Unentschieden im zweiten EM-SpielShaqiris Traumtor rettet die Schweiz
Vom Glanz des Spiel gegen Ungarn ist die Schweiz gegen Schottland weit weg – mit Ach und Krach kommt sie zu einem 1:1. Der Trost ist, dass am Sonntag gegen Deutschland schon viel passieren müsste, um die Achtelfinals noch zu verpassen.
Der Spielbeginn ist fünfzig Minuten entfernt, als Murat Yakin das Bad in der Menge geniesst. Er geht vor die Schweizer Kurve und setzt zur Welle an. Auf dem Gesicht liegt ein breites Grinsen.
Als das Spiel der Schweiz gegen Schottland vorbei ist, es ist inzwischen 22:52 Uhr, steht er erst regungslos an der Seitenlinie. Dann dreht er sich um und klatscht mit seinem Assistenten Giorgio Contini ab.
Es ist nicht der Moment für die grossen Gefühle. Ein 1:1 gibt es für die Schweiz, nur ein 1:1, und das reicht rechnerisch noch nicht, um schon den Einzug in die Achtelfinals zu feiern. Dafür fehlt noch ein kleines Stück.
Wenn am Sonntag Schottland gegen Ungarn nicht gewinnt, ist die Schweiz am Ziel – egal, was sie gleichzeitig gegen Deutschland anstellt. Eines ist nach diesem Mittwoch allerdings klar: Spielt sie auch gegen den Turnierfavoriten so, kann es ein betrübliches Erlebnis werden.
Die erste Geschichte des Abends schreiben nicht die Schweizer, das sind die schottischen Fans, als das Spiel noch nicht einmal begonnen hat. Die Schweizer haben ihre Hymne draussen im Kölner Westen wirklich mit viel Kraft gesungen, bis dann die Schotten zu ihrem Flower of Scotland ansetzen. Vielleicht 20’000 sind im Stadion oder noch mehr, und bei ihrem Gesang scheint fast das Dach wegzufliegen. Derart laut dröhnt es. Von der Lautstärke her stellen sie in diesem Moment vermutlich einen Weltrekord auf.
Einfach nur schludrig
Bei der nächsten Geschichte steht Xherdan Shaqiri im Mittelpunkt. Am Samstag, beim 3:1 gegen Ungarn, fand Yakin für ihn keine Verwendung. Ob das der Anfang vom Ende Shaqiris als Nationalspieler sei, fragte darum ein Schweizer Journalist. Die Antwort gibt Yakin gegen Schottland: Shaqiri läuft im Sturm anstelle von Kwadwo Duah auf, einmal ist er rechts, meist in der Mitte. Er ist der einzig Neue im Vergleich zum Startspiel.
Vorerst fällt er nicht auf. Da ergeht es ihm allerdings nur wie den meisten seiner Mitspieler. Sie haben ihre liebe Mühe mit der bissigen Art, wie die Schotten die Zweikämpfe suchen und führen. Anders als noch gegen Ungarn läuft bei ihnen der Ball überhaupt nicht, sie wirken so, als wären sich in Gedanken bei ihrem Trainer, der sich so entspannt gegeben hat. Schludrigkeiten prägen ihren Auftritt, nicht Ruhe oder sicheres Passspiel.
Irgendwie überrascht nicht, was sich in der 13. Minute zuträgt. Nach einem Corner verliert Shaqiri am gegnerischen Sechzehner ein Kopfballduell. Und die Schotten reagieren blitzschnell, düsen los und funktionieren im Abschluss nach Schema F, wie so oft in der Qualifikation, als sie erfolgreich waren.
Rückpass von der Grundlinie an den Strafraumrand, Schuss von Scott McTominay, dem Abgesandten von Manchester United. Besonders platziert ist sein Ball nicht, er ist auf direktem Weg in die Arme von Yann Sommer. Aber Fabian Schär versucht zu retten, was er nicht retten müsste, und lenkt den Ball ins eigene Tor ab.
Shaqiris genialer Moment
Danach erst finden die Schweizer ins Spiel, ein paar Kombinationen bringen zumindest etwas Sicherheit. Und dann kommt dieser Moment, der einer für die Geschichtsbücher ist und für die Höhepunkte des Turniers. Anthony Ralston, ein Haudegen von Celtic Glasgow, kommt auf die besondere Idee, den Ball ohne Not in den Lauf von Shaqiri zu legen.
Und Shaqiri? Beweist in dieser einen Sekunde, dass die Genialität auch mit seinen 32 Jahren nicht aus dem linken Fuss verschwunden ist. Manch andere Spieler würde den Ball annehmen, aber er? Er nicht, er schiesst gleich, und wie sich sein Ball in der linken hohe Ecke ins Tor dreht, ist magistral. Genauer geht nicht. Die Zahlen aus Shaqiris Bilanz: 32. Tor im 124. Länderspiel, 10. Tor im 22. Spiel an einer Endrunde.
1:1 steht es also nach 26 Minuten, die Schweizer setzen ein paar Minuten noch nach. Dan Ndoye kommt nach einem formidablen Angriff zum Abschluss, Ndoye trifft ins Tor, aber aus Offsideposition. Danach ist es schon vorbei mit der Schweizer Herrlichkeit. Sie geben die Kontrolle übers Spiel grosszügig wieder ab.
Dazu passt der Auftritt von Granit Xhaka. Am Samstag noch der gefeierte Stratege, tut er sich diesmal schwer, glänzen zu können. Und das liegt an McTominay. Der hat die Aufgabe, ihn auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Für Xhaka ist das zwar nichts Neues, doch diesmal beeinflusst es sein Spiel nachhaltig.
Der Match hat alles in allem nichts von fussballerischer Hochkultur. Daran tragen beide Mannschaften gleich viel Schuld, auch wenn die Schotten deutlich besser sind als in ihrem Startspiel, als sie von Deutschland gerade vorgeführt wurden. Vieles ist nervös, unstet, ganz so, als würde es um etwas gehen.
Nach einer Stunde hat Shaqiri Feierabend, Breel Embolo kommt, der Glücksbringer vom Samstag. Ein paar Sekunden zuvor hat Ndoye eine grosse Chance gehabt, quasi aus dem Nichts nach einem langen hohen Ball in die Tiefe. Tierney stellt sich ungeschickt an, Ndoye kommt aus 16 Metern frei zum Schuss – und verzieht.
Embolos Schönheitsfehler
Die schottischen Fans bejubeln jeden gewonnenen Zweikampf oder Einwurf wie andere ein Tor, und nach 67 Minuten schreien sie wieder auf: Andy Robertson tritt einen Freistoss, ihr Linksverteidiger der ganz gehobenen Klasse, Grant Hanley macht, worauf Schär verzichtet: Er steigt zum Kopfball hoch, während Schär das Gefühl hat, mit dem Fuss klären zu können. Hanleys Kopfball prallt an den Pfosten.
McTominay kommt im Strafraum zum Schuss, einer seiner Teamkollegen erledigt für die Schweiz die Abwehrarbeit. Doch die Schotten wollen nicht aufgeben, sie versuchen immer wieder nachzusetzen. Sie wissen natürlich, sie brauchen den Sieg viel mehr als die Schweiz.
Fabian Rieder, eben erst eingewechselt, spielt den Pass perfekt in den Lauf von Embolo. Der Stürmer stürmt los und lupft den Ball über Goalie Gunn. Die Bilder vom Samstag sind augenblicklich zurück, als er in der Nachspielzeit mit einem Lob das 3:1 erzielte. Nur hat sein Exploit einen Schönheitsfehler. Embolo ist im Abseits gestanden.
Dann ist da noch Zeki Amdouni. Die 90. Minute läuft schon, als er nach einem Freistoss Rieders zum Kopfball kommt – aus vielleicht fünf Metern. Der Ball fliegt am Tor vorbei. Mehr geht nicht mehr.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Der Ticker zum Nachlesen
Abpfiff
Das Spiel ist aus, die Schweiz und Schottland trennen sich mit einem 1:1. Damit hat das Team von Murat Yakin nun vier Punkte und dürfte so mit grosser Wahrscheinlich die Achtelfinals dieser EM erreichen. Schliesslich haben die Schotten nach zwei Partien nur einen Punkt und Ungarn hat sogar gleich beide Partien verloren. Für die Schweizer geht es am Sonntag weiter mit dem Spiel gegen Deutschland, das bereits definitiv für die Achtelfinals qualifiziert ist.
94’ Noch wenige Sekunden
Es sind jetzt nur noch ein paar Sekunden zu spielen. Und die Schotten versuchen alles, das 2:1 zu erzielen.
92’ Vier Minuten Nachspielzeit
Bevor das hier untergeht: Die Nachspielzeit beträgt vier Minuten – allerdings sind davon schon zwei Minuten verstrichen.
91’ Doppelwechsel Schottland
Auch die Schotten wechseln nochmal doppelt: Christie und Shankland kommen für Adams und McGinn ins Spiel. Gelingt dem Team mit dieser Aufstellung doch noch der Treffer zum 2:1? Jedenfalls kommt Schottland kurz nach dem Wechsel nochmal zu einer guten Aktion, die Akanji im letzten Moment klärt.
90’ Freistoss Schweiz
Rieder führt einen Freistoss von der rechten Seite aus und bringt den Ball perfekt zu Amdouni. Der Stürmer aus der Premier League kommt dann auch ziemlich frei zum Kopfball, zielt aber am Tor vorbei. Aus dieser Chance hätte er mehr machen können/dürfen/sollen/müssen.
86’ Doppelwechsel Schweiz
Murat Yakin nimmt zwei weitere Wechsel vor: Er bringt Leonidas Stergiou und Zeki Amdouni in die Partie und nimmt Silvan Widmer und Dan Ndoye vom Feld. Damit hat die Schweiz ihre fünf Wechsel aufgebraucht und geht mit dieser Mannschaft in die letzten Minuten der Partie. Mit Nachspielzeit sind es in Köln noch knapp fünf Minuten.
86’ Gelb für Sierro
Sierro kommt zu spät gegen Adams und trifft diesen am Fuss. Dafür sieht er die Gelbe Karte.
82’ Embolo steht im Abseits
Rieder mit einem schönen Pass auf Embolo, der frei vor dem schottischen Tor steht und mit einem feinen Heber trifft. Das Ganze hat nur einen kleinen Schönheitsfehler: Embolo steht im Abseits. Und all das Bier, das da gerade in der Schweiz Fankurve durch die Luft geflogen ist, wurde völlig umsonst verschwendet.
79’ Wechsel Schottland
Die Schotten bringen McLean für Gilmour. Und dann brechen auch schon die letzten zehn Minuten an.
77’ Was macht eigentlich Xhaka?
Es läuft die 77. Minute und mir ist gerade ein Zettel reingereicht worden, auf dem steht: «Du hast Xhaka bis jetzt noch gar nicht erwähnt». Das sei hiermit nachgeholt mit dem Verweis: Der Schweizer Captain ist in dieser Partie nicht so derart dominant, wie man das von ihm auch schon gesehen hat. Und trotzdem hat man gerade beim Wechsel der Schweiz gesehen, wer der Boss auf dem Rasen ist, als Xhaka seine Mitspieler auf ihre neuen, leicht angepassten Positionen geschoben hat.
75’ Doppelwechsel Schweiz
Murat Yakin bringt zwei neue Spieler: Sebastian Rieder und Vincent Sierro kommen für Remo Freuler und Ruben Vargas ins Spiel. Das ist insgesamt gesehen sicher eine defensivere Variante, für die sich der Schweizer Trainer da entscheidet. Jedenfalls sind es zwei weitere Spieler für das Mittelfeldzentrum.
71’ Gelb für McGinn
Fabian Schär wird morgen, wenn er aufwacht, seinen Körper spüren. Ganz bestimmt. Erst seine blutende Nase in der ersten Halbzeit. Und jetzt wird er von McGinn abgeräumt, der keine Chance auf den Ball hat.
70’ Ecke Schottland
Die Schotten werden stärker und verdienen sich – unter dem lauten Jubel von den Rängen – einen Eckball. Auch die Fans spüren offenbar, dass für ihr Team etwas möglich ist. Dafür müssten allerdings auch ihre Eckbälle etwas effektiver werden. Der Ball wird von der Schweizer Verteidigung geklärt.
68’ Gelb für McKenna
Die Schweizer wollen kontern, aber darauf hat der eben eingewechselte McKenna nicht allzu viel Lust. Als Embolo gerade durchstarten will, wird der Schweizer vom Verteidiger einfach umgeworfen. Der Schiedsrichter lässt das Spiel kurz weiterlaufen, zeigt dem Schotten dann aber kurz darauf dessen redlich verdiente Gelbe Karte.
66’ Pfostenschuss Schottland
Akanji begeht dort ein Foul, wo man besser kein Foul begeht, nämlich unmittelbar an der eigenen Strafraum-Grenze. Der folgende Freistoss landet auf der Stirn von Hanley, den Schär nicht mehr am Kopfball hindern kann. Und dann haben die Schweizer Glück, denn der Ball prallt gegen den Pfosten.
64’ Schuss Vargas
Von Ruben Vargas hat man bisher noch nicht allzu viel gesehen. Jetzt kommt er aber mal über die linke Seite. Kleiner Wackler, Übersteiger, dann versucht es Vargas mit dem Abschluss. Der Ball fliegt allerdings über das gegnerische Tor.
61’ Wechsel Schottland
Und auch die Schotten wechseln jetzt. Allerdings muss Steve Clarke einen verletzten Spieler ersetzen: Tierney hat sich im Zweikampf mit Ndoye vor dessen Schusschance am Oberschenkel verletzt und muss sogar vom Platz getragen werden. Für ihn kommt Scott McKenna, der im normalen Leben für den FC Kopenhagen spielt.
60’ Embolo für Shaqiri
Murat Yakin nimmt den ersten Wechsel vor und wechselt Torschütze Shaqiri aus. Für ihm kommt Breel Embolo in die Partie, der ja bekanntlich im ersten Spiel gegen Ungarn bereits getroffen hat, nachdem er eingewechselt worden ist.
59’ Chance Ndoye
Plötzlich steht Ndoye relativ frei vor dem Tor, wenn man sich den Verteidiger wegdenkt, der kräftig am Schweizer Stürmer herumreisst. Ndoye kommt aber trotzdem zum Abschluss, doch Schottlands Torhüter Gunn kann den Ball noch neben das Tor lenken. Das war eine richtig gute Chance für die Schweiz.
Fehler gefunden?Jetzt melden.