Kirche und Ukraine-KriegSchweizer Universität verhängt Sanktionen gegen russischen Kirchenfürsten
Metropolit Hilarion, ein führender Theologe der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau, darf sich nicht mehr Titularprofessor der Universität Freiburg nennen.
Seit mehr als zehn Jahren war Metropolit Hilarion Titularprofessor der Theologischen Fakultät an der Universität Freiburg. Letzte Woche wurde ihm diese Ehre entzogen – weil er Russlands Krieg in der Ukraine nicht verurteilen wollte.
Der Bann aus Freiburg trifft einen in Russland sehr wichtigen Mann. Metropolit Hilarion – der Titel entspricht in etwa dem eines Erzbischofs – ist der Aussenbeauftragte der russisch-orthodoxen Kirche, der zweite Mann in der russischen Staatskirche hinter dem Kirchenchef, Patriarch Kyrill von Moskau. Der 55-jährige Hilarion ist für Kyrill, was Aussenminister Sergei Lawrow für Russlands Präsident Wladimir Putin ist: internationaler Sprecher, Vertreter nach aussen, wohl auch Vertrauter.
Anfang März hatte der Dekan der Theologischen Fakultät, Mariano Delgado, seinen russischen Kollegen schriftlich aufgefordert, seine kirchlichen und politischen Kontakte in Moskau zu nutzen, um ein Ende des russischen Angriffs auf die Ukraine zu fordern. «Er ist ein Mitglied unserer Fakultät, das vor Ort ist und Einfluss nehmen kann», sagte Delgado. «Wir erwarten von ihm eine unmissverständliche Verurteilung des Krieges.»
Die Kirche als moralische Instanz
Aber die blieb aus. Hilarion antwortete lediglich, dass «er und seine Kirche seit 2014 im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt im humanitären Bereich engagiert seien und ihr Möglichstes täten, um notleidenden Menschen zu helfen und den Konflikt zu beenden», wie Delgado berichtete. Hilarion habe dabei vermutlich vor allem die russischsprachigen Menschen in den Separatistenregionen im Osten der Ukraine gemeint, sagte Delgado im Gespräch mit dieser Zeitung. «Das ist nicht das, was ich von ihm erwarte.»
Die russisch-orthodoxe Kirche ist eng mit dem russischen Präsidenten verbunden. In Putins Vorstellung von einem Grossreich Russland, das auch den gesellschaftlichen Einfluss des Westens zurückdrängt, spielt die orthodoxe Kirche als moralische Instanz eine zentrale Rolle. Das betrifft nicht zuletzt die Ukraine: In Kiew wurde diese Kirche gegründet. Das Höhlenkloster von Kiew zählt zu den heiligsten Orten der russisch-orthodoxen Kirche.
Patriarch Kyrill hat jede Kritik an der russischen Invasion der Ukraine in den letzten Tagen zurückgewiesen. So reagierte er auf einen Brief des Weltkirchenrates in Genf (zu dem auch die russisch-orthodoxe Kirche gehört) mit der Behauptung, dass «Kräfte, die Russland offen als ihren Feind betrachten», für den Konflikt verantwortlich seien. «Dieser tragische Konflikt ist Teil einer gross angelegten geopolitischen Strategie geworden, dessen oberstes Ziel es ist, Russland zu schwächen», schrieb Kyrill am Freitag.
Auch Schweizer Kirchen haben den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt. Der Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz schrieb letzte Woche an Patriarch Kyrill und forderte ihn auf, «sich beim russischen Präsidenten Wladimir Putin dafür einzusetzen, dass dieser die Militäroperation in der Ukraine umgehend einstellt».
Profilierter Theologe – und Komponist
Metropolit Hilarion ist schon seit Jahren mit der Universität Freiburg verbunden, die ein Zentrum für den Austausch mit orthodoxen Kirchen betreibt und regelmässig Studenten aus Russland und der Ukraine betreut. Hilarion, der mit bürgerlichem Namen Grigori Walerjewitsch Alfejew heisst, habilitierte 2005 in Freiburg. Zuvor hatte der profilierte Theologe an der Universität Oxford doktoriert und in verschiedenen Seminaren in Russland und den USA unterrichtet. 2011 wurde er Titularprofessor in Freiburg.
Hilarion ist auch ein begabter Musiker, der Violine und Komposition studierte und zahlreiche geistliche Musikstücke komponiert hat. Seine Matthäuspassion wurde 2010 im Kloster Einsiedeln aufgeführt. In Russland ist er zudem als TV-Seelsorger bekannt.
Theologisch gilt Hilarion als konservativ. «Er hat sich immer durch Kritik der westlichen Kultur, der modernen Welt hervorgetan», sagte der Freiburger Dekan Delgado. Auch seine Position zu Beziehungen zwischen den Kirchen sei nicht unumstritten. Deshalb erfolgte auch die Verleihung der Titularprofessur erst nach einer Kampfabstimmung innerhalb der Fakultät.
Dass nun von einer «Suspendierung» der Titularprofessur die Rede ist, bedeutet allerdings nicht, dass der russische Theologe jemals wieder in Freiburg willkommen sein wird. Ihm die Titularprofessur völlig zu entziehen, sei juristisch kompliziert, erklärte Delgado. Dafür gebe es keinen Präzedenzfall. Aber um sich Titularprofessor nennen zu können, müsse Hilarion regelmässig an der Universität unterrichten. «Die Genehmigung dafür wird er vom Fakultätsrat vermutlich nicht mehr erhalten», sagte der Dekan. Er habe ohnehin nur wenige Tage im Jahr in Freiburg verbracht.
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