Nachfolge von Nancy PelosiMcCarthy auch im dritten Anlauf ohne Mehrheit
Der neue US-Kongress ist zur Wahl des Sprechers des Repräsentantenhauses zusammen gekommen. Die Sitzung wird überschattet von bitteren Machtkämpfen der Republikaner.
Der Republikaner Kevin McCarthy hat auch im dritten Anlauf die Wahl zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses verloren. Das Ergebnis der zweiten Abstimmung musste allerdings noch von der Leiterin der Sitzung offiziell bestätigt werden. Zuvor hatte McCarthy bereits im ersten Wahlgang eine historische Schlappe erlitten – es war das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl mehr als ein Anlauf nötig war und eine Fraktion ihrem Kandidaten im ersten Durchgang die Gefolgschaft verweigert hat.
McCarthy kam im ersten und zweiten Durchgang bei der mündlichen Abstimmung lediglich auf 203 von 434 abgegebenen Stimmen – 218 hätte er gebraucht. 19 Parteikollegen verweigerten ihm in beiden Anläufen die Stimme. Zuvor war erwartet worden, dass gut ein Dutzend Parteikollegen nicht hinter ihm stehen würden. Im dritten Wahlgang ging ihm noch eine weitere Stimme aus den eigenen Reihen verloren. Das US-Repräsentantenhaus hat die Sprecherwahl nun nach drei gescheiterten Anläufen vertagt.
Im ersten Wahlgang lehnten sich 19 Parteikollegen gegen McCarthy auf, verweigerten ihm die Unterstützung und gaben anderen Kandidaten ihre Stimme. Nun stimmten bei der zweiten mündlichen Abstimmung wieder 19 Kollegen nicht für den 57-Jährigen. Die Stimmen gingen stattdessen allesamt an den republikanischen Abgeordneten Jim Jordan. Dieser hatte zuvor McCarthy für den zweiten Wahlgang nominiert und seinen Parteikollegen ins Gewissen geredet, die Reihen zu schliessen. Allerdings holte direkt im Anschluss einer der härtesten Gegner McCarthys, der Parlamentarier Matt Gaetz, zum Schlag aus – und nominierte Jordan. Jordan ist ein Getreuer von Ex-Präsident Donald Trump.
Noch ist offen, wie viele Abstimmungen notwendig sein werden, um einen neuen Vorsitz für die Parlamentskammer zu wählen. Unklar ist auch, ob sich die Wahl über mehrere Tage ziehen wird. Für McCarthy ist das eine öffentliche Blossstellung – sie zeigt auch die Zerrissenheit der Republikaner. Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl mehr als ein Anlauf nötig ist und eine Fraktion ihrem Kandidaten im ersten Durchgang die Gefolgschaft verweigert. Im Jahr 1923 waren neun Wahlgänge nötig, um einen Vorsitzenden zu bestimmen. Damals dauerte das Ganze mehrere Tage.
Dritthöchstes Amt in der US-Politik
Nach den Parlamentswahlen im November kam der Kongress am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zusammen. Die Republikaner übernahmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus – im Senat haben die Demokraten von Präsident Joe Biden weiter eine knappe Mehrheit. Der Start der neuen Legislaturperiode wurde dabei überschattet von dem erbitterten internen Kampf der Republikaner um die Führung im Repräsentantenhaus.
Nun verzögert das interne Aufbegehren die Vorgänge empfindlich. Die Wahl des Vorsitzenden ist die erste grosse Amtshandlung eines neu gewählten Repräsentantenhauses. Und bis der Vorsitz geklärt ist, geht gar nichts: Die Kongresskammer kann nicht ihre Arbeit aufnehmen, nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden.
McCarthy hatte sich kurz vor der Sitzung kämpferisch gegeben und gesagt: «Ich halte den Rekord für die längste Rede im Plenum.» Er habe kein Problem damit, einen Rekord aufzustellen für die meisten Wahlgänge bei einer Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus.
Gespaltene Republikaner
Das könnte lange dauern. Jeder Wahlgang ist langwierig, weil alle Abgeordneten einzeln aufgerufen werden, um ihren Wunsch-Kandidaten zu benennen. Auch wenn sich McCarthy am Ende durchsetzen sollte, wird er geschwächt aus dem Gerangel hervorgehen und muss sich in den kommenden Jahren auf einige Schwierigkeiten einstellen bei der Organisation von Mehrheiten in der Kongresskammer.
Die Rebellion gegen ihn kam nicht überraschend, sondern bahnte sich über Wochen an. Fünf Parteikollegen hatten früh öffentlich angekündigt, gegen McCarthy zu stimmen. Später meldeten weitere Republikaner Widerstand an. McCarthy versuchte, hinter den Kulissen interne Kritiker durch allerlei Zugeständnisse zu besänftigen – erfolglos.
McCarthy legte am Dienstag sichtlich verärgert offen, am Montag sei ihm gesagt worden, er werde nur die nötigen Stimmen bekommen, wenn er bestimmte Mitglieder der Fraktion mit bestimmten Ämtern und Etats versorge. Einer seiner Gegner, der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz, habe sogar unverblümt gesagt, ihm sei es egal, wenn im Zweifel der Kandidat der Demokraten die Wahl gewinne. Seinen Gegnern gehe es allein um das persönliche Fortkommen, nicht um das Land. «Ich werde immer dafür kämpfen, dass das amerikanische Volk an erster Stelle steht – nicht ein paar einzelne, die etwas für sich selbst durchsetzen wollen», sagte er. Es werde deshalb vielleicht eine «Schlacht» im Plenum der Kammer geben, aber dabei gehe es um die gesamte Fraktion und das Land, «und das ist ok für mich».
Die Republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus ist wie die gesamte Partei zerrissen zwischen rechtsgerichteten Anhängern des Ex-Präsidenten Donald Trump und moderateren Parteimitgliedern. Angesichts der nur knappen Mehrheit muss McCarthy die verschiedenen Flügel hinter sich vereinen und selbst Mitglieder vom äussersten Rand seiner Fraktion für sich gewinnen, um Vorsitzender zu werden.
SDA/oli/step
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