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Senegal hat gewählt
Aus dem Gefängnis in den Präsidentenpalast

TOPSHOT - Supporters of opposition presidential candidate Bassirou Diomaye Faye and opposition leader Ousmane Sonko celebrate at Diomaye's coalition headquarters as the votes are being counted, in Liberte 4, Dakar, on March 24, 2024 during the Senegalese presidential elections. Vote counting got under way on March 24, 2024 after Senegal's delayed presidential election that followed a political crisis and several years of unrest, with the two favourites both claiming confidence in an outright win. (Photo by MARCO LONGARI / AFP)
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In Senegal zeichnet sich ein historischer Machtwechsel ab. Offizielle Ergebnisse der Präsidentschaftswahl am Sonntag liegen noch nicht vor, doch übereinstimmenden Berichten zufolge erhielt Bassirou Diomaye Faye, der Kandidat der Opposition, die mit Abstand meisten Stimmen. Manche Medien sprechen von 57 bis 58 Prozent, das wäre die absolute Mehrheit bereits im ersten Wahlgang.

Faye, seit diesem Montag 44 Jahre alt, war erst zehn Tage vor der Wahl aus einem Gefängnis in der Hauptstadt Dakar entlassen worden – nach elf Monaten Haft, weil er falsche Informationen verbreitet und einen Beamten beleidigt haben soll.

TOPSHOT - Supporters of opposition presidential candidate Bassirou Diomaye Faye and opposition leader Ousmane Sonko celebrate at Diomaye's coalition headquarters as the votes are being counted in Dakar, on March 24, 2024 during the Senegalese presidential elections. Vote counting got under way on March 24, 2024 after Senegal's delayed presidential election that followed a political crisis and several years of unrest, with the two favourites both claiming confidence in an outright win. (Photo by JOHN WESSELS / AFP)

Mehrere Kontrahenten gratulierten Faye bereits zum Wahlerfolg, unter ihnen Anta Babacar, die einzige Frau im Rennen um die Präsidentschaft. Sie schrieb in der Nacht zu Montag auf X von einem «unangreifbaren Sieg» Fayes, der dem Willen des senegalesischen Volkes entspreche. Auf den Strassen der Hauptstadt Dakar feierten am Sonntagabend Tausende Anhänger der Opposition. Eigentlich sollte die Präsidentschaftswahl bereits vor einem Monat stattfinden. Doch der scheidende Präsident Macky Sall hatte sie im Februar kurzfristig abgesagt, in den Dezember verschoben und erst nach massiven Protesten und einem Einspruch des obersten Gerichts eingelenkt.

Auf Platz zwei landete am Sonntag den Berichten zufolge Amadou Ba, der Kandidat des Regierungsbündnisses und designierte Nachfolger Salls. Der 62-Jährige kam offenbar auf lediglich 31 Prozent der Stimmen. Sein Lager gab sich dennoch zuversichtlich. Im «schlimmsten Fall» drohe ein zweiter Wahlgang, teilte ein Sprecher des Kandidaten mit. Das «Abrutschen Senegals in ein populistisches Abenteuer» sei «noch nicht beschlossene Sache», so der Sprecher weiter. Ba hatte sich im Wahlkampf als Kandidat der Kontinuität und der Vernunft zu präsentieren versucht, der den Kurs von Präsident Sall fortsetzen wolle.

Presidential candidate Amadou Ba addresses supporters in Dakar, Senegal, Friday, March 22, 2024. Senegal's voters head to the polls on Sunday to decide to the outcome of a presidential election following months of uncertainty and unrest that has shaken its reputation as a stable democracy in a region that has seen a wave of coups in recent years. (AP Photo/Sylvain Cherkaoui)

Tatsächlich wäre es eine Zäsur für das westafrikanische Land, sollte Faye sein fünfter Präsident werden. Seit der Unabhängigkeit 1960 ist Senegal in Westafrika nicht nur der stabilste Staat, sondern auch der verlässlichste Verbündete des Westens und insbesondere Frankreichs, der ehemaligen Kolonialmacht. Senegal war das Herz von Französisch-Westafrika, bis heute sind die politischen und kulturellen Verbindungen der politischen Eliten besonders eng. Französische Soldaten sind in Dakar stationiert, drei von vier Präsidenten des Landes hatten französische Ehefrauen, Französisch ist die einzige Amtssprache Senegals – obwohl die Mehrheit der 18 Millionen Menschen im Land die Sprache nicht oder nicht gut beherrscht.

Doch mit dieser besonderen Verbindung könnte es nun vorbei sein. Er stehe für den Bruch mit der bisherigen Politik, hatte Faye im Wahlkampf erklärt – und damit auch den Bruch mit Paris gemeint. Unter anderem sieht sein Programm eine Neuausrichtung der Rohstoffexporte vor, von denen bislang häufig französische Firmen profitieren. Auch den Ausstieg aus der westafrikanischen Gemeinschaftswährung Franc CFA hat Fayes Lager angekündigt. Der Franc CFA wird in Frankreich hergestellt und ist an den Euro gekoppelt. Kritiker sehen die Währung als Relikt der Kolonialzeit – auch wenn die Abkürzung CFA längst nicht mehr für die «französischen Kolonien in Afrika» steht, sondern für «finanzielle Kooperation».

Nach den jüngsten Putschen in Guinea, Burkina Faso, Mali, Niger und Gabun – alle getragen von einer starken antifranzösischen Stimmung in den jeweiligen Bevölkerungen – könnte Senegal unter einem Präsidenten Faye der nächste Staat werden, der sich von Paris abwendet. Nur dass die Abwendung in diesem Fall nicht Folge einer Machtübernahme des Militärs wäre, sondern einer demokratischen Wahl. Die Beziehung zu Frankreich, sagte Faye kürzlich der französischen Zeitung «Le Monde», dürfe nicht weiterhin eine neokoloniale sein, «die uns in Abhängigkeit hält».

epa11237879 Opposition presidential candidate Bassirou Diomaye Faye (C) and firebrand opposition leader Ousmane Sonko (2-R) attend their closing campaign rally in Mbour, Senegal, 22 March 2024. Sonko of the dissolved party PASTEF (African Patriots of Senegal for Work, Ethics and Fraternity), and Faye, who is running for president in his place, were both released from prison late 14 March 2024. More than 7 million Senegalese registered to cast their vote for the presidential elections of 24 March.  EPA/JEROME FAVRE

Sollte Faye tatsächlich bald in den Präsidentenpalast einziehen – womöglich schon Anfang April, wenn die Amtszeit von Macky Sall endet –, dann wäre das auch der Triumph des Ousmane Sonko. Der eigentliche Oppositionsführer stand in den vergangenen Jahren mehrfach vor Gericht und wurde unter anderem wegen Verführung einer Minderjährigen verurteilt. Seine Partei wurde im Sommer 2023 aufgelöst.

Sonko bezeichnete alle Verfahren gegen ihn – und Faye – als politisch motiviert. Wie Faye wurde er Mitte März aus der Haft entlassen und von jubelnden Anhängern empfangen. Doch anders als Faye durfte er nicht bei der Wahl antreten.

Im Wahlkampf war Sonko dennoch omnipräsent. Plakate zeigten sein Gesicht neben dem Fayes, den X-Kanal des Kandidaten könnte man auf den ersten Blick für den Kanal Sonkos halten. Eine Stimme für den eher unbekannten Faye, das war die Botschaft der Kampagne, ist eine Stimme für Sonko, den Star vieler junger Senegalesen, die mit Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Dieser Plan scheint aufgegangen zu sein.