Scholz-Reise nach KiewMit diesen Waffen will Deutschland die Ukraine unterstützen
Olaf Scholz will nicht mit leeren Händen in die Ukraine reisen. Trotzdem ist offen, ob er die hohen Erwartungen von Präsident Wolodimir Selenski vollständig erfüllen kann.
Die zahlreichen ausländischen Politiker, die der überfallenen Ukraine seit Kriegsbeginn einen Besuch abgestattet haben, übermittelten in aller Regel allein schon durch ihre Reise die wichtigste Botschaft. Wenn sich Deutschlands Kanzler Olaf Scholz demnächst zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi auf den Weg nach Kiew macht, muss er mehr mitbringen.
Das ist nicht nur der Anspruch, den Scholz schon vor Wochen selbst formuliert hatte, als er «ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin» für sich ausschloss und «ganz konkrete Dinge» in Aussicht stellte. Es ist, wie von Scholz richtig vorausgesehen, auch die Erwartung des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski.
«Wir möchten auch nicht, dass er nur zu einem Fototermin kommt. Wir hoffen auf die militärische Unterstützung der Ukraine seitens Deutschlands. Ich glaube, er meint das», sagte Selenski in einem ZDF-Interview. Während sich die militärische Lage im Donbass zuspitzt, braucht die Ukraine dringend mehr schwere Waffen – und hofft, sie auch aus Deutschland zu bekommen.
Unterstützung erwartet Selenski auch beim nächsten Schritt der Ukraine in Richtung EU-Mitgliedschaft, dem offiziellen Kandidatenstatus. Die EU-Kommission will Ende der Woche dazu eine Empfehlung abgeben. Er rechne sehr damit, dass Scholz sich bei dem Thema «zuversichtlich» zeige, sagte Selenski.
Ständiger Vorwurf, Deutschland verzögere Waffenlieferungen
Die Erwartung des ukrainischen Präsidenten an Scholz geht noch weiter: «Wir brauchen von Kanzler Scholz die Sicherheit, dass Deutschland die Ukraine unterstützt. Er und seine Regierung müssen sich entscheiden. Es darf kein Spagat versucht werden zwischen der Ukraine und den Beziehungen zu Russland.»
Der Eindruck, er versuche diesen Spagat, entsteht für Kritiker des Kanzlers aus einer Reihe von Gründen. So spricht Scholz zwar davon, Russland dürfe den Krieg nicht gewinnen und die Ukraine nicht verlieren – nicht aber davon, dass die Ukraine gewinnen müsse. Das wird Scholz als bewusste Uneindeutigkeit vorgehalten.
«Es ist alles so, wie angekündigt. Wir werden die Waffen, die wir auf den Weg gebracht haben, alle liefern.»
Hinzu kommt der immer wieder geäusserte Vorwurf, Deutschland zögere bei Waffenlieferungen. Auf diese Kritik reagiert Scholz zunehmend gereizt. «Es ist alles so, wie angekündigt. Wir werden die Waffen, die wir auf den Weg gebracht haben, alle liefern», sagte er diese Woche. «Ich glaube, dass es wirklich eine gute Sache wäre, wenn der eine oder andere noch einmal kurz überlegt, bevor er seine Meinung zu dem einen oder anderen Thema äussert», sagte Scholz.
Dabei verwies er auf die laufende Ausbildung ukrainischer Soldaten etwa an der Panzerhaubitze 2000. Deutschland hat zugesagt, sieben Exemplare zu liefern. Noch im Juni sollen ukrainische Soldaten den Umgang mit dem 155-Millimeter-Geschütz in Deutschland erlernt haben. Weitreichende Artillerie und Panzer braucht die Ukraine derzeit am dringendsten, um vor allem im Donbass den massiven russischen Angriffen standhalten zu können. Die USA liefern mehr als 100 Feldhaubitzen, die bereits in Gefechten zum Einsatz kommen.
Norwegen hat vergangene Woche bekannt gegeben, man habe der Ukraine 22 Panzerhaubitzen des US-Typs M109 sowie Munition und Ersatzteile geliefert. Die Ausbildung habe in Deutschland stattgefunden. Solche Geschütze können Ziele in 30 bis 40 Kilometern Entfernung bekämpfen.
In der jetzigen «besonders kritischen Phase» werde Deutschland seine Unterstützung noch erheblich ausweiten, betonte Scholz während des kürzlichen Treffens mit dem slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger. In Rede stehen Mehrfachraketenwerfer, wie sie auch die USA zugesagt haben. Diese erzielen deutlich höhere Reichweiten.
Deutschland will aus eigenen Beständen vier Exemplare des Systems Mars II liefern, das Ziele bis in 80 Kilometern Entfernung bekämpfen kann. Allerdings gibt es Probleme mit der Munition. Scholz erwähnte zudem, dass die Ukraine ein Artillerieortungsradar erhalte, das es erlaubt, feindliche Stellungen aus der Distanz aufzuklären und zielgenau zu beschiessen.
Deutschland hat die Lieferung von Kriegswaffen und Rüstungsgütern im Wert von 350 Millionen Euro in die Ukraine genehmigt.
Auch erhalte Kiew ein hochmodernes Flugabwehrsystem. Dabei handelt es sich um ein ursprünglich von Ägypten bestelltes System vom Typ Iris-T SLM, das allerdings erst in einigen Monaten in der Ukraine eintreffen wird. Und bei den vom Bund in Aussicht gestellten Flugabwehrkanonenpanzern vom Typ Gepard wird wegen der nötigen Instandsetzung und der Ausbildung für das komplexe Waffensystem in Berlin nicht damit gerechnet, dass diese vor September zum Einsatz kommen.
Die Ukraine würde vor allem gerne Schützenpanzer vom Typ Marder aus Deutschland beschaffen, von denen laut dem Hersteller Rheinmetall sechs instandgesetzt worden sind und jederzeit geliefert werden könnten. Die deutsche Regierung erwägt, dieses Gerät für einen Ringtausch mit Griechenland einzusetzen, durch den die Ukraine BMP-1 aus einstigen DDR-Beständen erhalten würde. Das 13,5 Tonnen schwere Kettenfahrzeug wird zwar als Schützenpanzer bezeichnet, ist vom Kampfwert aber mit dem Marder nicht vergleichbar.
Deutschland hat seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine die Lieferung von Kriegswaffen und Rüstungsgütern im Wert von 350 Millionen Euro in die Ukraine genehmigt. Darunter finden sich Panzerabwehrwaffen vom Typ Panzerfaust 3 und RGW-90 Matador, die Kiew direkt bei der Industrie bestellt haben soll. Dazu kommen schultergestützte Flugabwehrraketen der Typen Stinger und Strela-2.
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