsanwalt forderte Genugtuung in Höhe von insgesamt 200'000 Franken für die Eltern und den Bruder des Opfers. Diese Entschädigung sei nicht nur für das erlittene Trauma, sondern auch für die Versäumnisse der Behörden vor dem Tötungdelikt geschuldet.

Albträume und Flashbacks

Der türkisch-schweizerische Angeklagte habe der multikulturellen Schweiz geschadet, als er einen jungen Portugiesen erstochen habe, der zufällig unter den Gästen eines Kebab-Lokals ausgewählt worden sei, betonte die Anwältin eines Freundes des Opfers.

Der Freund erlebte den Angriff aus nächster Nähe mit. Seitdem habe er ständig Schuldgefühle und fühle sich unsicher. Dies äussere sich sich vor allem in Albträumen und Flashbacks. Die Anwältin beantragte eine Genugtuung von 20'000 Franken. Die Verteidigung hat diese zivilrechtlichen Ansprüche anerkannt.

Die Urteilseröffnung findet am 10. Januar 2023 statt.

(Fall SK.2022.35)

SDA/fal