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Streit bei den US-Demokraten
Sie hält Bidens Schicksal in den Händen

Früher galt sie als progressiv. Jetzt nicht mehr: Senatorin Kyrsten Sinema.
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Vielleicht sind es die friesischen Wurzeln, die Kyrsten Sinema eine gewisse Sturheit verliehen haben. Wenn man wie ihr Urururgrossvater an der holländischen Nordseeküste gross geworden ist, wenn man es mit Sturmfluten zu tun hatte, dann lernt man, nicht aufzugeben. Und man lässt sich keine Angst machen.

In den vergangenen Tagen wurde Sinema nun schon zweimal von US-Präsident Joe Biden zu einem ernsten Gespräch ins Oval Office gebeten – und zweimal hat sie dieses verlassen, ohne dem Präsidenten gegeben zu haben, was er wollte.

Biden braucht jede Stimme

Konkret will Biden von Sinema eine Zahl, die zwischen 0 und 3500 Milliarden liegt. Dann wüsste er, welche Summe an neuen Sozialausgaben die demokratische Senatorin aus Arizona mitzutragen bereit ist. Derzeit klebt auf Bidens sogenanntem «Build Back Better»-Plan, einem Paket mit allerlei Sozialprogrammen für die Mittelschicht, ein Preisschild von 3500 Milliarden Dollar. Das ist Sinema zu viel, deswegen blockiert sie im Senat die Verabschiedung des Plans, der in Washington unter dem Kürzel BBB bekannt ist. Weil Biden in der Kammer jede einzelne demokratische Stimme braucht, hat sie die Macht dazu.

Was Kyrsten Sinema bisher nicht verraten hat, ist, bis zu welcher Gesamtsumme sie Ja sagen würde. Erst wenn das bekannt ist, kann das Weisse Haus den BBB so umstrukturieren, dass der Preis sinkt. Gemessen daran, dass der BBB der wohl wichtigste Bestandteil von Bidens innenpolitischer Agenda ist, entscheidend für die künftigen Wahlaussichten der Demokraten und für das politische Erbe des Präsidenten, kann man sagen: Kyrsten Sinema hält Joe Bidens Schicksal in den Händen.

Eigentlich hatte der linke Flügel der Demokraten Sinema für eine Verbündete gehalten. Die grenzenlose Wut, die der Senatorin derzeit aus dem linken Lager entgegenschlägt – ein Abgeordneter nannte sie «verrückt» –, lässt sich daher wohl auch mit enttäuschter Hoffnung erklären.

Erste offen Bisexuelle im Kongress

Diese Enttäuschung hat gute Gründe: Kyrsten Lea Sinema, 45, ist noch nicht sehr lange Senatorin. Sie hat ihr Amt Anfang 2019 angetreten. Davor war sie Parlamentarierin in Arizona, dann Abgeordnete im Repräsentantenhaus in Washington. Bevor sie 2004 den Demokraten beitrat, gehörte Sinema in Arizona den Grünen an, sie war die erste offen bisexuelle Frau, die in den US-Kongress gewählt wurde.

Warum sie sich dem eigenen Präsidenten widersetzt – dazu sagt Sinema nichts.

Bei ihrer Vereidigung als Senatorin trug sie platinblonde Locken, ein enges, schulterfreies Top und sehr roten Lippenstift. Sie sah aus, als wolle sie dem gesellschaftlichen Fortschritt kräftig Beine machen, anstatt sich ihm – so jedenfalls sehen es die linken Demokraten – in den Weg zu stellen.

Aber es kam anders. In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat sich Kyrsten Sinema als eine der konservativsten Demokratinnen im Senat entpuppt, so konservativ, dass linke Aktivisten erwägen, bei der nächsten parteiinternen Vorwahl einen liberaleren Kandidaten gegen sie ins Feld zu schicken.

Sinema scheint ihr neues Image als Lieblingsfeindin der Progressiven und die Aussicht auf einen Gegenkandidaten nicht zu stören. Sie schweigt. Was sie an Bidens Sozialplan stört, was sie stattdessen will, warum sie sich dem eigenen Präsidenten so hartnäckig widersetzt – zu all diesen Fragen äussert sie sich nicht. Aber Wortkargheit ist ja auch ein friesischer Charakterzug.