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Skifahrer Noel von Grünigen
Der letzte Ausweg für den Sohn einer Legende? Eine Skihalle in Belgien

Noel links posiert mit Vater Michael Mike von Gruenigen im Hotel Steinmattli anlaesslich dem FIS Ski Weltcup in Adelboden am 11.01.2019. Foto: Christian Pfander / Tamedia AG
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Es ist diese eine Erinnerung, die ihm geblieben ist. Als der Papa in Adelboden fuhr, wälzte sich Noel von Grünigen neben der Piste im Schnee. Fünf, vielleicht sechs Jahre alt war er da. Natürlich wusste er nicht, was der Vater genau tat, und erst recht nicht, wie gut er darin war. 23 Riesenslaloms gewann Michael von Grünigen, 1997 und 2001 wurde er Weltmeister. Nun macht er wieder das, was er schon früher getan hat: Er betreut den Junior.

Noel von Grünigen ist 29, von Beruf Slalomfahrer und noch immer auf der Suche nach dem schnellen Schwung, dem Durchbruch im Weltcup. Dreimal hat er gepunktet, Platz 19 vor bald vier Jahren in Schladming ist sein Bestergebnis. Einige irritiert er mit seinem langen Atem, andere bewundern ihn dafür, dass er den Bettel nicht hingeschmissen hat. Auch im Frühling nicht, als er aus den Kadern von Swiss-Ski fiel. Die Sinnfrage hat sich der Berner Oberländer gestellt, das schon, aber er will es nochmals probieren. Zumindest eine Saison lang.

Michael von Grünigen wird seinen Filius nur Teilzeit betreuen, «ich versuche, Lücken zu füllen und Noel die Unterstützung zu geben, die er braucht». In der Saisonvorbereitung war der einstige Edeltechniker mit dabei; die Reise führte weder nach Neuseeland noch nach Südamerika, sondern – kein Scherz – in den Norden Belgiens. In einer Skihalle in Flandern legten die von Grünigens die Basis für den Winter, mit dabei war auch Noels Bruder Lian (23), der Rennen auf FIS-Stufe bestreitet.

Die Trainings hätten funktioniert, wobei der Coach sagt, ein Aussenstehender sei wohl auch mal kritischer als ein Familienmitglied. Der Sohn entgegnet, sein Vater sei sehr realistisch, «er hat nie versucht, sich in mir zu verwirklichen. Er ist ein ruhiger Coach, laut wird er nie.» Was nicht überrascht – schon während der Karriere verlor der heute 55-Jährige in etwa so selten die Beherrschung wie ein Zen-Meister.

Der billige Trainer

Im Oktober trainierte Noel von Grünigen im finnischen Levi, er schloss sich einem Privatteam an, dem Skandinavier, aber auch Esten und Slowenen angehören – er war nur schon froh, musste er die Läufe nicht selbst stecken. Er flog zurück in die Heimat und bald darauf wieder hoch in den Norden, dieses Mal nach Schweden. Der Unterbruch war nötig, weil sich der Athlet nicht zu lange in der Dunkelheit aufhalten wollte, «das macht etwas mit dem Körper, auch mit der Psyche». Am Wochenende stehen in Levi nun die ersten Europacup-Rennen an.

Switzerland's Noel von Gruenigen competes during the first run of an alpine ski, men's World Cup slalom race, in Kitzbuehel, Austria, Sunday, Jan. 21, 2024. (AP Photo/Marco Trovati)

Mittlerweile darf von Grünigen wieder mit dem Schweizer Europacup-Team trainieren, wobei es noch finanzielle Fragen zu klären gibt. «Natürlich wird es eine teure Saison», sagt der Schönrieder, der von einigen Sponsoren wegen des verlorenen Kaderstatus etwas tiefere Beträge erhält. «Ich werde sicher rückwärts machen und aufs Ersparte zurückgreifen müssen, aber ein Jahr geht das so in Ordnung.» Auch die Ski präpariert er selber, er hat sich dafür gar eine Kantenschleifmaschine gekauft. Schmunzelnd fügt er an, zumindest der Trainer sei billig – grosser Name hin oder her.

Der grosse Name als Bürde

Beim Schreiben der Trainingspläne berät Michael von Grünigen den Sohn; er kontrolliert die Belastungssteuerung, hilft beim Organisieren von Übungspisten, gibt technische Ratschläge. Und, und, und. Wann nötig, wird er in den nächsten Wochen am Berg stehen, die Läufe filmen und analysieren. Es ist ein intensiver Nebenjob zu seiner Arbeit bei Gstaad Saanenland Tourismus, diversen Botschafterfunktionen und seinem Engagement im Nachwuchsbereich für Skifabrikant Fischer.

Von Grünigen junior hielt einst fest, mit jeder Hürde, die er aus dem Weg habe räumen müssen, sei ihm bewusster geworden, welch gewaltige Karriere der Vater hingelegt habe. Dieser wiederum sagt, Noel sei mit der Bürde des erfolgreichen Papas aufgewachsen. «Fuhr er als Bub ein schlechtes Rennen, diskutierten die Leute noch zwei Wochen später darüber. Beim Hansli Muster war es nach ein paar Minuten kein Thema mehr.»

Michael von Gruenigen bei den Weltcup-Rennen im Val d'Isere in Aktion beim Riesenslalom, aufgenommen am 14. Dezember 1997. Von Gruenigen gewinnt das Rennen. (KEYSTONE/Fabrice Coffrini)

Als Noel 16 war und für eine Arbeit am Gymnasium Ski testete, da liess er seinen prominenten Vater auf der Piste erstmals stehen. Nicht im Riesenslalom, da konnte die Hierarchie noch gewahrt werden, aber zumindest im Slalom. Emanzipieren wollte er sich nie vom Papa, dessen Kürzel MvG zur Marke wurde. Noel meldeten die Trainer früher als NvG zu den Rennen an.

Um es wieder ins Swiss-Ski-Kader zu schaffen, müsste von Grünigen die Slalomsaison unter den Top 30 beenden. Frühestens vor Weihnachten in Alta Badia ist mit einem Einsatz auf höchster Stufe zu rechnen, wobei er dafür zuvor im Europacup glänzen müsste – zumal Swiss-Ski nur noch über sieben Weltcup-Startplätze verfügt.

Druck mache er sich dennoch so gut wie keinen mehr, sagt der Schweizer Meister von 2020, ihm sei bewusst, dass er mit 29 eigentlich zu alt sei, um immer noch im Europacup zu fahren. Michael von Grünigen seinerseits hält einen Exploit nach wie vor für möglich. «Und wenn es doch nicht klappt, dann wird Noel im Frühling über die Bücher gehen.»