Schweizer Hotellerie verbucht ein letztes Glanzlicht
Ein Boom bei Schweizer und chinesischen Gästen sorgte für den zweitbesten Januar seit 1992. Nun steht ein dramatischer Einbruch bevor.
Die Schweizer Hotellerie hat einen Blitzstart ins neue Jahr hingelegt. Die Hotelübernachtungen kletterten im Januar um 6,3 Prozent auf 3,016 Millionen. Das ist das zweitbeste Ergebnis seit knapp drei Jahrzehnten und das letzte Glanzlicht vor einer zappendusteren Zeit.
Nur im Januar 2008 seien mit 3,022 Millionen noch mehr Übernachtungen gezählt worden, sagte Tourismusexperte Vincenzo Carelli vom Bundesamt für Statistik (BFS) am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Sonst habe es noch nie seit 1992 über 3 Millionen Logiernächte zum Jahresauftakt gegeben.
Dabei stellte der jetzige Januar einen neuen Rekord bei Übernachtungen von Schweizern auf. Die Zahl der inländischen Gäste nahm um 7 Prozent auf 1,52 Millionen zu, wie das BFS anhand von provisorischen Ergebnissen ermittelte. Damit hätten erstmals mehr Schweizer Gäste als ausländische Touristen in hiesigen Hotelbetten übernachtet, sagte Carelli.
Boom bei Chinesen
Bei den ausländischen Gästen gab es ein Plus von 5,7 Prozent auf 1,50 Millionen Übernachtungen. Dabei schossen gerade die Logiernächte von Chinesen um 36 Prozent nach oben, wie ein Blick in die Zahlen zeigt. Der Boom ist aber auf einen Sondereffekt zurückzuführen. In diesem Jahr lag das chinesische Neujahresfest im Januar, nachdem es im Vorjahr in den Februar gefallen war.
Die Chinesen sind mittlerweile zur fünftwichtigsten Gästegruppe aus dem Ausland aufgestiegen und haben die Italiener überholt. Aber auch die Übernachtungen der wichtigsten ausländischen Gästegruppe, der Deutschen stiegen im Januar um 2,2 Prozent, während die Amerikaner mit einem Plus von 8,3 Prozent die neue Nummer drei sind – hinter Schweizern und Deutschen. Sie haben die Briten (3,2 Prozent) auf Platz vier verdrängt.
Ein zweistelliges Wachstum ergab sich bei den Übernachtungen von Brasilianern (16 Prozent), Polen (13 Prozent) und Indern (11 Prozent). Auch die Türken, Thailänder und Singapurer kamen deutlich häufiger (12 bis 14 Prozent). Die Saudis und Hongkonger legten gar um über die Hälfte zu.
Umgekehrt gab es Einbrüche bei den Gästen aus den Arabischen Emiraten (-14 Prozent), Japanern (-12 Prozent) oder Israelis (-13 Prozent).
Einbrüche wegen Coronavirus
Allerdings war das Coronavirus bis Ende Januar in der Schweiz noch nicht angekommen. Mittlerweile sind hierzulande gemäss jüngsten Angaben des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) rund 300 Menschen mit dem Virus infiziert.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Die chinesischen Behörden hatten die Bewegungsfreiheit in China erst ab dem 23. Januar drastisch eingeschränkt. Die Lufthansa-Gruppe mit der Tochter Swiss hatte Ende Januar die Streichung der Flüge ins «Reich der Mitte» angekündigt. Auch zahlreiche andere Airlines kappten die Verbindungen.
Damit steht für die Schweizer Hotellerie ein Einbruch im Februar bevor. Und die Zahlen dürften noch weiter in die Tiefe sausen, weil sich das Virus auch in Europa rasant verbreitet und den Menschen die Reiselust nimmt. Im Engadin und im Berner Oberland müssen Gasthäuser teilweise schon jetzt schliessen (lesen Sie hier mehr über den vorzeitigen Saisonschluss). Die Lufthansa-Gruppe mit der Swiss hat den Flugplan um die Hälfte zusammengestrichen. Italien hat am Vortag die Bewegungsfreiheit von Millionen Menschen im Norden massiv eingeschränkt.
Schweiz Tourismus: halbe Milliarde Umsatzverlust
Die Marketing- und Verkaufsorganisation Schweiz Tourismus rechnet wegen des Coronavirus für das Gesamtjahr 2020 mit einem Umsatzverlust von über einer halben Milliarde Franken, wie Direktor Martin Nydegger am Montag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP sagte.
Ausländische Gäste dürften heuer rund 2,1 Millionen Übernachtungen weniger buchen als im Vorjahr. Das ergebe einen Verlust von rund 532 Millionen Franken. Und das sei nur der touristische Umsatz, sagte Nydegger. Nicht eingerechnet seien hier die Ausfälle für die Gastronomie oder die Messen.
Im vergangenen Jahr hatte die Schweizer Hotellerie das beste Jahr aller Zeiten erlebt und mit 39,6 Millionen Übernachtungen einen neuen Rekord aufgestellt. Davon gingen alleine 21,6 Millionen Logiernächte auf das Konto von ausländischen Gästen.
Den Einbruch im 2020 könnten die Schweizer nicht ausgleichen. Inländische Gäste dürften bis Ende Jahr rund 400'000 zusätzliche Übernachtungen in hiesigen Hotels buchen, schätzt Nydegger. Dies werde rund 56 Millionen Franken mehr Umsatz bringen.
Allerdings grenze es fast an Fahrlässigkeit, Prognosen in einer Welt abzugeben, in der sich die Tagesaktualitäten überschlagen würden, sagte Nydegger. Dennoch müsse man eine Quantifizierung versuchen.
Derzufolge rechnet Schweiz Tourismus für das zweite Quartal bei den asiatischen Gästen mit einem Einbruch um einen Viertel, weil es zu massenhaften Stornierungen kommt. «Wir sind im Moment im Auge des Hurrikans. Das ist der schlimmste Moment», sagte Nydegger. Im Gesamtjahr dürfte der Taucher rund 20 Prozent betragen. Die Erholung dürfte zwei bis drei Jahre dauern.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Auch bei den Amerikanern ist laut Schweiz Tourismus im zweiten Quartal von einem Rückgang von etwa 20 Prozent auszugehen. Bei den Europäern dürfte das Minus rund 10 Prozent betragen. Bis Ende Jahr sollte es von da ab wieder aufwärts gehen.
Einziger Lichtblick sind die Schweizer Gäste. Diese dürften wegen der Krise häufiger in der Nähe Ferien machen. Die Leute wollten lieber mit dem Auto oder dem Zug in die Ferien fahren, statt Fernreisen zu machen, sagte Nydegger. Sie suchten die Stabilität des eigenen Landes.
Pleitewelle abbremsen
Dennoch wird die Lage in der hiesigen Hotellerie tiefe Spuren hinterlassen. «Das werden nicht alle überleben. Es wird bedauerlicherweise zu Schliessungen führen», sagte Nydegger. Die Gewinnmargen in der Branche seien dünn. Viele Betriebe könnten daher auch in guten Zeiten gar nicht genügend Polster auffüllen, um eine solche Krise zu überstehen.
Wegen des unerwarteten externen Schocks sei der Ruf nach Unterstützung der Branche durch die Politik gerechtfertigt, sagte Nydegger. Um Liquiditätsengpässe zu vermeiden, sollten Mehrwertsteuern oder Sozialabgaben nicht sofort bezahlt werden müssen, forderte der Schweiz Tourismusdirektor. Zudem appellierte er an die Banken, sich kulant zu zeigen. Ausserdem müsste Kurzarbeit einfacher beantragt werden können. Mit alledem könnte man eine Pleitewelle immerhin abbremsen.
SDA/anf
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch