Sonderdebatte zur InflationNationalrat stimmt höheren Prämienverbilligungen und AHV-Teuerungsausgleich zu
Die Parteien haben sich überboten mit Vorstössen im Kampf gegen Teuerung und Prämienschub. Der Nationalrat hat zwei angenommen. Der Ticker zum Nachlesen.
Zusammenfassung: Teuerungsausgleich bei AHV-Renten und mehr Prämienverbilligung
AHV-Rentnerinnen und -Rentner sollen nach dem Willen des Nationalrats im kommenden Jahr den vollen Teuerungsausgleich erhalten. Zudem soll der Bund seinen Beitrag an die Prämienverbilligungen für 2023 vorübergehend um 30 Prozent erhöhen.
Die grosse Kammer hat am Mittwoch zwei entsprechende Motionen von SP und Mitte angenommen. Die beiden Fraktionen spannten in der ausserordentlichen Debatte des Nationalrats zum Thema Kaufkraft zusammen und hatten sich im Vorfeld abgestimmt.
Teuerungsausgleich auch bei Ergänzungsleistungen
Die Mitte-Fraktion fordert in einer Motion die Anpassung der AHV- und IV-Renten sowie der Ergänzungsleistungen gemäss dem Landesindex der Konsumentenpreise spätestens bis Anfang 2023. Zudem soll der Bundesrat dem Parlament ein Konzept dazu vorlegen, wie die Renten bei einer Teuerung von mehr als 2 Prozent künftig regelmässig angepasst werden können.
Der Rat hiess den Vorstoss mit 99 zu 92 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Er geht an den Ständerat.
Die SP will den Bundesrat beauftragen, in einem zeitlich auf ein Jahr befristeten dringlichen Bundesbeschluss den Bundesbeitrag an die individuelle Prämienverbilligung um 30 Prozent zu erhöhen. Die zusätzlichen Gelder sollen die Kantone erhalten, sofern sie ihren eigenen Beitrag nicht reduzieren.
Der Motion der Sozialdemokraten nahm der Nationalrat mit 97 zu 95 Stimmen bei zwei Enthaltungen an. Auch mit diesem Vorstoss muss sich nun der Ständerat befassen.
Der Bundesrat empfahl beide Motionen zur Ablehnung. Die Teuerung sei im Vergleich zu anderen europäischen Staaten relativ moderat. Bei den Renten sei es sinnvoll, am Schwellenwert von 4 Prozent Inflation für ausserordentliche Massnahmen festzuhalten. Und die soziale Absicherung im Zusammenhang mit den Krankenkassenprämien sei in erster Linie Aufgabe der Kantone. Dem Bund fehle dazu der finanzielle Spielraum.
SVP-Gegenanträge ohne Erfolg
Die SVP bekämpfte die Vorschläge von SP und Mitte mit eigenen Motionen. Alfred Heer (ZH) verlangte, sich bei der Anpassung der AHV-Renten wie bisher am sogenannten Mischindex zu orientieren. Dieser basiert zur Hälfte auf der Teuerung und zur Hälfte auf der Lohnentwicklung.
Heer forderte zudem, allfällige Mehrausgaben für den Teuerungsausgleich seien durch eine Plafonierung der Ausgaben bei der Entwicklungszusammenarbeit, im Forschungs- und Bildungsbereich, bei den Kulturausgaben und beim Eigenaufwand des Bundes zu kompensieren. Nur so liessen sich Steuererhöhungen und eine Belastung der Jüngeren vermeiden.
Weitere SVP-Vorstösse verlangten den Verzicht auf einen Teil der Einnahmen aus der Mineralölsteuer durch den Bund, die Abschaffung des Eigenmietwerts für Rentnerinnen und Rentner sowie, dass Ausgaben für Krankenkassenprämien bei der direkten Bundessteuer voll abgezogen werden können.
Die Motion Heers scheiterte mit 143 zu 53 Stimmen. Auch die anderen Vorstösse aus der SVP fanden keine Mehrheit und sind damit vom Tisch.
Zu befinden hatte der Rat ausserdem über einen Vorstoss aus den Reihen der Grünen. Die St. Galler Nationalrätin Franziska Ryser forderte eine Energiezulage bei bestehenden Prämienverbilligungen, um Haushalte mit geringen Einkommen gezielt zu entlasten.
Der Nationalrat verwarf die Motion Rysers mit 127 zu 67 Stimmen ohne Enthaltungen. Auch sie ist vom Tisch. (SDA)
Die Ausserordentliche Session ist geschlossen.
Die Debatte wurde beendet. Es folgt hier in Kürze eine Zusammenfassung.
Motion der Grünen zur Entlastung von Energiepreisen wurde abgelehnt.
Die Motion der Grünen wurde abgelehnt mit 127 zu 67 STimmen bei 1 Enthaltung
Zweite SVP Motion zur Mineralölsteuer abgelehnt
Die zweite SVP.-Motion zur Mineralölsteuer wurde abgelehnt mit 138 zu 57 Stimmen
SVP Motion zur Mineralölsteuer abgelehnt
SVP Motion zur Mineralölsteuer wurde abgelehnt mit 135 zu 58 Stimmen bei 2 Enthaltungen
SVP Motion zu Eigenmietwert abgelehnt
SVP Motion zum Eigenmietwert wurde abgelehnt mit 141 zu 53 Stimmen bei 1 Einthaltung
SVP Motion zu Krankenkassenprämien und Steuern abgelehnt
Die SVP Motion, die eine Abzugsfähigkeit von Krankenkassenprämien forderte, wurde abgelehnt.
SVP Motion: AHV-Anpassung abgelehnt
Die Motion von Alfred Heer (SVP) wird abgelehnt mit 142 zu 53 Stimmen.
SP Motion : Prämienverbilligung angenommen
Die Motion der SP zur Prämienverbilligung wird angenommen mit 97 zu 95 Stimmen bei 2 Enthaltungen.
Es kommt zur Abstimmung: Mitte Motion angenommen
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung aller Motionen.
Der Antrag der Mitte (sofortige AHV-Anpassung) wird mit 99 zu 92 bei einer Enthaltung angenommen.
Maurer: Bundesrat lehnt Sofortmassnahmen ab
Es könne durchaus sein, dass Menschen in den nächsten Monaten in eine Notlage geraten könnten, aber dafür seien bestehende Gesetze vorhanden, um Hilfe zu leisten, sagt Maurer Natürlich müsse man die Lage weiter beobachten. Der Bundesrat lehne aber alle vorliegen Vorschläge ab. Zuletzt fordert Maurer eine grössere Dialogbereitschaft unter den Nationalräten.
Maurer: Inflation von 3 Prozent war früher der Normalfall
Maurer betont, dass alle Nachbarländer wesentlich höhrere Teuerung verzeichnen als die Schweiz. Der Bundesrat sei der Meinung, dass bei 3 Prozent Teuerung keine Notmassnahmen notwendig seien. Zudem seien eben die Mittel dafür nicht verfügbar. «Der Bundesrat betrachtet die Lage durchaus mit Sorge», sagt Maurer. Und die Situation dürfte sich noch verschlechtern. Die Frage sei, ob man jetzt schon «alles Pulver verschiessen» solle. Es könnte sich noch viel verändern, man sollte eingreifen, wenn sich die Lage verschärfe.
Maurer: Es sind nicht genug Mittel vorhanden
Finanzminister Maurer warnt, dass die Vorschläge Milliardenkosten verursachen würden – und die Finanzen für diese zusätzlichen Ausgaben würden fehlen. Schon in den letzten beiden Sessionen seien Ausgaben beschlossen worden, für die die Mittel nicht vorhanden seien. Für 2024 sei mit 3 Milliarden Franken ungedeckte Ausgaben zu rechnen.
Bundesrat Maurer: Zu viel Parteipolitik
«Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus», sagt Bundesrat Ueli Maurer (SVP). «Und mit grossen Ereignissen meine ich die nächsten Wahlen». Es gehe in dieser Debatte sehr viel um Parteipolitik. «Alle die jetzt Subito gerufen haben: Wir haben keine Rechtsgrundlage dafür.» Selbst wenn man diese Wünsche umsetzen wolle, würde das bis 2025 oder 2026 dauern. Nortrecht sei für all diese Wünsche nicht gegeben.
Berset: AHV-Erhöhung und Prämienverbilligungen ablehnen
Besrset lehnt im Namen des Bundesrates die Motion der Mitte zur sofortigen Anpassung der AHV-Renten ab. Das würde eine dringliche Gesetzesänderung erfordern. Der Bundesrat wolle bei dem derzeitigen System bleiben. Auch der SP-Vorschlag zu einer weiteren Prämienverbillung würde eine Anpassung der kanonalen Gesetzgebung erfordern. Das würde viel Zeit brauchen. der Bundesrat suche nach anderen Lösungen.
Alain Berset: inflation in der Schweiz ist noch gering
Bundesrat Alain Berset (SP) betont, dass Energierpreise stark gestiegen seien und damit auch die Teuerung in der Schweiz. Aber sie sei in der Schweiz im internationalen Vergleich moderat – 8,9 Prozent in der Eurozone. Die AHV-Renten würden gemäss geltendem Recht auf der Basis des Mischindex regelmässig angepasst. Sowohl Inflation als auch Lohnniveau würden berücksichtig. Dabei solle es bleiben. Die Anpassung erfolge alle zwei Jahren, ausser die Inflation würde auf 4 Prozent steigen. Dann würde es eine jährliche Anpassung geben.
GLP: Es gibt keinen dringenden Handlungsbedarf
Mettler sagt, dass die GLP derzeit keinen dringlichen Handlungsbedarf sieht. Deshalb wird die Partei alle Vorstösse von SP, SVP und Mitte ablehnen.
Ihre Parteikollegin Céline Weber (VD) bestärkt diese Position: Teuerung sei bedrohlich, niemand soll in die Armut abdriften. Aber die Bundeskasse sei nicht unerschöpflich. Hilfe sei erst angesagt, wenn sich die Teuerung verstetigen sollte. Im Falle eine Falle sei die GLP bereit, zu helfen.
GLP: Die Schwächsten entlasten, aber den Markt wirken lassen
Melanie Mettler (GLP BE) kritisiert, dass nicht nachhaltiger Konsum immer noch subvenstioniert werde – beim Wasserkonsum oder beim Energiekonsum. Im Grundsatz sei es nicht problematisch, wenn die Kosten steigen würden und damit der Konsum gebremst werde. Aber die Frage sei, wer davon am schwersten betroffen sei. Die GLP strebe einen Schutz der Schwächsten an. Deren Haushalte sollten entlastet werden, aber nicht vorsorglich. Die Vorstösse der SVP under Mitte würden diesem Anspruch nicht gerecht.
Martullo-Blocher: Die Linke will die Bürger schröpfen
«Unsere Probleme sind hausgemacht», sagt Martullo-Blocher. Man vergolde die Solarproduktion mit Milliarden, die man gar nicht habe. «So ruinieren Sie dieses Land und seine Bürger», meint sie. Teuerung und explodierende Energiepreise seien mehr als ein bisschen Frieren, sagt sie. Ersparnisse würden entwertet, die Leute könnten ihre Rechnung nicht bezahlen. «Die Verursacher dieser Krise präsentieren sich als Freund und Helfer», sagt sie – indem Geld des Staates verteilt werden soll. Das Programm der Linken sei das Schröpfen der Bürger.
SVP: Die Politik der Linken ist gescheitert
Magdalena Martullo-Blocher (SVP GR) betont, dass die Krise bedrohlich sei. Gleichzeitig würden Milliarden ausgegeben, mit «verzweifelten Schnellschüssen» würde die Linke von ihrer fehlerhaften Politik abzulenken. Bundesrat Alain Berset (SP) habe auch nach elf Jahren im Amt keine Senkung der Krankenkosten erzielen können.
Fehler gefunden?Jetzt melden.