Kommentar zum LehrermangelSie haben tatenlos zugeschaut
Schweizweit fehlen Tausende Lehrerinnen. Die Behörden haben das Problem sträflich vernachlässigt. Statt unqualifizierter Quereinsteiger braucht es bessere Arbeitsbedingungen.
Schwierige Zeiten in den Klassenzimmern. Zuerst die Pandemie: Fernunterricht, Maskenpflicht, Elternkonflikte. Dann der Ukraine-Krieg: Flüchtlingskinder, Extraklassen, Sprachprobleme.
Viele Lehrerinnen und Lehrer arbeiten seit mehr als zwei Jahren am Limit. Und jetzt laufen die Schulen bereits in den nächsten Hammer. Für das neue Schuljahr fehlen in fast allen Kantonen Hunderte Lehrkräfte. Die Schulleiter behelfen sich vielerorts mit fragwürdig qualifizierten Quereinsteigern oder fachfremden Klassenassistenzen – falls es ihnen überhaupt gelingt, die freien Stellen zu besetzen.
Diese Notlösungen machen den Job für gut ausgebildete Fachkräfte noch unattraktiver. Wer will schon in einem anspruchsvollen Umfeld mit massenweise unerfahrenen und überforderten Kollegen zusammenarbeiten?
Entlasten und aufwerten heisst die Lösung. Nur so wird es gelingen, den einst hoch angesehenen Beruf wieder begehrter zu machen.
Dabei ist das Problem seit Jahren bekannt. Die Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation kommt ja nicht überraschend, und auch die Schülerzahlen steigen in der Schweiz nicht erst seit gestern an. Umso fahrlässiger, dass die Behörden der Situation tatenlos zugeschaut haben.
Die personellen Feuerwehrübungen tragen nicht dazu bei, das strukturelle Problem nachhaltig zu lösen: Den Schulen gelingt es nicht, ausreichend qualifizierte Lehrkräfte zu rekrutieren – und vor allem zu halten. Viele verlassen den Beruf frühzeitig, manche brennen aus, andere wechseln in die Privatwirtschaft.
Das liegt auch an den Arbeitsbedingungen. Die Lehrerinnen haben immer mehr Aufgaben, die Integration ehemaliger Sonder- und Kleinklassenschüler etwa oder die intensivere Elternarbeit, sie werden aber für den Mehraufwand unzureichend entlastet. Zudem sind die Löhne vergleichsweise bescheiden – mit ein Grund, weshalb dem Beruf die Männer fehlen.
In diesen Bereichen müsste die Politik in den Kantonen ansetzen. Entlasten und aufwerten heisst die Lösung. Solche Massnahmen kosten zwar. Aber nur so wird es gelingen, den einst hoch angesehenen Beruf wieder begehrter zu machen. Und nur so lässt sich der Kontrast auflösen zwischen dem gesellschaftlichen Leistungsanspruch an die Schulen und den realen Gegebenheiten in den Klassenzimmern.
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