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Kontroverse in Wimbledon
So blamiert sich das fachkundigste Tennispublikum

Unter Buhrufen verliess sie Court 1: Viktoria Asarenka fühlte sich ungerecht behandelt.
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Der Handshake ist eine der schönsten Traditionen im Sport. Nachdem man sich erbittert bekämpft hat, schüttelt man sich die Hand, schaut sich in die Augen und wechselt vielleicht noch ein paar Worte. Man tut alles, um den sportlichen Wettkampf zu gewinnen, aber danach zollt man sich Respekt. Doch die Geste der Anerkennung durchlebt im Tennis schwierige Zeiten. Zuerst wurde sie während der Covid-Pandemie gestrichen, nun sorgt der Ukraine-Krieg für allerlei Missverständnisse und Kontroversen.

Die jüngste Leidtragende war die Weissrussin Viktoria Asarenka, die nach ihrem epischen Duell gegen Elina Switolina beim Verlassen von Court 1 ausgebuht wurde, weil sie nach dem verlorenen Spiel nicht zum Handshake ans Netz gelaufen war, sondern direkt zu ihrem Stuhl. Ein impulsiver Mensch, reagierte Asarenka beim Herauslaufen mit einer Geste auf die Buhrufe: Sie streckte ihre Fäuste zusammen und in die Luft. Es war keine Liebesbekundung. Später sagte sie: «Wahrscheinlich wurde viel Pimm’s getrunken im Lauf des Tages.»

Die Zuschauer als betrunken zu bezeichnen, ist wohl nicht besonders klug. Aber es zeigt, wie sehr Asarenka die Buhrufe schmerzten. Das Gleiche hatte die Russin Daria Kasatkina in Roland Garros nach ihrer Partie gegen Switolina erfahren. Dabei hatten beide der allseits bekannten Haltung der Ukrainerin, die Hände von Russinnen und Weissrussinnen nicht zu schütteln, Respekt gezollt. Kasatkina gratulierte ihr in Paris, indem sie den Daumen hochstreckte und zu ihr hinüberblickte, Asarenka winkte ihr zu.

Sabalenkas Provokation

Ganz anders Aryna Sabalenka, die in Roland Garros nach ihrem gewonnenen Viertelfinal gegen Switolina demonstrativ am Netz wartete, obschon sie wusste, dass ihr die Ukrainerin nicht die Hand schütteln würde. Worauf Switolina ausgepfiffen wurde. An diesen Spielchen offenbaren sich die Beziehungen unter den Spielerinnen der Kriegsnationen. Sabalenka provozierte in Paris die Pfiffe für ihre Gegnerin. Kasatkina verurteilt das Kriegstreiben ihres Heimatlandes explizit und hat sich ins Ausland abgesetzt.

In Paris wartete Aryna Sabalenka demonstrativ am Netz – und Elina Switolina ignorierte sie.

«Solange russische Truppen nicht die Ukraine verlassen und wir uns unsere Territorien zurückgeholt haben, werde ich keine Handshakes machen», hält Switolina klar fest. Die Politiker hätten das vorgemacht. Sie forderte nun, die Turniere oder Verbände müssten ein Statement verfassen, in dem sie erklärten, dass es keinen Handshake gebe zwischen ukrainischen Spielerinnen und jenen aus Russland und Weissrussland. «Denn einige Leute kapieren es nicht.»

Sally Bolton, CEO von Wimbledon, kann diesem Vorschlag nichts abgewinnen: «Wir haben nicht vor, den Spielerinnen und Spielern etwas vorzuschreiben. Was nach dem Match passiert, war schon immer ihre Entscheidung und wird es auch bleiben», sagte sie beim Treffen mit der Presse am Montagmorgen. Sie schob nach: «Wir haben in Wimbledon ein unglaublich fachkundiges Publikum.»

Mit dem Ausbuhen Asarenkas blamierte sich dieses indes. Denn der Weissrussin war wirklich nichts vorzuwerfen. Anders als das launische und laute Pariser Publikum ist jenes in Wimbledon sonst in der Tat respektvoll. Wahrscheinlich schwang auch ein allgemeines Unbehagen mit gegenüber den Spielerinnen und Spielern aus den Kriegsnationen. Diese sind in diesem Jahr wieder geduldet, aber nicht gerade mit offenen Armen empfangen worden.

Wimbledon knickte ein

«Es war für uns eine sehr schwierige Entscheidung, sie wieder zuzulassen», betonte Bolton. Nachdem Wimbledon von der Frauen- und der Männertour die Ranglistenpunkte aberkannt worden waren und es gebüsst worden war, hatte sie wohl gar keine andere Wahl. So einzigartig und bedeutend das Turnier ist, es kann sich nicht mit der ganzen Tenniswelt anlegen.

Immerhin nimmt Wimbledon in Bezug auf den Ukraine-Krieg immer noch eine klare Haltung ein. Es stellt allen Spielerinnen aus der Ukraine Gratisunterkünfte zur Verfügung, spendet rund eine halbe Million Pfund und verbietet allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Russland und Weissrussland finanzielle Verbindungen zu unterhalten zu ihren Staaten oder zu staatsnahen Firmen. Wobei das nicht leicht zu kontrollieren sein dürfte. Medienschaffende aus den beiden Staaten sind nicht zugelassen, das Turnier wird dort auch nicht im Fernsehen ausgestrahlt. Aber im Streamingzeitalter ist das natürlich locker zu umgehen.

Sie spielt nicht nur für sich, sondern auch für die Menschen in der Ukraine: Elina Switolina.

Sie sei zufrieden, wie das Turnier laufe, sagte Bolton. «Wir haben Rekord-Ticketverkäufe, die Schlange für Tickets ist wieder länger geworden. Die Championships sind dort zurück, wo sie vor Covid waren. Aber es hat einige Zeit gebraucht.» Am späten Start auf den grössten zwei Courts (13.30 Uhr) und an der Sperrstunde von 23 Uhr will sie nicht rütteln. Auch wenn das dazu führen kann, dass späte Matchs wie jener von Novak Djokovic gegen Hubert Hurkacz vertagt werden müssen.

Switolinas Mission

Das britische Publikum hat sich, nachdem alle Einheimischen ausgeschieden sind, auf die Seite der Ukrainerin Switolina geschlagen. Sie spüre zusätzlichen Druck, es besonders gut zu machen, sagte diese nach ihrem Sieg über Asarenka. Gegen Weissrussinnen und Russinnen sei sie besonders motiviert. «Ich weiss, wie viel es den Leuten zu Hause bedeutet. Ich versuche, ihnen einen Moment des Glücks zu bescheren. Auf meine eigene Art und Weise kann ich einen kleinen Sieg für die Ukraine erringen.»