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Meinung

So einfach ist Bücher schreiben
Mark? Klaus-Ruediger!

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Das Schreiben ist ein einsamer Beruf, insbesondere wenn man an einem Buch arbeitet. Man sitzt von früh bis spät am Bürotisch und starrt in den Bildschirm – vor allem aber ist man die ganze Zeit über in seinem eigenen Kopf und kramt in seinen Gedanken. Kein Wunder, kommt man ab und an auf Ideen. Und es liegt dabei in der Natur der Sache, dass nicht jede davon gut sein kann.

Zum Beispiel hatte ich die Idee, den Vornamen der Hauptfigur meines neuen Romans, welcher gerade am Entstehen ist – und voraussichtlich im März des Jahres 2032 in die Buchläden kommen wird, vielleicht auch etwas später –, durch einen anderen zu ersetzen. Dies geht dank der praktischen «Suchen und ersetzen»-Funktion moderner Computerschreibprogramme flugs.

Die Figur hiess Mark. Nichts gegen Mark. Ein schöner Vorname, doch er hat zwei Probleme. Erstens: Mark heisst auch mein ehemaliger Nachbar, mit dem ich nach wie vor freundschaftlich verbunden bin. Zwar ist die Romanfigur ganz und gar nicht die Figur, die der ehemalige Nachbar im richtigen Leben darstellt, dennoch beschlich mich ein ungutes Gefühl. Was, wenn den echten Mark zufälligerweise dieselben Fantasien und Geheimnisse umtreiben wie die Romanfigur gleichen Namens? Zudem ist Mark im echten Leben Jurist. Er weiss, wie man Leute hinter Gitter bringt.

Der Hauptgrund jedoch: Der Name Mark ist verdammt kurz. Kurze Namen sind gut für Haustiere. Für Hunde und Katzen, die man herumkommandieren kann. Max beispielsweise ist ein perfekter Haustiername. Doch für eine Romanfigur ist ein langer Name viel geeigneter, er generiert mehr Volumen. Klaus-Rüdiger etwa. Mark besteht aus bloss vier Buchstaben, Klaus-Rüdiger aus deren zwölf – plus Bindestrich zwischen Klaus und Rüdiger und noch einem Zeichen mehr, wenn man den Umlaut ü ausschreibt, so wie in den Kreuzworträtseln üblich. Man gewinnt mit einem einzigen Klaus-Ruediger nicht weniger als zehn Zeichen! Erwähnt man den Vornamen pro Seite zehnmal, erhält man bei einem Buch von angepeilten 300 Seiten mit Klaus-Ruediger statt Mark 30’000 Zeichen gratis obendrauf, was so ziemlich genau 20 Buchseiten entspricht.

Also tat ich es. Es dauerte nur Sekunden. Suche «Mark», ersetze durch «Klaus-Ruediger». Und tatsächlich: Das Manuskript schwoll an. Und zwar mehr, als ich erhofft hatte. Ich war erstaunt. Und ich war erfreut! So ist es leicht, ein Buch zu schreiben.

Doch leider fühlte ich – wie so oft, wenn ich erfreut bin –, dass etwas nicht stimmen konnte. Ich stellte fest, dass nicht nur der Vorname der Figur geändert wurde, sondern auch alles andere, was Mark heisst und wo Mark drinsteckt.

So las ich nicht mehr Supermarkt, wenn sie samstags einkaufen gingen, sondern SuperKlaus-Ruedigert. Die eine Frau namens Jacqueline arbeitete nicht mehr in der Marketingabteilung, sondern in der Klaus-Ruedigeretingabteilung. Es hiess nicht mehr Strassenmarkierung, sondern StrassenKlaus-Ruedigerierung. In Venedig stoben die Tauben nicht mehr vom Markusplatz auf, als die Protagonisten ein Pistazieneis lutschend darüberschritten und im Hintergrund Rondò Veneziano lief, sondern vom Klaus-Ruedigerusplatz. Der Hund markierte nicht sein Revier, sondern Klaus-Ruedigerierte es. Und so weiter und so fort.

Ich bin froh, habe ich diesen kleinen Fehler noch rechtzeitig entdeckt. Es werden nun am Ende eben ein paar Seiten weniger, aber manchmal ist Qualität doch wichtiger als Quantität.

Max Küng ist Reporter bei «Das Magazin».