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«Abzocke» bei Prämiengeldern
Bund will Millionengeschäft mit teuren Beatmungsgeräten stoppen

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«Der Markt mit diesen Geräten ist mafiös»

«Mit solchen ‹Deals› im Gesundheitssektor werden wir Prämienzahler übers Ohr gehauen»

«Eine massive, unverhältnismässige Abzocke»

Unsere Recherche zu einem krassen Fall von Geldverschwendung im Gesundheitswesen hat starke Reaktionen ausgelöst. Es ging um Geräte zur Behandlung von Schlafapnoe. Statt  die Apparate zu kaufen, werden sie oft über Jahre gemietet – für ein Vielfaches des Neupreises. So bezahlte die Krankenkasse eines Seniors bisher 23’000 Franken für ein Gerät, das neu rund 7000 kostet.

Es ist ein lukratives Geschäft, an dem Medizinalfirmen, Lungenärzte und auch die Schweizer Lungenligen mitverdienen. Allein der Versicherer CSS gab in den letzten zwölf Jahren mehr als 100 Millionen Franken für Gerätemieten aus.

Über 200 Leserinnen, viele betroffene Patienten und Experten reagierten auf die Berichterstattung. «Solche Beispiele sind absolut absurd», sagt zum Beispiel Stefan Meierhans, Preisüberwacher des Bundes. Er verlangt jetzt rasches Handeln von den Versicherern und vom Bundesamt für Gesundheit.

Apparate deutlich günstiger im Ausland

Das BAG müsse die Mietdauer für die Schlafapnoe-Geräte auf sechs Monate begrenzen, danach wäre ein Kauf erforderlich. Auf Anfrage sagt das Bundesamt, man prüfe diesen Punkt jetzt mit Expertinnen und Experten. 

Vor allem fordert Meierhans, dass die Krankenkassen auch dann die Kosten für die Beatmungsgeräte übernehmen, wenn Patienten sie im Ausland einkaufen, wo die Apparate deutlich günstiger zu haben sind. «Der Bundesrat wollte dies schon im Herbst 2021 ändern», sagt der Preisüberwacher. «Aber es funktioniert bis heute nicht, und ich frage mich schon: Wann wird diese Massnahme endlich umgesetzt?» 

Tatsächlich hat der Bundesrat bereits im September 2021 einen Bericht zum Thema publiziert. Auf Anfrage sagt das BAG, man werde jetzt die Vorbereitungsarbeiten zur Umsetzung an die Hand nehmen. «Eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage ist für das zweite Halbjahr 2024 vorgesehen.» 

Fast unmöglich, die Preise zu kennen

Schliesslich verlangt Meierhans mehr Transparenz für Patientinnen und Patienten. Der Preisüberwacher analysierte die Situation schon 2016. «Um die tatsächlichen finanziellen Vorteile abzuschätzen, müsste die versicherte Person den Marktpreis eines ausgewählten Modells mit den Mietpreisen vergleichen», heisst es im Bericht von damals. Doch diese Preise ausfindig zu machen, sei für Versicherte sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.

«Leider hat sich daran bis heute nichts geändert», sagt Meierhans jetzt. «Regelmässig melden sich Leute bei uns, die ihre Rechnungen und die verschiedenen Modelle nicht verstehen, weil die Transparenz nach wie vor fehlt.» Für den Preisüberwacher belegt das teure Mietgeschäft mit Atemgeräten, «dass an verschiedenen Stellen in unserem Gesundheitssystem der Wille fehlt, Kosten einzusparen».

Stefan Meierhans, der Schweizer Preisueberwacher, spricht waehrend der Jahresmedienkonferenz, am Montag, 2. Maerz 2020 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Da sind zum Beispiel die Krankenkassen, welche die Mieten für die Beatmungsgeräte vergüten. Mehrere Leserinnen und Leser kritisieren, dass sich ihre Versicherung kaum für die billigere Kaufoption interessiert habe. Etwa ein 73-jähriger Pensionär, dessen Miete für ein Beatmungsgerät jedes Jahr über 2700 Franken verschlang.

Weshalb man den Apparat nicht einfach kaufe, wollte der Rentner von seiner Kasse wissen. Die Antwort des Kundenberaters, die dieser Redaktion vorliegt: «Der Gesundheitsmarkt ist eine Fehlkonstruktion. Die Politik ist handlungsunfähig. Das System ist ineffizient. Profiteure können sich durchsetzen.» Für die Tarife und somit für weitere Fragen sei das Bundesamt für Gesundheit zuständig, schrieb die Kasse. 

Auch Felix Huber (Name geändert) erhielt keine Hilfe von seiner Versicherung. Bei ihm beträgt die monatliche Miete 46 Franken. Eine kostspielige Sache, zumal er erst Mitte 40 ist und das Gerät wohl noch Jahrzehnte brauchen wird. «Aufgrund des Artikels habe ich letzte Woche meiner Krankenkasse geschrieben», sagt Huber. Diese antwortet prompt: Einen Kauf könne man nicht vergüten. Was nicht stimmt. Gemäss Tarif muss die Krankenversicherung bei seinem Modell bis zu 1200 Franken des Kaufpreises übernehmen. Huber findet die falsche Angabe seiner Kasse «schon sehr frech», wie er sagt. «Es ist leider so, dass niemand im System sparen möchte.»

Ob Miete oder Kauf, wird von Ärzten bestimmt

Laut Santésuisse, dem Verband der Krankenversicherer, kann es sein, dass die Krankenkassen in Einzelfällen stärker auf kostengünstige Alternativen hinweisen könnten. «Aber insgesamt kämpfen wir seit Jahren dafür, dass die Tarife gesenkt werden», sagt Chefökonom Christoph Kilchenmann. So konnte bei Beatmungsgeräten 2021 bereits eine Reduktion erreicht werden. «Ich gehe davon aus, dass die Versicherer nun das Verbesserungspotenzial weiter prüfen und auf eine weitere Senkung drängen.»

Kilchenmann sieht das BAG mit weiteren Tarifsenkungen, aber auch die Abgabestellen und die Mediziner in der Verantwortung. «Den zentralen Kontakt mit dem Patienten haben die Ärztin und der Arzt. Sie verschreiben die Produkte. Also muss man nun vor allem dort genau hinschauen.» 

Dazu sagt Thomas Sigrist, Chefarzt der Klinik Barmelweid AG und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie: «Jede einzelne Ärztin oder jeder einzelne Arzt ist in seiner Entscheidung frei, Miete oder Kauf zu verordnen, und richtet sich nach den Bedürfnissen der Patientin oder des Patienten.» Der Verband sei unter anderem für den Ausbau der Forschung, Lehre und Praxis zuständig. «Wir beurteilen nicht die Wirtschaftlichkeit von medizinischen Leistungen.» Dafür seien das BAG und das Department des Innern zuständig.

Middle Aged Woman in her Fifties Sleeping Peacefully in Her Bed Using a CPAP Machine to Provide Therapy for Sleep Apnea

Dass die Beatmungsgeräte nur selten verkauft, sondern meist vermietet werden, hat laut der Lungenliga Schweiz verschiedene Vorteile. So könne man den Patientinnen und Patienten eine fachlich ausgewiesene Beratung und eine aktive Betreuung anbieten. Dies sei besonders zu Beginn der Therapie wichtig. Zudem betont die Lungenliga, dass der Entscheid, ob ein Gerät gemietet oder gekauft werde, am Ende bei den Patienten liege.

Einige von ihnen nehmen die Sache nun in die eigene Hand. Auch wenn sie das Geld kostet. «Die Mietkosten für mein Gerät waren viel zu hoch, über 540 Franken jedes Jahr», sagt ein Patient. «Darum habe ich mir das genau gleiche Gerät nun selber im Ausland gekauft, für 620 Euro.» Bei einem Kauf in der Schweiz hätten die Kassen bis zu 1200 Franken für dieses Gerät vergütet. Doch weil es der 49-Jährige im Ausland bezog, erhält er keinen Rappen zurück. Das sei ihm egal, sagt der Betroffene. Er wolle diesen «Wahnsinn» mit überhöhten Preisen nicht mitmachen. «Ein Auto, das 15’000 Franken kostet, mietet man ja auch nicht für 10’000 Franken im Jahr.»