Anschlagsserie in GenfSchweizer Kriegsfotograf soll mit Paketbombe 12-jähriges Mädchen schwer verletzt haben
Die Ermittlungsbehörden verhafteten einen 61-Jährigen, der hinter den Sprengstoffanschlägen in Genf stecken soll. Der Chef der Bundeskriminalpolizei gibt Auskunft über den Stand der Ermittlungen.

- Die Polizei verhaftete einen 61-jährigen Mann wegen Verdachts auf versuchten Mord.
- Der Verdächtige arbeitete früher als Kriegsfotograf in Syrien und der Ukraine.
- Die Ermittlungen führten zur Festnahme – auch dank der Zusammenarbeit mit Europol.
Über 100 Polizisten setzen am Mittwochmorgen dem Schrecken in Genf ein Ende – das ist zumindest die Hoffnung. In einer gross angelegten Operation verhaften Beamte der Bundespolizei und der Genfer Kantonspolizei in einem Quartier beim Flughafen einen 61-jährigen Schweizer. Die Strafverfolgungsbehörden verdächtigen ihn unter anderem des versuchten Mordes und der Sprengstoffdelikte. Während fast eines Jahres soll er mit einer Serie von Paketbombenanschlägen und Erpressungsbriefen die zweitgrösste Stadt der Schweiz in Atem gehalten haben.
Das alles sei nun vorbei, sagt Yanis Callandret, Chef der Bundeskriminalpolizei. Er gibt in den Büros der Zweigstelle der Bundesanwaltschaft Lausanne Auskunft über die Ermittlungen: «Alle Involvierten sind froh, dass keine weitere Gefahr durch den Verdächtigen droht.»

Bei dem Verdächtigen soll es sich um einen Genfer Kriegsfotografen handeln, wie 20 Minuten als Erstes berichtete. Der Mann arbeitete unter anderem in Syrien und in der Ukraine – und gab in verschiedenen Medien über seine Reisen Auskunft. Er hat in Genf auch für die UNO als offizieller Fotograf gearbeitet. Für ihn gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Luxus-Uhrenmarke Patek Philippe im Visier
Ging es nur ums Geld? Gab es weitere Motive? Ist der Mann ein Einzeltäter? Dazu will der Chef der Bundeskriminalpolizei unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nichts sagen. Der Verdächtige hatte unter anderem die Luxus-Uhrenmarke Patek Philippe im Visier. Mindestens in zwei Fällen sollen die Briefbomben in Briefkästen von Mitarbeitern des Uhrenherstellers gelegt worden sein. Die Direktion soll über mehrere Monate hinweg insgesamt drei Erpressungsschreiben erhalten haben, in denen die Täterschaft Millionensummen forderte – und damit drohte, andernfalls Kunden oder Angestellte umzubringen. Auch die Migros, die Waadtländer Kantonspolizei und der Chocolatier Favarger sollen erpresst worden sein.
Begonnen hatte alles im letzten April, als sich in der Genfer Gemeinde Plan-les-Ouates ein Schuss aus einer im 3D-Drucker hergestellten Pistole löst. Der Vorfall bleibt zunächst unbekannt.
Am 20. August explodiert im Genfer Stadtteil Saint-Jean im Entree eines Mehrfamilienhauses ein Abfallsack. Ein 43-jähriger Familienvater erleidet Verletzungen am Bein.
Am 25. November ereignet sich im Genfer Quartier Grange-Canal eine weitere Explosion. Ein 12-jähriges Mädchen, das den Briefkasten in seinem Wohnhaus öffnet, wird am Bauch schwer verletzt. Die Notoperation dauert mehrere Stunden.
Ermittler verfolgten eine falsche Fährte
Im Dezember glauben die Ermittlungsbehörden, eine Fährte zu haben: Sie verhaften kurz vor Weihnachten ein Brüderpaar und setzen die beiden in Untersuchungshaft. Doch am Mittwoch, 22. Februar, wird in einem Briefkasten im Genfer Bankenviertel ein verdächtiges Paket gefunden. An derselben Adresse ist ein Treuhandbüro domiliziert, das für Patek Philippe arbeitet. Die Ermittlungen gegen die Brüder werden eingestellt.
Der Druck auf die Behörden steigt, wie auch Callandret zugibt: «In diesem Fall war die öffentliche Sicherheit bedroht. Der Druck auf die Mitarbeiter der Ermittlungsbehörden war gross. Aufgrund der Ermittlungen und der Äusserung des Verdächtigen in seinen Briefen mussten wir davon ausgehen, dass er weitere Taten plant.»
Dann nehmen die Ermittlungen in den letzten Tagen endlich wieder Fahrt auf. Callandret sagt dazu: «Wir verfolgten Hunderte von Spuren. In den letzten Tagen verdichteten sich die Hinweise auf den Verdächtigen.» In ihrer Ermittlungsarbeit setzt die Bundeskriminalpolizei auch auf die Hilfe von Europol-Experten. Doch es ist die Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei Genf, die die Bundeskriminalpolizei und die Bundesanwaltschaft entscheidend weiterbringen, wie Callandret sagt. Und dafür sorgt, dass Genf hoffentlich wieder ruhig schlafen kann.
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