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Klagen gegen Artikel
So wollen Ständeräte die Medienfreiheit einschränken

«Es gibt immer noch zu viele Presseartikel, die auf Sensationen aus sind»: So begründet Ständerat Beat Rieder (rechts) die geplante Gesetzesanpassung.
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Am 3. Mai, dem Unesco-Tag der Pressefreiheit, prangert die Organisation Reporter ohne Grenzen normalerweise Länder wie Aserbaidschan oder China an. Dieses Mal kritisiert sie Schweizer Ständeräte. Die Schweiz gehört eigentlich zu den führenden Staaten, wenn es um die Pressefreiheit geht. Wo also liegt das Problem?

Die Rechtskommission des Ständerates hat vorgeschlagen, Artikel 266 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu verschärfen. Dieser regelt die sogenannten «vorsorglichen Massnahmen» gegen Medien. Wird die Verschärfung so umgesetzt, hätte das laut Experten massive Auswirkungen. Kritische Berichte könnten künftig einfacher unterdrückt werden.

Die Verfassung verbietet grundsätzlich die Zensur. Der Artikel 266 der ZPO erlaubt allerdings, dass ein Richter einen Medienbericht vorsorglich verbieten oder löschen lassen kann, wenn einem Kläger dadurch ein «besonders schwerer Nachteil» entsteht. Die Medien werden dabei nicht gefragt. Erst Monate oder Jahre später entscheidet sich, ob der Bericht doch noch erscheinen darf. Dann ist er oft nicht mehr aktuell.

«Es ist eine gefährliche Einschränkung der Pressefreiheit.»

Denis Masmejan, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen Schweiz

Wer die hohen Prozesskosten finanzieren kann und gute Anwälte hat, kann so versuchen, unliebsame Artikel zu verhindern oder löschen zu lassen. In der Praxis scheitern solche Zensurversuche oft: So hat der Oligarch Roman Abramowitsch zum Beispiel versucht, längere Passagen eines ihm nicht genehmen Artikels in der «SonntagsZeitung» löschen zu lassen. Die Richter wiesen das ab und erklärten dem Russen, die Schweizer Gerichte seien keine «Zensurbehörden».

Selten sind diese Eingriffe aber nur deshalb, weil ein Kläger glaubhaft machen muss, dass ihm ein «besonders» schwerer Nachteil droht. «Das Wort ‹besonders› ist in der Gerichtspraxis extrem wichtig», sagt Matthias Schwaibold. Er hat mehrere Fachartikel zum Thema verfasst und beschäftigt sich als Medienanwalt seit Jahrzehnten mit vorsorglichen Massnahmen. Dieses «besonders» habe die Latte für Kläger bewusst hoch gesetzt, erklärt er. Sie kämen deshalb nicht mit jedem Löschungsantrag durch. «Dieses Wort wurde bewusst gewählt, um die Medien vor Zensur zu schützen.»

Mehr Löschungen, mehr Verbote

Doch die Mehrheit der Rechtskommission des Ständerats hat nun entschieden, dieses «besonders» ersatzlos zu streichen. «Es gibt immer noch zu viele Presseartikel, die auf Sensationen aus sind, ohne die Privatsphäre der betroffenen Personen zu respektieren», erklärt Kommissionspräsident Beat Rieder von der Mitte-Partei. Die Medien hätten viel Macht, man müsse diese ins Gleichgewicht bringen. Für Schwaibold aber ist klar: «Das ist ein perfider Angriff auf die Medienfreiheit. Wenn das so durchkommt, wären den Massnahmen gegen die Medien Tür und Tor geöffnet.» Damit drohten wesentlich mehr Löschungen und Verbote.

So sieht das auch die Organisation Reporter ohne Grenzen. «Das Wort ‹besonders› zu streichen, ist inakzeptabel», sagt Denis Masmejan, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen Schweiz. «Es ist eine gefährliche Einschränkung der Pressefreiheit, die man verhindern muss.» Laut Masmejan wäre das ein Steilpass für alle, die gegen die Medien vorgehen wollen: «Das öffnet die Büchse der Pandora.»

SP-Ständerat Carlo Sommaruga scheiterte mit seinem Antrag, das Gesetz so zu belassen, wie es seit den Achtzigerjahren Praxis ist. Er will es nun im Gesamtständerat thematisieren. «Ich hoffe, dass dem Parlament klar wird, welche Bedrohung das für die Medien ist.» Der Ständerat berät voraussichtlich in der Sommersession über die Gesetzesanpassung.