Nach Lugano-KonferenzSchweizer Politiker sind beeindruckt – nur einer war leicht genervt
Parlamentsmitglieder haben sich intensiv mit ukrainischen Abgeordneten ausgetauscht. Die meisten waren voller Lob für Cassis’ Konferenz. Nicht so SVP-Chef Marco Chiesa.

Bundespräsident Ignazio Cassis musste für seine Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine heftige Kritik einstecken. Lob bekommt er für die Konferenz nun von Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die sich in Lugano mehrfach mit ukrainischen Abgeordneten trafen und dabei ohne Tabus auch über Themen wie Misswirtschaft und Korruption sprachen.
«Sie sind im Krieg und stehen zeitgleich mitten im Leben», sagt SP-Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider (JU). Davor hat sie grössten Respekt. «Die Schweiz ist für die Ukraine ein grosses Vorbild, entsprechend gross ist das Interesse an unserem Staat», hat die Thurgauer Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (Die Mitte) beobachtet. Man habe über direktdemokratische Rechte, das Bildungs- und Gesundheitssystem, aber auch Korruptionsbekämpfung und dezentralisiertes Regieren gesprochen und danach gleich die Koordinaten für die Weiterführung des Dialogs ausgetauscht, sagt Häberli. Auch das Schicksal der ukrainischen Flüchtlinge in der Schweiz war Thema.

Die Gespräche haben Elisabeth Baume-Schneider vor Augen geführt, «dass die ukrainische Politik gewillt ist, einen modernen Staat aufzubauen, auch wenn dabei riesige Herausforderungen auf sie zukommen und nun zuallererst der Krieg beendet werden muss».
«Natürlich sind die Ukrainer verzweifelt, aber sie wollen eine Zukunftsperspektive, und sie glauben an die Zukunft», bestätigen auch die Nationalräte Balthasar Glättli (Grüne, ZH) und Eric Nussbaumer (SP, BL). Für Glättli ist eines zentral: «Die Ukraine muss sich in einem einzigen, minutiös durchdachten Schritt erneuern, sonst kostet der Wiederaufbau statt der kalkulierten 750 Milliarden Franken gleich das Doppelte.»

Die Lugano-Konferenz hat Eric Nussbaumer überzeugt. Er sagt: «Die Schweizer Aussenpolitik kann für sich nicht beanspruchen, stets über ihre Guten Dienste zu reden. Sie muss ihre Guten Dienste einsetzen, etwas anreissen und probieren und dabei auch Vorleistungen erbringen, die sich erst später als Gewinn herausstellen.» Das sei dem Aussendepartement mit dieser Konferenz gelungen, findet der Baselbieter Sozialdemokrat.

Auch Ständerat und SVP-Präsident Marco Chiesa besuchte die Wiederaufbaukonferenz, machte in seiner Heimat Lugano vor dem Kongresszentrum aber einen leicht genervten und auch gelangweilten Eindruck. Er sei als Mitglied der Aussenpolitischen Kommission hier und auch nur, weil der Präsident verhindert sei, so Chiesa. Die Konferenz komme «zu früh» und sie sei wohl auch «ein wenig naiv», analysierte er. Jedenfalls rede man in Lugano viel, aber tue wenig. Die Gespräche mit den Ukrainerinnen und Ukrainern fand aber auch der Tessiner «sehr interessant», weil sie sähen, «dass ihr Land Reformen braucht».
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