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Erneutes schottisches Referendum
Im zweiten Anlauf zur Unabhängigkeit

2014 wurde das Unabhängigkeitsreferendum in Schottland knapp abgelehnt, nun soll es unter der Leitung von Regierungschefin Nicola Sturgeon erneut zu einer Abstimmung kommen.
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Eine Entscheidung, die «einmal in einer Generation» getroffen wird, so hat Boris Johnson den Vorgang kürzlich bezeichnet. Der britische Premier meinte damit das Unabhängigkeitsreferendum in Schottland, das zuletzt 2014 stattfand, damals stimmten 55 Prozent der Schotten gegen die Abspaltung vom Vereinigten Königreich. Für Johnson und die britische Regierung ist das Thema damit erledigt, und zwar für längere Zeit. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Johnson der Hauptgrund dafür ist, dass viele Schotten das anders sehen.

Wie viele Schotten genau, das will First Minister Nicola Sturgeon nun erneut herausfinden. Sie verkündete am Dienstag im schottischen Parlament in Edinburgh, ein weiteres Referendum abhalten zu wollen, zur Frage: «Sollte Schottland ein unabhängiges Land sein?» Als Datum schlug sie den 19. Oktober 2023 vor. Noch am Nachmittag reichte ihre Regierung einen entsprechenden Antrag beim britischen Supreme Court ein, dem Obersten Gerichtshof.

Sturgeons Statement folgte ihrer Ankündigung vor ein paar Wochen, ihr Wahlversprechen umsetzen zu wollen: Bei den Wahlen in Schottland 2021 gewann Sturgeons SNP mit 47 Prozent der Stimmen, gemeinsam mit den Grünen bildet sie seither die Regionalregierung. Beide Parteien traten mit dem Versprechen an, Schottland zu einem erneuten Referendum zu führen.

Jetzt sei die richtige Zeit

«Now is the time», jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sagte Sturgeon in einer Rede, die immer wieder von Zwischenrufen und Applaus unterbrochen wurde. Sie werde es «nie, niemals» erlauben, «dass die schottische Demokratie eine Gefangene von Boris Johnson ist». Genau das ist für Sturgeon derzeit der Fall: «Die Tories haben uns aus der EU gerissen», sagte Sturgeon. Im Brexit-Referendum 2016 stimmten 62 Prozent der Schotten gegen den Austritt aus der EU, und die Folgen des Brexit, etwa die arg gebeutelte britische Wirtschaft, gelten als Haupttreiber hinter dem Wunsch vieler Schotten, unabhängig zu sein.

Eine klare Mehrheit gibt es allerdings bislang nicht. Das schottische Meinungsforschungsinstitut ScotCen misst seit 2016 regelmässig und unter Berücksichtigung mehrerer Umfragen den Wunsch der Schotten nach Unabhängigkeit. Demnach gab es im Herbst 2020 zwar eine Mehrheit für die Unabhängigkeit, insgesamt aber schwanken die Werte. Gegenwärtig würden 45 Prozent der Schotten für die Unabhängigkeit stimmen, 46 Prozent dagegen. Sturgeon aber weiss: Solange der in Schottland enorm unbeliebte Boris Johnson in Downing Street wohnt und arbeitet, besteht für ihre Regierung überhaupt eine Chance. Sie sagte am Dienstag zwar, auch Labour oder die Liberaldemokraten wären in der Unabhängigkeitsfrage keine Hilfe, sollten die Tories die nächsten Parlamentswahlen verlieren, «wie sie es verdienen» – das Feindbild Westminster aber funktioniert wohl nur mit von Johnson geführten Tories.

Regierung in London muss Referendum zustimmen

Rechtlich gesehen muss die Regierung in London einem Referendum zustimmen, Johnson hat mehrmals klargemacht, dass er das nicht tun werde. Sturgeon wiederum betonte nun, ein illegales Referendum werde es mit ihr nicht geben. Daher der Antrag beim Supreme Court auf ein Referendum, das nicht automatisch bindend wäre. Heisst: Sollte eine Mehrheit für die Unabhängigkeit stimmen, hätte das nicht sofort die Unabhängigkeit zur Folge, sondern vielmehr den Wert einer Volksbefragung. Vieles ist schliesslich noch ungeklärt, etwa, ob ein unabhängiges Schottland tatsächlich wieder in die EU eintreten würde.

Sollte der Supreme Court den Antrag ablehnen, dann, sagte Sturgeon, werde ihre Partei bei der nächsten Wahl allein mit der Unabhängigkeitsfrage antreten – die Wahl würde so umfunktioniert zum Referendum. Allerdings scheint Sturgeon selbst bewusst zu sein, dass es so weit nicht kommt. Der schottische «Herald» berichtete am Dienstag, in Edinburgh sei bereits ein Team aus 20 Beamten zusammengestellt worden, das an der Kampagne zum Referendum arbeite. Kostenpunkt: etwa 1,4 Millionen Euro.