Wahlkampagne in BrasilienSie ist Jair Bolsonaros letzte Hoffnung
Ausgerechnet eine Frau: Brasiliens First Lady Michelle Bolsonaro ist die «Geheimwaffe» im Wahlkampf ihres Mannes.
Vielleicht ist Michelle Bolsonaro die grösste Überraschung im brasilianischen Wahlkampf. Knapp zwei Monate sind es noch, bis Südamerikas grösstes Land Anfang Oktober über einen neuen Präsidenten abstimmt. Echte Chancen haben nur zwei Kandidaten, Luiz Inácio Lula da Silva und Jair Bolsonaro, ein Ex-Präsident gegen das amtierende Staatsoberhaupt. So weit, so wenig überraschend.
Umfragen sagen Lula einen komfortablen Vorsprung voraus, 47 Prozent der Brasilianer wollen für den Kandidaten der linken Arbeiterpartei stimmen, nur knapp 29 dagegen für den ultrarechten Amtsinhaber.
Bolsonaro holt auf
Doch Meinungsforscher können sich irren, und während Lula in den Umfragen stagniert, gewinnt Bolsonaro langsam, aber sicher Stimmen hinzu – und das vor allem bei einer Wählergruppe: den Frauen.
Das ist durchaus überraschend, denn bisher war der rechte Politiker bei den Brasilianerinnen eher unbeliebt. Der ehemalige Hauptmann der Fallschirmjäger ist berühmt für markige Sprüche, anzügliche Witze und abwertende Bemerkungen über das Aussehen von weiblichen Abgeordneten.
Die Geburt seiner Tochter nannte er einen «Moment der Schwäche».
Vier Söhne und eine Tochter hat Bolsonaro. Ihre Geburt nannte er einmal einen «Moment der Schwäche», ein Scherz, über den viele Frauen nicht wirklich lachen konnten. Nun soll ausgerechnet die weibliche Wählerschaft Bolsonaro zum Sieg verhelfen, und vor allem eine Frau spielt dabei eine Schlüsselrolle: Michelle Bolsonaro.
40 Jahre alt ist Brasiliens First Lady, und sie hielt sich bisher eher im Hintergrund. Michelle war die vergangenen Jahre meist nur die stille Frau an Jair Bolsonaros Seite.
Nun aber, mit der zweiten Kandidatur ihres Ehemannes, ist alles anders. Auf einmal steht Brasiliens Präsidentengattin ganz vorne auf der Bühne. Als Jair Bolsonaro Ende Juli bei einer Veranstaltung in Rio offiziell seine Kandidatur für die Präsidentschaft bekannt gab, war sie es, die die Eröffnungsrede hielt und dessen angebliche Errungenschaften für die Brasilianerinnen lobte: «Er ist der Präsident, der die meisten Gesetze zum Schutz der Frauen erlassen hat», rief sie in die Menge.
Als «Ass im Ärmel» und als «Geheimwaffe» wird Michelle Bolsonaro nun immer öfter bezeichnet. Sie selbst gibt sich als treue Gattin und tiefgläubige evangelikale Christin. Ihr Mann sei ein Werkzeug Gottes, sagt sie, und auf ihren Social-Media-Profilen postet die 40-Jährige Videos von abendlichen Gebeten im Präsidentenbüro.
Heirat nach fünf Monaten
Michelle Bolsonaro kommt aus einfachen Verhältnissen. Aufgewachsen ist sie in Ceilândia, einem tristen Vorort von Brasília: Hier wohnen die Putzkräfte und die Kellner, die in der Hauptstadt die reichen Politiker und Unternehmensbosse bedienen.
Michelle Bolsonaros Vater war ein Busfahrer, sie selbst arbeitete als PR-Agentin und Verkäuferin. Dann, mit Anfang 20, bekam sie einen Job als Sekretärin im Parlament. Dort lernte sie 2007 den Abgeordneten Jair Bolsonaro kennen, sie war 25 und schon Mutter einer Tochter, er 52 und schon zweimal verheiratet. «Es ging dann alles ganz schnell», sagte sie 2018 in einem TV-Interview: «Wir haben uns kennen gelernt, verliebt und nach fünf Monaten geheiratet.»
Immer wieder war Michelle Bolsonaro auch in Skandale verwickelt, wegen schwarzer Kassen und privater Reisen auf Staatskosten. Ihrem Image hat all dies aber nicht geschadet, und genau davon soll ihr Mann nun profitieren: Frauenpower statt Machogehabe als Schlüssel zum Sieg.
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