Alexei Nawalnys Frau Julia«Ein zweites Mal kann man dich vielleicht nicht retten»
Ihr Mann wird überwacht und bedroht. Doch Julia Nawalnaja will nicht, dass er mit seinem politischen Kampf aufhört. Deshalb stellte sie nach dem Giftanschlag eine Bedingung.
Spätestens seit seiner Vergiftung mit dem Nervengift Nowitschok ist der russische Oppositionsführer Alexei Nawalny in der ganzen Welt bekannt. Weit weniger weiss man über die hochgewachsene, blonde Frau, die immer an seiner Seite steht: Julia Nawalnaja. Sie hat dafür gesorgt, dass er nach seiner Erkrankung aus dem russischen Omsk nach Berlin zur Behandlung geflogen wurde, dafür hat sie Präsident Wladimir Putin persönlich einen Brief geschrieben. Und sie stand auch neben ihrem Mann, als er am Sonntagabend bei der Rückkehr nach Russland verhaftet wurde.
Meist schweigt sie. Auch nach der Verhaftung ihres Mannes vor laufenden Kameras wollte die 44-Jährige zunächst nichts sagen. Schliesslich rief sie die Anhänger ihres Mannes auf, keine Angst zu haben, und bedankte sich für deren Unterstützung. Dann stieg sie ins wartende Taxi.
Julia Nawalnaja hat sich gerade durch ihre nach aussen hin stoische Art Respekt verschafft. Und wie jedes Mal, wenn es so aussieht, dass Nawalny für längere Zeit aus dem politischen Leben Russlands verschwindet, wird der Ruf laut, dass Julia die Rolle ihres Mannes als Oppositionsführerin übernehmen soll. So wie Swetlana Tichanowskaja in Weissrussland, die anstelle ihres Mannes für das Präsidentenamt kandidiert hat und zum Symbol der Revolte im Nachbarland geworden ist.
Bisher hat Nawalnys Mitstreiterin Ljubow Sobol das für sich beansprucht, allerdings ohne grossen Erfolg. Dennoch hat der Oppositionsführer die Idee, sich von seiner Frau «vertreten» zu lassen, immer strikt zurückgewiesen: Wählerstimmen liessen sich nicht einfach umleiten. Sie hat dazu nichts gesagt – wie fast immer.
Für die Familie zuständig
Nach der Schule habe sie am Plechanow-Institut in Moskau internationale Wirtschaftsbeziehungen studiert und anschliessend in einer Bank gearbeitet, sagt Julia Nawalnaja. Als sie während eines Ferienaufenthalts in der Türkei Alexei kennen lernte, gab sie den Job bald auf und kümmerte sich um die neue Familie: 2001 kam die Tochter Darja zur Welt, die heute in den USA studiert. Sieben Jahre später wurde der Sohn Sachar geboren. Wenn Julia über die Kinder spricht, etwa über das Studium der Tochter an der renommierten Stanford University, weiss sie genau, was sie will. Und sie widerspricht auch offen ihrem Mann, wenn es sein muss.
Sie habe gewusst, dass sie ihren Mann aus dem Spital in Omsk rausbringen müsse, weil er sonst sterbe.
Ein politisches Profil hat sie dagegen bisher nicht. Von Anfang an spielte sie konsequent die Frau an seiner Seite, ganz nach dem russischen Modell, gemäss dem die Frau im Hintergrund für Kinder und Familie sorgt und dem Ehemann damit den Rücken freihält. Sie teile die politischen Ansichten ihres Mannes, sagt sie in einem der seltenen Interviews mit dem russischen Blogger Juri Dud. Die Korruption in Russland störe sie.
Und es gefalle ihr nicht, was sie im Omsker Spital erlebt habe, in das ihr vergifteter Mann eingeliefert worden sei: Der leitende Arzt müsse Mitglied der Kremlpartei Vereintes Russland sein, erzählte sie Dud. Er habe am ganzen Leib gezittert, weil er nicht gewusst habe, was er ihr sagen soll. «Er sorgt sich nicht um die Patienten, sondern nur darum, was ihm sein Vorgesetzter sagt.» Nach diesem Treffen habe sie gewusst, dass sie ihren Mann rausbringen müsse aus diesem Spital, weil er sonst sterbe. «Meine Frau hat mir das Leben gerettet», sagte Nawalny später. Und sie habe ihm in Berlin zurück ins Leben geholfen, habe ihm Geschichten erzählt und Lieder vorgesungen.
Dass sie mit ihrem Mann trotz der drohenden Verhaftung nach Moskau zurückkehrt, war für sie nie eine Frage. Das Einzige, was sie von ihm verlangt habe, sei, dass er sich zuerst richtig erhole. «Du weisst nicht, was dich in Russland erwartet», habe sie ihm gesagt. «Und wenn du nicht völlig wiederhergestellt bist, kann man dich ein zweites Mal vielleicht nicht retten.»
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Ihre Freundinnen fragten sie manchmal, wie sie mit einem Mann leben könne, der dauernd im Gefängnis sitze, überwacht und bedroht werde. «Egal, ich kann es», sagte sie ihnen. Man könne einen Mann nicht im Stich lassen, der so sehr versuche, die Welt, das Land besser zu machen. «Das tönt jetzt vielleicht kitschig. Aber es ist so.»
Sie würde deshalb niemals von Alexei Nawalny verlangen, dass er sein politisches Engagement aufgibt, im Gegenteil. «Mir gefällt, was er macht. Ich unterstütze ihn», sagt sie. Das seien keine leeren Worte. «Ich will, dass er weitermacht.» Am Tag nach seiner jüngsten Verhaftung in Moskau schrieb sie auf Instagram: «Es gibt nichts, was wir nicht schaffen. Es wird alles gut!»
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