Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Emanzipation in Russland
Sie sollen vor allem Kinder gebären

Wer hätte das gedacht: Frauen sind in der Lage, eine U-Bahn zu lenken! Das jedenfalls anerkennt man seit dem 1.1.2021 nun auch in Russland. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Normalerweise sind es drei galoppierende Pferde, die die Fahrgäste in Moskau an ihr Ziel bringen. Die Rösser zieren die blaue Plastik-Fahrkarte für Bus und U-Bahn, die Moskauer Troika-Karte. Seit Sonntag aber hat sie ein neues Design, zeigt nun Barbiepuppen statt Pferde, auf rosafarbenem Hintergrund anstatt auf blauem. Barbie als Ärztin, Barbie als Bauarbeiterin, als Köchin und eben als Metro-Zugführerin.

Die Moskauer Metro feiert damit eine kleine Revolution, denn U-Bahn-Fahrerinnen gibt es in Russland erst seit Anfang dieses Jahres wieder. Bisher durften Frauen keine Fahrgäste durch Moskaus Untergrund kutschieren. Doch nun verbreitet das staatliche Verkehrsunternehmen stolz Bilder seiner zwölf «Maschinistinnen» in blauer Uniform – Maschinist heisst in Russland der Lokführer.

Die Kindertagesstätten der Sowjetzeit waren nur vordergründig modern

Der Beruf war einer von insgesamt 456, die russischen Frauen bislang verboten waren. Die Regierung hat die Liste nun auf einhundert Tätigkeiten heruntergekürzt. Frauen dürfen neuerdings zwar Lastwagen, Traktoren und Schiffe steuern, Autos reparieren und Fallschirm springen. Doch Feuerwehrfrauen und Luftfahrtmechanikerinnen, Berufstaucherinnen und Schweisserinnen wird es in Russland weiterhin nicht geben, in bestimmten Jobs an Hochöfen, in Kohleminen und in der chemischen Industrie dürfen Frauen auch in Zukunft nicht arbeiten. Denn die Regierung glaubt, dass diese Berufe Frauen schaden – oder besser gesagt ihrer Fähigkeit, Kinder zu bekommen.

Die wichtigste Aufgabe der Frau, so die Botschaft, ist der Nachwuchs

Die Berufsverbotsliste stammt aus den Siebzigerjahren. Der Kreml sorgt sich aber heute genauso wie damals um die Geburtenrate, in letzter Zeit ist die russische Bevölkerung geschrumpft. Präsident Wladimir Putin propagiert bei jeder Gelegenheit ein konservatives Familienleben, hat dessen Schutz kürzlich sogar in die Verfassung geschrieben. Die wichtigste Aufgabe der Frau, so die Botschaft, ist der Nachwuchs.

Zu Hause bleiben soll sie deswegen zwar nicht. Bereits zu Sowjetzeiten mussten Frauen mehr noch als in den westlichen Staaten mit anpacken. Der sowjetische Staat förderte ein Gefühl von Gleichberechtigung, bereits seit 1917 durften Frauen wählen, 1963 flog eine Kosmonautin der Sowjetunion als erste Frau ins All. Die erste Amerikanerin brach dorthin erst zwanzig Jahre später auf.

Frauen sollten gebären, aber gefälligst auch arbeiten: Deshalb gab es in der Sowjetunion bereits in den Achtzigerjahren Kindertagesstätten, wo der Nachwuchs den Mittagsschlaf halten konnte, während die Eltern für den Kommunismus schufteten. 


Sowjetische Frauen arbeiteten, auch weil es sich die meisten Familien gar nicht anders leisten konnten. Kinder blieben dennoch ihre Pflicht, um sie kümmerten sich die Frauen zusätzlich. Deswegen brauchten sie Jobs, die sich mit ihrer Mutterrolle vereinbaren liessen. So entstand dieser scheinbar widersprüchliche Mix aus Diskriminierung und Emanzipation, und eben die Berufsverbotsliste.

Bevor das russische Arbeitsministerium diese Liste nun verkürzt hat, gab es eine Reihe von Klagen und Gerichtsverfahren. Sogar das zuständige Komitee der Vereinten Nationen forderten die russische Regierung vor einigen Jahren dazu auf, ihre Liste der verbotenen Berufe zu überdenken.

Die Metrofahrerin-Barbie trägt High Heels

Der Job als Metrofahrerin stand dort übrigens erst seit den Achtzigerjahren. Vorher hatte es Zugführerinnen gegeben, und wer als Frau bereits hinter dem Steuer arbeitete, durfte auch nach dem Verbot bis zur Rente bleiben. Die letzte Moskauer U-Bahn-Zugführerin wurde 2014 verabschiedet, die Zeitung Moskowskij Komsomolez schrieb über sie als «Lady Metro».

Zum Berufsstart ihrer Nachfolgerinnen hat die Moskauer Metro nun nicht nur die Fahrkarten neu bedruckt. Sie hat sogar Barbiepuppen in dunkelblauer Uniform und High Heels entwerfen lassen.

Die Auflage ist klein, es gibt nur hundert Exemplare. «Du kannst sein, was du willst», steht auf der Verpackung der Metro-Barbies. Ausser Feuerwehrfrau. Oder Taucherin oder Schweisserin ...