Geschichte der Zürcher Wintersport-RegionWie Zürich zu seinem hauseigenen Skigebiet auf dem Hoch-Ybrig kam
Das Skigebiet Hoch-Ybrig wurde 1970 als «Gesundheitsvorsorge» massgeblich von Zürich aus geplant, bezahlt und gebaut. Im Kanton Schwyz ist man bis heute froh über diese Anschubhilfe.
![Skigebiet mit einem Schild, das das zukünftige Ferien- und Sportzentrum Hoch-Ybrig ankündigt, vor schneebedeckten Bergen.](https://cdn.unitycms.io/images/4Tk-PtYL44g8PoZ2epKCbT.jpg?op=ocroped&val=1600,1067,1000,643,289,0&sum=dH3N86EjADc)
- 1970 wurde das Skigebiet Hoch-Ybrig eröffnet.
- Die Zürcher Regierung unterstützte das Projekt zur «Gesundheitsförderung der Stadtbevölkerung».
- Die Region profitierte vom Tourismus durch Hoch-Ybrig.
- Zukunftsprojekte setzen angesichts Klimawandel auf moderne Beschneiungstechnologien.
Es war eine bunte Truppe, die sich im Februar 1970 an der Bergstation Seebli im Kanton Schwyz auf 1478 Metern über Meer versammelte: Ordensschwestern, Skifahrer, Fasnachtsleute und eine Blaskapelle der Musikgesellschaft Oberiberg. Mittendrin der Zürcher Stadtpräsident Sigi Widmer. Mit einer Ansprache wandte er sich an die rund 100 Gäste, die der Eröffnung des neuen Skigebiets Hoch-Ybrig beiwohnten.
Widmer erinnerte an sein gescheitertes Projekt, Olympia nach Zürich zu holen. Die Winterspiele wurden an der Urne abgelehnt, aber der projektierte Austragungsort Hoch-Ybrig wurde gebaut, sozusagen als Überbleibsel der ambitionierten Olympiapläne. Die «Leistungen der Privatwirtschaft» und «risikofreudige Unternehmer» hätten das Riesenprojekt möglich gemacht, so Widmer in seiner Ansprache.
![Doppelseitiger Magazinartikel über Kurorte in den Bergen, mit einem Schwarzweissfoto von einem Mann, der auf einer Wiese mit einer Kuh sitzt.](https://cdn.unitycms.io/images/4itjZO6uahnASTmnmFbZgP.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=pz8FIBDqkvA)
Und nicht zuletzt das Geld und das Engagement der Stadt Zürich. Die Stadt hatte ein Gebiet von mehr als 524’000 Quadratmetern für 1,7 Millionen im Baurecht erworben. 20 Millionen Franken hätte der Zürcher Gemeinderat für eine weitere Ausbauetappe bewilligt, so der damalige Stapi Widmer. Die Zeremonie schloss mit der Segnung der neu gebauten, aus sechs Bahnen und Skiliften bestehenden Anlage durch einen Geistlichen. Tags darauf titelte die NZZ: «Das neue Skiparadies für Zürcher».
Das Hauptargument für die Zürcher Regierung, sich auf so massgebliche Weise am Bau des Skigebiets im Kessel zwischen Sternen, Hesisbol, Spirstock und Laucherenstöckli zu beteiligen, war die «Gesundheitsvorsorge» der Städter. Oder wie es in einer Wortmeldung eines Gemeinderats damals hiess: Zentral sei die «Bekämpfung der sogenannten Zivilisationsschäden in der Agglomeration». Die Stadt kaufte Aktien für 5 Millionen Franken und nahm Einsitz in den Verwaltungsrat der Hoch-Ybrig AG, den sie bis ins Jahr 2023 durchgehend innehatte.
![Zwei Skifahrer in blauer und roter Skibekleidung sitzen auf einem Sessellift in einem verschneiten Skigebiet auf dem Hoch-Ybrig, mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund.](https://cdn.unitycms.io/images/5XgjVVcqafO9-JUcgchWeB.jpg?op=ocroped&val=1600,1067,1000,1000,0,0&sum=gcfrb5l7D90)
Bald erschienen Anzeigen in Zürcher Zeitungen, die Ferienwohnungen im neuen Skigebiet bewarben. Der erste Kurdirektor des neuen «Zürcher Hausbergs» Hoch-Ybrig war gebürtiger Stadtzürcher. Kurz darauf rollten die ersten Autos mit Zürcher Nummernschildern über die in nur drei Monaten fertiggestellte neue Strasse von Einsiedeln zur Talstation Weglosen in Unteriberg. Bis dahin war der steile Skilift im Nachbardorf Oberiberg unter Zürchern höchstens ein Geheimtipp. Mit der neuen, damals hochmodernen Luftseilbahn sowie den zwei Parkhäusern für knapp 1000 Autos in Unteriberg sollten die Massen kommen.
«Schwer zugängliche Gebirgsgegend» wird zu Skigebiet
«Gestern noch eine abgelegene, wenig bekannte und schwer zugängliche Gebirgsgegend, heute die weit gediehene Erschliessung eines herrlichen Skigebietes», warb ein Werbeprospekt aus der Zeit für das neue Skigebiet. Auch Zeitschriften lobten die neue Anlage, die von Zürich aus «problemlos» in nur einer Stunde erreichbar sei.
«Die Planer des Hoch-Ybrig müssen sich keine Fehler vorwerfen lassen», schrieb die «Schweizer Illustrierte» 1972 und verglich Hoch-Ybrig mit anderen «Kurorten aus der Retorte». «Ihre Reisbrettarbeit ist ohne Fehl und Tadel, ihr Konzept bewährt sich in der Praxis», heisst es in der Reportage.
![Schneebedeckte Skihänge in einer alpinen Wintersportregion mit Skifahrern, einer Hütte in der Mitte und Bäumen im Hintergrund.](https://cdn.unitycms.io/images/1EwfXC7s4lBAlGL2CWhZTI.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=cx-xxdSaZgo)
Bernard Holdener war bei der Eröffnungszeremonie 1970 dabei. Er spielte als damals 23-Jähriger bei der Bergstation Seebli in der Kapelle mit. Der heute 82-Jährige sitzt im Restaurant Hirschen in Oberiberg und lacht, als er über die Zeremonie mit Sigi Widmer spricht. Es sei eine wichtige Sache gewesen für alle Anwesenden – und für die ganze Region. «Ich war schon immer optimistisch, dass dieses Skigebiet gut ist für uns», sagt er.
![In einem Restaurant in Oberiberg SZ erinnern sich Bernard und Walter Holdener an die Entstehung des Skigebiets Ybrig. Links sitzt Bernard, der in einem Buch liest, während Walter rechts neben ihm lächelnd sitzt. Foto: Manuela Matt, manuelamatt.ch](https://cdn.unitycms.io/images/2B1pZmsbKpz8xtruaNymaD.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=__PWzqYRCNQ)
Die Abneigung gegenüber Städterinnen und Städtern, wie sie bisweilen aus den Bündner Skigebieten zu hören ist, blitzt weder im Gespräch mit ihm noch mit dem halben Dutzend anderen Ortsansässigen auf. Dabei liessen sich Gründe finden für Diskussionen: Tausende Autos, die seit den 1970ern Wochenende für Wochenende durch Unteriberg rattern. Die Gastronomie in Unteriberg profitiert kaum von den Menschenmassen, gleich mehrere Restaurants schlossen jüngst.
Gesprächsstoff könnten auch die gegensätzlichen politischen Welten liefern: Unteriberg, auf dessen Boden die Talstation liegt, gilt als konservativste Gemeinde der Schweiz. Die SVP hat im Ort einen Stimmenanteil von knapp 60 Prozent. Der konservative SVP-Präsident und Nationalrat Marcel Dettling, der aus Oberiberg stammt und dort wohnhaft ist, ist im Tal weitum beliebt – im links-grünen Zürich gilt er als Reizfigur.
![Skifahrer am Hoch-Ybrig, SZ, mit zahlreichen aufgestellten Skiern im Schnee.](https://cdn.unitycms.io/images/EDgf9EPTavoAO9uz6OBqdP.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=dVQQLHPP-Uk)
«Im Skigebiet sind die Leute gut drauf, da spielen solche Diskussionen keine Rolle», sagt der Unteriberger Gemeindepräsident Ruedi Keller (SVP) am Telefon. Man könne das an der Persona Dettling sehen, die am gleichen Wochenende mit zotigen Voten in der «Arena» auffällt und am nächsten Tag bei der Talstation Weglosen in Unteriberg ehrenamtlich die mehrheitlich zürcherischen Autonummern einweist.
«Eine freundnachbarliche Entwicklungshilfe»
«Die Leute im Tal wissen, dass sie von den Touristinnen und Touristen profitieren, wir sind Sigi Widmer heute noch dankbar», sagt Keller. Ein Grossteil der knapp 250 saisonal im Skigebiet Beschäftigten lebt in Oberi- oder Unteriberg. Viele Bauern arbeiten im Winter dort. In den Tälern im Kanton Glarus würden die jungen Leute abwandern. «Dieses Problem haben wir hier definitiv nicht.»
![Bau eines grossen mehrstöckigen Gebäudes in einer bergigen Landschaft, begleitet von einem roten Kran und umgeben von Bäumen und teilweise verschneiten Hügeln.](https://cdn.unitycms.io/images/3D8UczWw4fsAvZ7hGZj-Gv.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=cbVd_6BI-Xg)
Dass sich die von Landwirtschaft geprägte Region durch den Tourismus entwickeln soll, nannten die Zürcher Planer vor mehr als 50 Jahren als Argument für das Grossprojekt. «Die vorgeschlagene Unterstützung dient (...) nicht nur städtischen Interessen, sondern sie stellt zugleich eine freundnachbarliche «Entwicklungshilfe» zugunsten des Kantons Schwyz dar», hiess es in einer Debatte im Gemeinderat.
Die Bewohnenden des Hochtals hatten schon negative Erfahrung gemacht mit von Zürich aus geplanten Grossprojekten: Der neu geschaffene Sihlsee überschwemmte 1937 Dörfer und Siedlungen, 500 Bewohnende des Talbodens wurden umgesiedelt. Der Stausee produzierte für die SBB Strom, die Ortsansässigen profitierten aber weniger als erhofft. Der Begriff «Alpenkolonialismus» zog in die Diskussionen ein.
Als die Waffenfabrik Oerlikon-Bührle in den 1950er-Jahren auf dem Ochsenboden bei Studen ein grosses Stück Land für einen Werkschiessplatz erworben hatte, konnten die Ortsansässigen dagegen profitieren. Dutzende zuvor vor allem landwirtschaftlich tätige Talbewohner fanden bei der Firma Arbeit.
Heute schiesst an dieser Stelle Rheinmetall zur Übung Raketen ins Geröll. Der deutsche Waffenproduzent ist neben der Hoch-Ybrig AG heute noch der grösste Arbeitgeber der Region. Dieter Bührle, der Sohn von Emil Bührle, wurde Ehrenbürger von Unteriberg.
![Mann in rotem Pullover fährt auf einer verschneiten Piste Ski unter klarem blauen Himmel.](https://cdn.unitycms.io/images/6VECYV0LKMyAcAlLhe_AMV.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=KSAZmVgpfLA)
Dass er für ein Grossprojekt seine Heimat aufgeben müsse, davon fürchtete sich Bernard Holdener bei der Erschliessung des Hoch-Ybrig durch Zürcher Planung nicht. Im Gegenteil: Die Zusammenarbeit mit Zürich habe sich von Beginn weg bewährt, sagt er. «Die Zürcher und die Schwyzer sind seither wirtschaftlich verbunden.» Holdeners Biografie selbst ist ein Beispiel für das Zusammenspiel der beiden Regionen.
Gemeinsam mit seinem Bruder Walter hat er nach der Inbetriebnahme von Hoch-Ybrig die Familienschreinerei übernommen. Mit dem Bau der Luftseilbahn wuchs auch das Geschäft. War die Schreinerei während zweier Generationen ein bescheidener Zweimannbetrieb, wuchs sie mit dem Skigebiet. Heute ist sie mit 15 Mitarbeitenden die grösste und bekannteste Schreinerei der Region. Der Hauptteil der Aufträge komme direkt oder indirekt aus dem Skigebiet, sagt Holdener. Zur Kundschaft gehören auch Städter, die hier Ferien machen.
An einen Stadt-Land-Graben ist nicht zu denken
Ähnliches lässt sich laut Holdener über Baufirmen, Elektroinstallateure oder die Gastronomie in Oberiberg sagen. «Mit dem Skigebiet kam der Wohlstand», fasst er zusammen. An einen Stadt-Land-Graben sei deshalb nicht zu denken. «Hier sind alle willkommen.»
Vielleicht lässt damit die auf den ersten Blick überraschend offene Haltung der Region erklären, die sich dem Ankömmling am Dorfeingang schon zeigt. «Schön, dass Sie hier sind», steht auf einer Sitzbank an der Bushaltestelle. Auf einem Plakat der Ferien- und Sportregion Ybrig heisst es in grossen Lettern: «Wir haben Sie gerne bei uns».
![Luftaufnahme eines verschneiten Parkhauses in hügeliger Winterlandschaft mit vereisten Strassen und umgebenden Bäumen.](https://cdn.unitycms.io/images/Eo-FFj-v40Z8HuagpnL_Bw.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=sbNSiZolPls)
Das Skigebiet verzeichnete in dieser Saison ein Rekordergebnis, wie es nur alle 30 Jahre vorkomme, sagte der Geschäftsführer der Hoch-Ybrig AG, Urs Keller, auf Anfrage. Sein Vater hat in den 1990er-Jahren in der Firma das Zepter übernommen und die Anlage nach einer Baisse in den 1980ern wieder profitabel gemacht. Um nochmals 12 Prozent seien die Einnahmen 2024 im Vergleich zum bisherigen Rekordjahr 2022 gewachsen, sagt Keller. «Wir schauen positiv in die Zukunft.»
Derzeit wird an einer neuen modernen Drahtseilbahn gebaut, die nächste Saison in Betrieb genommen werden soll. Darauf, dass es dereinst aufgrund des Klimawandels weniger schneien könnte, sei man mit modernen Kunstschneeanlagen vorbereitet, sagt Keller.
«Luxus passt nicht ins Tal»
Auch in der Hotellerie glaubt man an die Zukunft der Skiregion Hoch-Ybrig. Nach kontinuierlichem Abbau seit den 1980er-Jahren wird derzeit wieder investiert. Das grösste Hotel der Ortschaft, die Roggenstock Lodge, baut gerade neue Zimmer, einen Co-Working-Space, Spa-Bereich sowie ein neues Restaurant. Das Hotel Rösslipost in Unteriberg wiederum wurde von einem jungen Ortsansässigen übernommen, auch dort soll etwas Neues entstehen.
Die Frage, ob man in der Region auf einen Grossinvestor der Sorte Sami Sawiris warte, der in Uri Luxus-Resorts realisiert, winken Holdener wie auch alle anderen angefragten Ortsansässigen entschieden ab: «Luxus passt nicht ins Tal», sagt Holdener. Klar wäre man froh, es gäbe vermehrt Touristinnen und Touristen, die nicht nur für einen Tag in die Region kämen, sondern wochenweise, heisst es bei Hoteliers. Der Konsens: Für ein solches Luxus-Grossprojekt aus der Retorte seien die Einheimischen dann aber doch zu konservativ.
Korrekt: In einer früheren Version stand in der Bildlegende, dass der steile Skilift von Oberiberg in den Hoch-Ybrig fährt. Korrekt ist, dass es sich um den Skilift Hesisbol handelt.
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