3:0 gegen GrossbritannienAkira Schmid und die ungeliebte Einsamkeit des Goalies
In seinem ersten Start in einem WM-Spiel feiert der 24-Jährige einen Shutout. Und dennoch ist es für ihn kein Spiel, das Goalies lieben.

Dieses Spiel wird nicht als Schweizer Highlight in Erinnerung bleiben. Ein 3:0 gegen spielerisch inferiore, aber defensiv sehr disziplinierte Briten, die zwar phasenweise auch bei 5-gegen-5 Schweizer Powerplay mit sich spielen lassen. Sie verlieren aber kaum je die Positionen und stehen darum meist in den Schusswegen. Mühsam sei das gewesen, lobt auch der Schweizer Captain Roman Josi den Gegner.
Es gibt aber die andere Geschichte dieses Spiels. Die wortwörtlich andere, denn diese spielt sich knapp 60 Meter entfernt vor dem anderen Tor ab. Akira Schmid steht dort, es ist das erste WM-Spiel von Anfang an für den als Nummer 3 nach Prag gereisten Goalie. Gegen Österreich musste er für den verletzten Reto Berra nach 40 Minuten einspringen, er ist nun zur Nummer 2 aufgerückt. Und im Debüt von Anfang an feiert er einen Shutout.
«Ich erfuhr am Abend vorher, dass ich starten würde», sagt Schmid nach dem Spiel. «Die Freude war riesengross.» Er hat keine einfache Saison hinter sich. Der Langnauer startete im dritten Jahr bei den New Jersey Devils den ersten richtigen Angriff auf die Nummer-1-Position – es wurde eine Saison mit ein paar Spielen mehr in der AHL (23) als in der NHL (19). Mehr noch: An beiden Orten lief es ihm nicht nach Wunsch. «Weil ich am Ende dennoch auch gute Spiele hatte, kam ich aber mit Selbstvertrauen zur Nationalmannschaft», sagt Schmid.
Die Umstellung auf das andere Eisfeld
Für Verteidiger ist die Umstellung vom kleinen Rink in Nordamerika aufs grosse in Europa immens. Auch für Goalies gibt es aber Tücken, die jedoch bei beiden Wechseln gleich herausfordernd sind: Die unterschiedlichen Winkel wegen der vier Metern Unterschied bei der Breite des Spielfelds. Als Gilles Senn vor fünf Jahren ebenfalls zu den Devils wechselte, liess er im ersten Training die Schüsse reihenweise «bewusst» ins Tor passieren in der Annahme, der Puck würde wie gewohnt knapp am Tor vorbeirauschen – der andere Winkel eben …
Er habe sich mittlerweile angewöhnt, sagt Schmid. Und dass in Prag auf einem hybriden Feld mit Massen irgendwo dazwischen gespielt wird, kommt ihm entgegen. Zur grossen Herausforderung gegen Grossbritannien wird für ihn darum etwas, das kein Eishockeygoalie dieser Welt mag, egal wo das Spiel stattfindet: Schmid hat gegen den defensiv agierenden Gegner kaum etwas zu tun, phasenweise muss er während Minuten keinen Schuss halten.
«Es kann vorkommen, dass du in solchen Phasen plötzlich beginnst, mit den Gedanken abzuschweifen und dann irgendwo anders zu sein: Zum Beispiel bei der Frage, wie der nächste Schuss wohl sein wird», erzählt Schmid. Er habe es diesmal aber 60 Minuten lang geschafft, nicht nach vorne zu schauen und diese Aufgabe gut zu managen.
Er bleibt an der WM auch Lernender. Leonardo Genoni und Berra, die beiden Schweizer Routiniers und Goalie-Legenden sind Vorbilder Schmids. Schmid (1,95 m) und Berra (1,94 m) sind gleich gross, da lässt sich beim Stil eher etwas abschauen. Genoni, der «kleine» Fänger und Spielleser, der so wenig mit den modernen Stilen der «Riesen» anfangen kann, ist dann aber eine ganz andere Schule. «Und dennoch schaue ich auch ihm sehr gerne zu», sagt Schmid. «Da er nicht so gross ist, muss er ein noch besseres Positionsspiel haben.»
Als nächstes wartet Dänemark
Ob Schmid von Nationaltrainer Patrick Fischer nochmals ein WM-Spiel als Starter erhält? Die nächste Partie gegen Dänemark am Samstag würde sich anbieten. Denn es droht gegen den nächsten (vermeintlich) «Kleinen» die Wiederholung der Geknorzes gegen die Briten.
Wenn man den grossen Eishockeynationen wie Kanada oder den USA jeweils vorwirft, die Gruppenphase einer WM auch mit einer Prise Arroganz zu bewältigen und sie mehr oder weniger als Vorbereitung auf die K-.o.-Phase zu nutzen, dann fallen Spiele wie Schweiz – Grossbritannien in die gleiche Kategorie. So gesehen tritt die Schweiz in Prag bislang wie ein Grosser auf: Fahrig gegen Österreich (6:5) und nun Grossbritannien, konzentriert gegen die Grossen wie Tschechien (2:1 nach Penaltyschiessen).

Natürlich ist der Sieg gegen wackere Briten nie in Gefahr. Zu gross sind die Differenzen. Um die Relationen aufzuzeigen, hilft ein Blick auf die Clubzugehörigkeit der Briten. Nebst Engländern finden sich gleich zehn kanadische Doppelbürger und ein Waliser, praktisch alle spielen in der Elite Ice Hockey League mit Teams in England, Wales, Schottland und Nordirland. Dazu passen auch die wenigen «Söldner», die diese Saison ihr Geld in Österreich, sowie der zweit- oder gar dritthöchsten Liga Deutschlands verdienten.
Einzige Ausnahme: Liam Kirk. Der 24-Jährige schrieb 2018 Eishockey-Geschichte als erster in Grossbritannien ausgebildeter NHL-Draftee. Der grossgewachsene Stürmer aus der Nähe Sheffields sticht auch auf dem Eis heraus, was nicht überrascht, da er bereits in Finnland und Tschechien Leistungsträger war und nächste Saison in der DEL in Berlin spielen wird. Aber er alleine reicht gegen die mit sechs NHL-Spielern antretenden Schweizer natürlich bei weitem nicht.
Ein verschossener Penalty
Die Schweizer sind vom ersten Shift an deutlich überlegen, sie wollen ihren Fans mit Druckphasen und wunderbaren Puckstafetten eine Show bieten und schnüren den Gegner mehrfach in ihrer Zone ein. Bloss, der Grat zwischen überbordender Spielfreude und Überheblichkeit kann schmal sein. Und so verstrickt sich die Schweiz plötzlich immer wieder in brotloser Kunst mit nicht nur durchdachten Aktionen. Und ist der Schlendrian einmal eingekehrt, lässt er sich nicht mehr so einfach vertreiben.
In Gefahr, die Kontrolle über das Spiel zu verlieren, läuft Patrick Fischers Team dennoch nie. Kevin Fiala verschiesst zwar schon früh einen Penalty – keiner personifiziert im Startdrittel besser das Auf und Ab im Schweizer Spiel mit genialen Aktionen und blinden Pässen ins Nichts. Doch dann treffen Nico Hischier nach einem Josi-Lattenschuss aus fast unmöglichem Winkel sowie Dean Kukan dank grosser Mithilfe des britischen Goalies Jackson Whistle.
Das ist bereits die Entscheidung. Die Briten kommen zwar zu seltenen Konterchancen, meist nach Schweizer Unachtsamkeiten, sie vermögen Schmid aber nicht zu bezwingen. Auch wenn die Schweiz stets überlegen bleibt, plätschert das Spiel phasenweise dahin.
Symbolisch sind Szenen wie diese hier: Als Tristan Scherwey solo aufs britische Tor ziehen kann, bricht ihm beim Schuss der Stock, sodass die Schaufel den Puck überholt. Die Stürmer aus der heimischen National League bleiben in der Offensive generell blass, sieben der neun Skorerpunkte gehen an die NHL-Spieler.

Schweiz

Grossbritannien
39’
Und dann holt Scherwey im gegnerischen Drittel eine Strafe heraus. Es trifft Dowd nach einem Halten. Geht hier noch was in diesem Drittel?
38’
Nach einem Bully wirds gefährlich vor Akira Schmid. Die Briten finden den Weg zum Tor. Duggan verpasst alleine vor Schmid.
37’
Schnelles Umschaltspiel der Schweizer. Bertschy verpasst den dritten Treffer.
34’
Jung ist zurück. Die Schweiz ist komplett
33’
Tristan Scherwey bringt die Scheibe nicht weg. Lachowicz scheitert aus bester Abschlussposition. Dann der Konter. Plötzlich steht Scherwey alleine vor dem gegnerischen Gehäuse. Doch dann bricht auch noch sein Stock. Viel Pech für den Berner Powerstürmer
32’
Strafe gegen Sven Jung nach einem Haken an Shudra vor dem eigenen Tor. Powerplay Grossbritannien
29’
Senteler alleine vor Whistle, doch wie schon Simion scheitert auch der andere Zuger am Pfosten.
28’
Die Schweiz kann nicht profitieren, kommt kaum zu Chancen. Der Gegner wird mutiger…
26’
Strafe gegen die Briten, nachdem sich Lake gegen Jung wie ein Holzfäller anstellt
24’
Fehlerhafter Beginn der Schweizer. Loeffel mit einem Scheibenverlust an der eigenen blauen Linie.
22’
O’Connor mit einem Abschluss. Doch der Brite scheitert. Die Schweiz ist wieder komplett.
22’
Ruopp ist zurück. Die Schweiz für etwas mehr als einer halben Minute in Unterzahl. Doch es ist Glauser, der zum Abschluss kommt.
21’
4 gegen 4 Feldspieler auf dem Eis
21’
Das 2. Drittel hat begonnen. Hischier gewinnt das erste Bully
Es ist Pause. Nutzen Sie die Zeit, um das Interview des ältesten Turnierteilnehmers zu lesen. Es lohnt sich. Viel Spass beim Lesen des Fragebogens mit Andres Ambühl
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Hier der zweite Schweizer Treffer
Pause
Und dann ist dieses Drittel auch vorbei. Die Schweiz führt 2:0, bei 14:2-Torschüssen. Sie hat bisher alles unter Kontrolle.
20’
Und schon gibt es die nächste Strafe. Es trifft tatsächlich erneut Roman Josi. Er greift mit dem Stock nach der Scheibe. Doch der Brite Betteridge trifft sich am Ende selbst mit dem Stock im Gesicht. Dumm gelaufen.
20’
Powerplay für die Schweiz. Ruopp trifft es nach einem Beinstellen an Bertschy
15’
Captain Roman Josi kassiert 2 Strafminuten nach einem Haken. Doch die Briten kommen anschliessend im Powerplay kaum in die gegnerische Zone. Und schon ist die Überzahl auch wieder rum
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