Eishockey-Spielerin Alina MüllerSie ist Schweizerin – und die Nummer 1 in Amerika
Die junge Zürcherin spielt an einer US-Hochschule Eishockey und studiert Biopsychologie. Sportlich sorgt sie für einen Superlativ nach dem nächsten.
Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, als Alina Müllers Welt kurz zusammenbrach – zumindest jene als Sportlerin. Es war für die in Boston für die Northeastern-Universität stürmende Winterthurerin alles angerichtet für Tage voller Freude, mit sich folgenden Höhepunkten. Der gewonnene Final ihrer regionalen Division, ihr 22. Geburtstag, die Eltern im Land für einen längeren Roadtrip und bald zu Besuch – und vor allem das: Das traditionelle Turnier der acht besten US-Universitätsteams um den nationalen Titel der NCAA stand an, diesmal ausgerechnet in Boston. Doch dann überstürzten sich weltweit die Ereignisse, das Coronavirus war da, auch Müllers Saison wurde abgesagt.
Vom Hoch in die totale Enttäuschung, Müller mochte damals gar nicht darüber reden, heute sagt sie: «Diese Situation war für mich neu. Du arbeitest ein Jahr nur für diesen einen Moment, dieses eine Turnier, und dann das … Man hatte damals ja noch keine Ahnung, wie sehr Corona alles beeinflussen würde.» Die Müllers trafen sich kurz danach in Newark, wo Alinas Bruder Mirco damals wohnte und in der NHL für die New Jersey Devils spielte. Das gab Alina Trost, sie reiste später gemeinsam mit Vater und Mutter zurück in die Schweiz.
Sechs Spiele hintereinander ohne Gegentor
Ein Jahr ist nun vergangen seit dem Moment, der die ganze Welt auf den Kopf gestellt hat. Und Alina Müller kann nun feststellen, wie ihr trotz allem auch viel Gutes und Erfreuliches widerfahren ist in den letzten Monaten. Erneut haben ihre Huskies ihre Division «Hockey East» gewonnen, sie taten es souveräner als je zuvor. Als Nummer 1 der Regular Season überstanden sie alle drei Best-of-1-Runden des Playoffs schadlos, verloren insgesamt nur das zweite von bislang 22 Spielen – einmal liessen sie sechs Spiele hintereinander keinen Gegentreffer zu. Erneut sind sie damit für das finale Turnier um den nationalen Titel qualifiziert.
Am Montag geht es los in Erie, Pennsylvania. Schon am Freitag, an ihrem 23. Geburtstag, wird Müllers Team die acht Stunden und knapp 900 Kilometer lange Busfahrt hinter sich bringen. Dies, weil es keine Charterflüge gibt und die Schule eine Reise mit einem Linienflug als zu grosses Risiko einstufte. Die Regeln sind seit Playoffbeginn strikt, es gibt keine Spielverschiebungen mehr, wer einen Corona-Fall im Team hat, scheidet aus.
Die «Corona-Saison» wird auch Müller als die bislang ungewöhnlichste in Erinnerung bleiben. Im Oktober reiste sie zurück in die USA, doch sowohl Semesterbeginn als auch die Eishockeysaison wurden verschoben. Der Puck wurde erst Mitte Dezember eingeworfen, es folgten landesweit sofort Spielverschiebungen wegen Corona-Fällen. Jede Universität hatte ihre eigenen Regeln, an der Northeastern durfte nur mit Masken trainiert werden, es gab vereinzelt aber Auswärtsspiele, bei denen diese während der ganzen Partie nicht abgezogen werden durften.
Müller verbrachte die meiste Zeit auf dem Campus in ihrem Appartement, das sie mit drei Teamkolleginnen teilt und wo alle Studierenden jeden dritten Tag per Nasenabstrich getestet wurden. Wegen der strikten Regeln durften die Spielerinnen ab Playoffbeginn das Universitätsgelände nicht mehr verlassen.
«Es war immer etwas los. Ich weiss nicht, wie ich damit klargekommen wäre, wenn nichts zu tun oder erlaubt gewesen wäre.»
Müller nahm diese Restriktionen aber gern in Kauf: «Wir konnten trainieren und spielen, der Unterricht fand statt, es war immer etwas los.» Langeweile wäre das Schlimmste gewesen, sagt Müller: «Ich weiss nicht, wie ich damit klargekommen wäre, wenn nichts zu tun oder erlaubt gewesen wäre. Für viele junge Leute in meinem Alter in der Schweiz war diese Zeit wohl schlimmer.»
Auf dem Eis setzte Müller auch individuelle Ausrufezeichen. Ihre noch junge Karriere liess sich schon vor dieser Saison fast nur mit Superlativen umschreiben, doch nun scheint sie einen Gang höher geschaltet zu haben. Auch wenn sie dies sofort relativiert, da in Zeiten von Corona landesweit nicht alle Teams genau gleich viele Spiele absolvierten: Müller ist Topskorerin der ganzen NCAA, das hat vor ihr noch keine Schweizerin geschafft. 2017 verpasste dies Lara Stalder in ihrem vierten Jahr an der Universität von Minnesota-Duluth nur knapp, die heute 26-jährige Luzernerin dominiert mittlerweile in Brynäs die schwedische Frauenmeisterschaft.
Müller steht in Boston erst im dritten Jahr ihres Biopsychologie-Studiums, es würde die wenigsten überraschen, wenn sie nächste Saison noch besser aufspielen würde. Und da wegen Corona und all seiner Auswirkungen auf den Unterricht das Studium um ein Jahr verlängert werden darf, wird Müller 2022/23 gar eine normalerweise nicht erlaubte fünfte Saison spielen.
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Folgen weitere Kapitel?
Doch vorerst steht das Turnier in Erie im Vordergrund, und Müller kann weitere historische Kapitel schreiben. Als Einzelspielerin, da sie zu den zehn Nominierten in der Wahl der besten Spielerin des Landes gehört. Und als Teil der Mannschaft, da die Northeastern-Universität noch nie ein Spiel an einem Finalturnier gewinnen konnte. Doch Müller will nun mehr als bloss den Sieg im Viertelfinal: «Wir wollen den nationalen Titel.» Gelänge dieser, hätte er ebenfalls sporthistorische Bedeutung in der Schweiz. Mit der Schaffhauserin Patricia Elsmore-Sautter, die 2002 und 2003 mit Minnesota-Duluth gleich zweimal triumphierte, gelang dies bislang zwar einer Schweizer Torhüterin, aber noch nie einer Feldspielerin.
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