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Konzert von Steve Hackett
Seine Gitarre ist eine Zeitmaschine

Früher bei Genesis war er scheu, inzwischen hat sich Gitarrist Steve Hackett zum Bandleader emanzipiert, bei einem Konzert im Juni in Madrid. 
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Das erste Mal trafen wir uns in Bern, das war in der Festhalle am 29. März 1975. Das Treffen verlief insofern einseitig, als ich im Publikum stand und er auf der Bühne. Damals spielte der Gitarrist Steve Hackett bei Genesis. Und das englische Quintett führte in Bern das Doppelalbum «The Lamb Lies Down on Broadway» auf. Es war mein erstes grosses Konzert und eine überwältigende Erfahrung.

Peter Gabriel war damals Leadsänger der Band; niemand im Publikum wusste, dass er seine Kollegen nach dieser Tour verlassen würde. Gabriel hatte auch die jungianisch inspirierte Geschichte des neuen Albums geschrieben, das die Band auf ihrer Welttournee szenisch aufführte.

Die Hauptfigur, der auf den New Yorker Strassen lebende Puerto Ricaner Rael, war ein Kontinent und eine Klasse von seinem Schöpfer entfernt. Denn Gabriel und zwei weitere Gründungsmitglieder der Band kamen aus der vermögenden englischen Mittelklasse und hatten sich in einer Privatschule kennen gelernt. Nur Schlagzeuger Phil Collins und Leadgitarrist Steve Hackett waren in einfacheren Londoner Verhältnissen aufgewachsen.

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Und jetzt stehen wir uns wieder gegenüber, Steve Hackett und ich. Der Gitarrist und sein Quintett treten im Freien auf, neben der Konzertfabrik Z7 in der Industriezone von Pratteln. Hackett hatte als zweiter Musiker nach Peter Gabriel Genesis 1977 verlassen, um eine Solokarriere zu wagen. Doch weil er sich das Interesse des Publikums bewahren wollte, musste er in den letzten Jahren die Vergangenheit reaktivieren.

Darum spielen die Musiker an diesem Montagabend nicht nur Ausschnitte aus Hacketts Solowerken, sondern auch «Foxtrot» von 1972, das vierte Genesis-Album und für viele Fans das beste.

Warum es den Punk brauchte

Allerdings muss die Wiederbegegnung erkämpft werden. Denn die Stücke aus Hacketts Solistenjahren klingen, um es vorsichtig zu formulieren, konsequent grauenvoll. Die Band spielt Jazzrock vom Schlimmsten, betreibt eine leere, kalte Virtuosität. Das Saxofon trötet, der Synthesizer dudelt, die Rhythmusgruppe zuckt, Hackett soliert. Und wir warten ergeben, dass die da vorn aufhören.

Während die Musiker einander toll finden, wird mir wieder einmal bewusst, warum es damals den Punk brauchte. Diese höhnisch dilettantische, hellwache Musik aus dem abgefuckten London, dazu zerrissene Kleider, farbige Haare, Humor und Amphetamin. Für die Punker klangen Gruppen wie Emerson, Lake & Palmer, Yes und all die Jazzrockbands wie die Vertonung eines Ancien Régime, Musik von Wichtigtuern mit ihrem Pathos und ihrem klassizistischen Kitsch. Ich tröste mich mit der Gewissheit, dass ich den Sound von Steve Hackett und seinen Leuten schon damals nicht hätte ausstehen können. 

Mit der Vergangenheit versöhnt

Irgendwann ist die Qual vorbei, und die Band spielt nach kurzer Pause das Album, für das die Leute nach Pratteln gekommen sind. Obwohl man Stücken wie «Watcher of the Skies» ihr Alter anhört, überzeugen andere wie «Get ’Em Out by Friday» durch das muskulöse Spiel der Musiker. Und Steve Hacketts Gitarre wird zur Zeitmaschine. Sie erinnert uns daran, was für eine mitreissende Liveband Genesis damals war.

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Das wird allen klar, als die Band «Supper’s Ready» aufführt, die Suite auf der zweiten Seite des «Foxtrot»-Albums. Und für viele Fans das beste Stück, das Genesis je geschrieben, eingespielt und aufgeführt haben. Hacketts Sänger Nad Sylvan hat nicht die ironischen und schauspielerischen Qualitäten von Peter Gabriel und schon gar nicht sein Charisma. Aber er wird dem Vorbild gesanglich gerecht.

Das Publikum kennt jeden Wechsel des Stücks und alle Soli, die Leute singen den Text, ich singe mit ihnen. Und höre Gabriels Gesang zwischen Wispern und Schrei. Die Instrumentierung zwischen 12-saitiger Gitarre und Orgel. Die Dynamik des Stücks, die atmosphärische Dichte, die jähen Wechsel von Rhythmen und Tonarten. Und realisiere mit wachsender Erleichterung, dass ich mich damals nicht getäuscht hatte; dass die Vergangenheit heute nicht peinlich klingt, nur vergangen. Und dass das gut ist so.