Schikanen im Südchinesischen Meer Die Philippinen lassen sich nicht von China provozieren
Peking beansprucht ein Seegebiet und legt schwimmende Barrieren an. Doch Manila lässt sich nicht einschüchtern.
Von allen militärischen Aussenposten, die Staaten in die Welt setzen, ist der rostige Rumpf der Sierra Madre einer der bizarrsten. Ein sorgfältig platziertes Schiffswrack, inmitten des Südchinesischen Meeres. Manche mögen sich lustig darüber machen, dass ein Haufen Schrott als Symbol für den ganzen Stolz einer Nation dient. Aber die Philippiner machen darüber keine Witze. Viel zu ernst ist die Lage, dort draussen auf See.
Das marode Kriegsschiff haben die philippinischen Streitkräfte schon vor 24 Jahren auf das Riff mit dem Namen Second Thomas Shoal geschleppt. Eine kleine Zahl Soldaten halten dort Wache, umtost von Wasser, Wind und manchmal Sturm. Die Sierra Madre ist gewissermassen ein Leuchtturm philippinischer Resilienz. Das Schiff steht für eine Botschaft: Manila lässt sich nicht unterkriegen von der chinesischen Übermacht.
Streit um Riff verschärft Spannungen
Neben Vietnam sind es vor allem die Philippinen, die angesichts der ausgreifenden territorialen Ansprüche Pekings am meisten zu verlieren haben. Die neueste Schikane aus dem Werkzeugkasten chinesischer Einschüchterungspolitik: schwimmende Barrieren, die offenbar dazu dienen, philippinische Fischerboote von einem umstrittenen Seegebiet, dem Scarborough-Riff, fernzuhalten.
Der Streit verschärft die Spannungen zwischen Manila und Peking deutlich. Wie er beizulegen wäre, ohne Gesichtsverlust des einen oder des anderen, weiss niemand.
Manila jedenfalls will nicht zurückstecken: Auf Anordnung von Präsident Ferdinand Marcos Jr. haben Taucher die ausgebrachte Bojenkette inzwischen gekappt, weil sie die Fischer behindere und gefährde. Dazu erklärte Jay Tarriela von der philippinischen Küstenwache, man werde alles tun, um eine Präsenz in dem Seegebiet aufrechtzuerhalten. «Wir haben der ganzen Welt gezeigt, dass das philippinische Volk nicht einknickt», zitierte ihn die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag.
Deutliche Warnungen aus Peking
Nun wächst in der Region die Nervosität, wie China reagiert. Am Montag hatte der Sprecher des Aussenministeriums erklärt, dass Huangyan Dao – so nennt China das Riff – «schon immer Chinas Territorium gewesen ist». Und heute Dienstag schob Peking eine deutliche Warnung hinterher: Die Philippinen sollten aufhören, «Ärger zu machen und zu provozieren».
Marcos hat inzwischen das historische Bündnis und den Verteidigungspakt mit den USA bekräftigt, kämpft aber auch mit dem Problem, dass die Asean-Staaten keine gemeinsame Haltung finden, um China die Stirn zu bieten. Die Lage ist vertrackt: Taiwan, Vietnam, Brunei, Malaysia, sie alle rivalisieren mit Peking um Seegebiete. Teils haben sie auch untereinander überlappende Ansprüche.
Der jüngste Vorfall setzt eine Serie von Konfrontationen fort, die das Verhältnis zwischen China und den Philippinen seit Jahren belasten. Präsident Marcos gibt nun den Entschlossenen. Auch die Mehrheit der Philippiner will gemäss einer Umfrage nicht kuschen vor Peking, das mit seinen maritimen Ansprüchen eine chronische Krise im Südchinesischen Meer ausgelöst hat.
China beruft sich auf «historische Rechte»
Zugleich vertritt Peking Maximalansprüche. China beruft sich dabei auf angebliche «historische Rechte» und reklamiert nahezu das gesamte Südchinesische Meer für sich. Um das Scarborough-Riff, das traditionell von Fischern mehrerer Länder genutzt wird, gab es schon früher heftige Auseinandersetzungen.
Die Philippinen riefen vor zehn Jahren den Schiedshof in Den Haag an, um prüfen zu lassen, inwieweit Chinas Forderungen mit internationalem Recht vereinbar sind. Die juristische Prüfung ergab, dass Chinas Ansprüche haltlos seien, allerdings hat Peking die Zuständigkeit des Schiedshofs nie anerkannt.
Das Wrack der Sierra Madre etwa betrachtet China als Dauerprovokation und fordert, dass es entfernt werden müsse. Dass das Second Thomas Shoal eindeutig in der sogenannten Exclusive Economic Zone der Philippinen liegt – was diesem Staat gemäss internationalen Recht die exklusive Nutzung zusichert –, scheint China nicht weiter zu interessieren.
Auch das ist ein Signal an Peking: Die Sierra Madre sitzt im Riff, um zu bleiben.
Als philippinische Boote im August versuchten, den Soldaten auf dem Wrack Nachschub zu liefern, sollen chinesische Schiffe mit Wasserwerfern das Entladen verhindert haben – so stellte Manila es dar. Zwei Wochen später liess Peking die Versorgung des Postens dann offenbar doch zu, «aus humanitären Gründen», wie es in Peking hiess. Das klang gönnerhaft, machte aber klar, dass China das Riff weiterhin beansprucht – Sierra Madre hin oder her.
Den rostigen Kahn abschleppen? Keine Option, versicherte Marcos. Die Philippinen hatten das Schiff 1999 absichtlich auf das Riff gesetzt, um Manilas Souveränitätsanspruch zu festigen. Die Sierra Madre gehörte lange der US-Marine, war schon im Zweiten Weltkrieg und im Vietnamkrieg im Einsatz, Manila erwarb sie 1976.
Würde das frühere Kriegsschiff zerlegt oder fortgeschleppt, käme das einer Kapitulation der Philippinen gleich. Stattdessen soll das Wrack renoviert und ausgebaut werden, damit die Soldaten es an Bord besser aushalten können. Und auch das ist ein Signal an Peking: Die Sierra Madre sitzt im Riff, um zu bleiben.
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