Sie verdankt ihre Politkarriere einer Flüchtlingsfamilie
Therese Schläpfer rückt für die SVP in den Nationalrat nach. Ohne eine «Blick»-Schlagzeile wäre das nicht möglich gewesen.

«Wegen einer Familie müssen wir die Steuern erhöhen.» Mit diesem Zitat-Titel überschrieb der «Blick» im Herbst 2014 einen grossen Artikel über das kleine Dorf Hagenbuch am östlichen Rand des Kantons Zürich. Zwar hatten zuvor bereits andere Medien wie die «NZZ am Sonntag» oder der «Tages-Anzeiger» über den Fall einer eritreischen Mutter mit sieben Kindern berichtet, die hohe Sozialkosten verursachten. Doch der Name der Gemeinde wurde zunächst nicht genannt.
Sie habe die Öffentlichkeit nicht gesucht, sagt fast fünf Jahre später Gemeindepräsidentin Therese Schläpfer. Der «Blick» habe sie damals vor die Wahl gestellt: Entweder würden sie und Hagenbuch mit oder ohne ihre Zusammenarbeit geoutet. Schläpfer entschied sich für erstere Variante, gab der Zeitung Auskunft zum Fall, liess sich fotografieren. Die SVP-Lokalpolitikerin wurde so über Nacht schweizweit zu einem Thema.

Jetzt hat sich das für Schläpfer politisch ausbezahlt. Am letzten Sonntag wurde sie in den Zürcher Kantonsrat gewählt. Seit Dienstag ist klar, dass sie bald Nationalrätin sein wird. Weil auf Anfang Juni Jürg Stahl und Natalie Rickli ihr Mandat aufgeben, rückt Schläpfer nach. «Natürlich hat mir der Fall der eritreischen Familie politisch geholfen», sagt die 59-Jährige. Ob sie neben dem Nationalratsmandat auch das im Kantonsrat annehmen will, weiss Schläpfer noch nicht.
Erst wegen dieses Falls ist die Zürcher SVP auf Schläpfer aufmerksam geworden. «Ich wurde angefragt, ob ich mich als Kandidatin aufstellen lassen will», erzählt Schläpfer. Für die Kantonsratswahl reichte damals die Zeit nicht mehr. Die SVP-Liste stand bereits, erste Plakate waren gedruckt. Doch bei den nationalen Wahlen durfte Schläpfer für die Partei antreten. Auf dem 22. von 35 Listenplätzen. Im Normalfall ein Platz für Chancenlose. Doch Schläpfer machte bei der Wahl im Herbst 2015 einen grossen Sprung nach vorn auf Platz 14.
Vor allem der Kanton zahlte
Dabei war damals eigentlich schon längst klar, dass beim Fall der eritreischen Familie übertrieben worden war. Es stimmte zwar, dass die Familie der öffentlichen Hand sehr hohe Kosten verursachte. Weil die Mutter überfordert war, wurde von der Kinder- und Erwachsenenschutzbehöre (Kesb) eine professionelle Familienbegleitung verfügt. Mehrere Kinder wurden zudem in Heimen platziert. Doch von den geschätzten Kosten von damals 60'000 Franken pro Monat musste Hagenbuch weniger als die Hälfte selber tragen. Der Löwenanteil entfiel auf den Kanton.
Als Ende 2014 an der Gemeindeversammlung über die Steuererhöhung abgestimmt werden sollte, sagte der Gemeindeschreiber dem «Tages-Anzeiger»: «Wir müssten die Steuern auch ohne diese Familie erhöhen.» Drei Jahre zuvor hatte Hagenbuch den Steuerfuss um 10 Prozent gesenkt. Es sei damals schon klar gewesen, dass diese Senkung nicht dauerhaft sein werde.
Familie ist weggezogen
Schläpfer, Mutter von drei erwachsenen Kindern und verheiratet mit einem Unternehmer, sagt heute: «Ich würde wieder so handeln. Die Bevölkerung hatte ein Recht darauf, von diesem Fall zu erfahren.» Sie habe einen Fehler im Sozialsystem gesehen, den sie nicht einfach habe stehen lassen wollen.
Politisch ist Schläpfer seither den Themen Kesb und Sozialhilfe treu geblieben. Sie engagiert sich für die Initiative zur Machteinschränkung der Kesb und ist in einer SVP-Arbeitsgruppe, welche die Sozialhilfe bei neuen Fällen deutlich kürzen will. Bei den Nationalratswahlen im Herbst wird sie als Bisherige voraussichtlich auf Listenplatz 12 antreten. Ihr Mandat zu verteidigen, werde hart, sagt Schläpfer. Die SVP ist im Formtief, es drohen Sitzverluste. Die eritreische Familie wird ihr bei der Wiederwahl nicht mehr helfen. Sie ist Ende 2016 aus Hagenbuch weggezogen. Der Steuerfuss ist seither nicht gesenkt worden.
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