Neuer Velo-Trend Smarte Helme sind der Renner – aber sie haben einen Haken
Ein Kopfschutz mit integriertem Front- und Bremslicht sowie Richtungsblinker boomt. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung warnt jedoch.
Vor allem in der Dämmerung und nachts fallen sie auf: futuristisch anmutende Fahrerinnen und Fahrer mit der neusten Generation von leuchtenden Velohelmen. Diese smarten Kopfbedeckungen blinken bei einem Richtungswechsel, zeigen den Bremsvorgang mit einem roten LED-Licht an und sind drahtlos über Bluetooth oft auch mit dem Smartphone gekoppelt. So kann man über die integrierten Lautsprecher Musik hören oder über eingebaute Mikrofone telefonieren.
Vor allem die Anbindung ans Handy hat laut Martin Platter von Velosuisse, dem Verband der Schweizer Fahrradlieferanten, viel zum Boom dieser Fahrradhelme beigetragen. Genaue Verkaufszahlen kann Platter nicht nennen: «Aber die Händler berichten uns von einer klar gesteigerten Nachfrage.» Diese führt er auch darauf zurück, dass bei den E-Bikes seit dem 1. April dieses Jahres eine Lichtpflicht eingeführt wurde. Oft verfügen solche Velohelme neben dem Bremslicht auch über ein Frontlicht.
«Smarte Velohelme ersetzen das Handzeichen oder den Richtungsblinker nicht.»
Dieses Frontlicht wird von der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) allerdings kritisch beurteilt und nicht explizit empfohlen. Man könne es verwenden, so BfU-Sprecher Marc Kipfer, aber laut dem Strassenverkehrsgesetz dürften dadurch andere Verkehrsteilnehmer nicht geblendet werden. Auch bei den Richtungsblinkern verweist Kipfer auf eine wichtige Einschränkung: «Diese ersetzen das Handzeichen oder den fix montierten Richtungsblinker am Velo oder E-Bike nicht.» Deshalb erachtet die Beratungsstelle smarte Velohelme lediglich als eine sinnvolle Ergänzung zu den fix installierten Brems- und Blinkelementen.
Noch gibt es keine Studien über die Wirksamkeit solcher smarten Velohelme. Deshalb plant die BfU eine Erhebung zur Nutzung von Sichtbarkeitsprodukten bei Velo- und E-Bike-Fahrenden. Diese soll im Herbst beginnen und möglicherweise auch Lichtelemente an Helmen miteinbeziehen.
Am liebsten wäre es der Beratungsstelle, wenn generell mehr Velofahrende einen Helm tragen würden, ob nun smart oder weniger smart. In der Schweiz fährt nur etwas mehr als die Hälfte mit einem Helm, ein Obligatorium gibt es nur für E-Bike-Fahrende mit Velos, die für 45 Kilometer pro Stunde zugelassen sind. Für langsamere E-Bikes braucht es keinen Kopfschutz.
Schutzwirkung von bis zu 50 Prozent
Vergeblich hat sich die BfU dafür eingesetzt, dass wenigstens Kinder dazu verpflichtet werden, einen Helm zu tragen. Denn rund ein Viertel der Kinder sind in der Schweiz auf dem Velo noch ohne Kopfschutz unterwegs. Doch das Parlament will keine Velohelmtragpflicht für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren. Die Politikerinnen und Politiker haben den entsprechenden Passus in der Sommersession definitiv aus den geplanten Anpassungen am Strassenverkehrsgesetz gestrichen – auch aufgrund des Widerstands der Veloverbände von Velosuisse bis hin zu Pro Velo Schweiz.
Unbestritten ist die positive Wirkung von Velohelmen: Zahlreiche Studien belegen, dass diese das Risiko für Kopfverletzungen senken, sofern sie passen und richtig angezogen sind. Metaanalysen berechneten eine Schutzwirkung eines Velohelms von 40 bis 50 Prozent. Unfälle mit Velos zählen zu den häufigsten Strassenverkehrsunfällen in der Schweiz, 82 Prozent davon sind Selbstunfälle und 18 Prozent Kollisionen. Insgesamt verunfallen jährlich rund 21’000 Velofahrende.
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