Ticker zu Weltklasse ZürichDuplantis mit Flugshow – Kambundji mit Kompliment ans Publikum
26 Finals an einem Abend, die Schweizerinnen mittendrin: So war das Zürcher Meeting.
Für ein Meeting zum Saisonende zeigten sich die Besten nochmals in relativer Frische. Immerhin drei Weltbestleistungen – 400 m der Frauen, 800 m und 1500 m der Männer – waren am Donnerstag bei Weltklasse Zürich zu erleben. Die 25'000 Zuschauer nahmen sie im ausverkauften Stadion dankend an. Emotionaler Höhepunkt war jedoch der Auftritt von Mujinga Kambundji über 200 m zum Ende von Weltklasse.
Die rasante Bernerin sorgte zusammen mit 9 Kolleginnen beziehungsweise Kollegen für entsprechende Swissness im Hauptprogramm – und bedankte sich für die «unglaubliche Stimmung» im Letzigrund. Als Fünfte war sie allerdings ebenso chancenlos wie Simon Ehammer, der im Weitsprung auf Rang 5 landete. Das Abschneiden der beiden passte zum Zürcher Abend: Er war gut, aber selten wirklich prickelnd.
Trotzdem heisst es natürlich: Nach Weltklasse Zürich ist vor Weltklasse Zürich. In diesem Sinn: bis zum nächsten Mal im 2023.
Stab Männer
Auch ein Champion und Dauersieger wie Armand Duplantis kann mal einen ganz miesen Tag im Büro einziehen. Darum wurde er zuletzt in Brüssel doch tatsächlich bezwungen (nach einem Jahr). In Zürich wandelte der Weltrekordhalter wieder in einer anderen Liga. 6,07 m sprang der US-Schwede – und damit so hoch wie noch kein Stabspringer je im Letzigrund.
200 m Männer
Weltmeister Noah Lyles ist kein Mann von kleinem Ego. Darum sieht er sich schon seit geraumer Zeit dafür prädestiniert, den Jahrzehnterekord von Usain Bolt (19,19) zu verbessern. Dass er an der WM schon einmal die Superzeit von Landsmann Michael Johnson um eine Hundertstel auf 19,31 Sekunden drückte, bestätigt ihn darin. Bei Weltklasse tilgt er immerhin Bolts Meetingrekord. Lyles wird in 19,52 Sekunden gestoppt.
Speer Männer
Die 90 Meter werden es für Neeraj Chopra nicht, die der Olympiasieger aus Indien so gerne übertreffen würde. Nach 88,44 m aber kann Chopra immerhin mit einem Sieg in die Saisonpause. Sie verbringt er die nächsten Tage in der Schweiz.
200 m Frauen
Bloss eine Frau lief die 200 m je schneller als die Jamaikanerin Shericka Jackson – Weltrekordhalterin Florence Griffith-Joyner (anno 1988). Jackson, in der Form ihres Lebens, hat darum auch im Finale keine Konkurrentin, die sie mehr als ein bisschen anspornen kann. Sie dominiert in 21,80 Sekunden. Mujinga Kambundji geht auf den letzten 30 Metern ein bisschen die Kraft aus. Die Bernerin muss sich mit Platz 5 begnügen (22,65), bedankt sich dafür für die «unglaubliche Stimmung».
Weitsprung Männer
Simon Ehammer kommt an diesem Abend in Zürich nie ins Fliegen. Bei drei seiner sechs Versuche übertritt er den Balken im Weitsprung. Bereits sein erster Satz auf 7,93 m ist sein bester. Das reicht dem Weitsprung-Zehnkämpfer nur zu Rang 5. Sieger wird der Grieche Tentoglou mit 8,42 m.
800 m Frauen
Lore Hoffmann läuft in Zürich wirklich gut – und in 1:59,69 Minuten bloss eine gute Sekunde über ihrer Topzeit. Im Feld der Besten des Jahres aber ist die Romande chancenlos. Sie wird Achte. Die Kenianerin Mary Moraa gewinnt in 1:57,63.
400 m Hürden Männer
Wo der Brasilianer Alison Dos Santos in diesem Jahr auch antritt, er gewinnt. Das hängt mit seiner superben Form zusammen – und dem rekonvaleszenten Weltrekordhalter Karsten Warholm. In Zürich fehlt der Norweger, weil er aufgrund seiner langen Verletzungspause zu wenige Punkte fürs Finale hat sammeln können. Darum ärgerte sich Warholm sehr öffentlich über den Modus. Dos Santos war es egal. Er nutzte den Letzigrund für ein weiteres Schaulaufen in diesem Jahr in rasanten 46,98 Sekunden.
400 m Hürden Frauen
Femke Bol ist die Gegenwart und Zukunft ihrer Disziplin aus Europa. Die gross gewachsene Niederländerin (1,84 m) mag erst 22 Jahre jung sein, hat aber schon an Spielen, WM und EM vom Podest gewunken. Trainiert wird Bol vom Schweizer Laurent Meuwly – dem früheren Coach von Lea Sprunger. Diese erfolgreiche niederländisch-schweizerische Kooperation überzeugt auch in Zürich: Bol siegt in 53,03 Sekunden – trotz Patzer an der letzten Hürde.
100 m Männer
Seit dem Rücktritt von Usain Bolt fehlt der vermeintlichen Königsdisziplin der Leichtathletik eine Figur, die über die Szene hinaus bekannt ist. So war der interessanteste Mann in Zürich Yupun Abeykoon aus Sri Lanka. Der 27-Jährige lief in der Höhe von La Chaux-de-Fonds in diesem Sommer rasante 9,96 Sekunden – und rückte sein Land auf die Karte des Weltklassesprints. Als Fünfter in 10,14 Sekunden war er bei Weltklasse immerhin solider Statist. Der Amerikaner Trayvon Bromell siegte in 9,94.
Applaus für Spirig
Eigentlich ist Nicola Spirig ja Triathletin. Im Letzigrund aber erhält die 40-Jährige, eine der besten Schweizer Athletinnen je, eine Bühne. Denn die Olympiasiegerin von 2012 (und Athletin des LC Zürich) wird ihre Karriere am übernächsten Samstag mit dem Greifenseelauf beenden. Entsprechend innig ist der Applaus.
3000 m Steeple Männer
Über Jahre galt in dieser Disziplin die Frage, welcher Kenianer nun siegen würde. Der Marokkaner Soufiane El Bakkali jedoch hat dafür gesorgt, dass es nun heisst: Und wer läuft nach El Bakkali ins Ziel? In Zürich kein Kenianer, sondern der Äthiopier Getnet Wale.
100 m Frauen
Das Meeting von Lausanne hatte Shelly-Ann Fraser-Pryce wegen einer leichten Oberschenkelverletzung noch auslassen müssen (und war dann um 1 Hundertstel in Brüssel bezwungen worden). In Zürich aber trommelte die 1,53 m kleine Sprint-Grösse wieder ihren bekannten Frequenzschritt auf die Bahn – 10,65 Sekunden und Meetingrekord (bei Gegenwind von 0,8 m/s).
36-jährig wird die 10-fache Weltmeisterin doch auch schon im Dezember. Während normale Menschen mit dem Altern langsamer werden, wird die Jamaikanerin hingegen schneller.
1500 m Männer
Jakob Ingebrigtsen hat mit 21 Jahren schon alle Titel gewonnen. Da kann es einem natürlich etwas langweilig werden. Darum denkt der Super-Norweger laut darüber nach, an den kommenden Spielen gleich über 1500 m, 5000 m und 10’000 m zu starten. Doch selbst der Jungspund kennt Grenzen: An der WM bezwang ihn doch tatsächlich der Brite Jake Wightman. Ingebrigtsen war gar nicht happy. In Zürich strahlt er nun. Ein ultraschnelles Tempo will er vom Pacemaker sehen, zieht mit und stürmt zur Jahresweltbestzeit von 3:29,02 Minuten. Nebenbei holt er sich noch eine Trophäe, die ihm bislang fehlte: den Pokal als Disziplinensieger der Diamond League.
110 m Hürden
Zur letzten Hürde hin wird es noch einmal knapp, weil Weltmeister und Schnellstarter Grant Holloway (USA) etwas die Power ausgeht. In 13,02 Sekunden aber wirft er sich 4 Hundertstel vor Rasheed Broadbell (JAM) ins Ziel. In seinem Rücken beklagt Jason Joseph einmal mehr ein suboptimales Rennen. Statt zu glänzen, muss sich der Basler mit 13,54 Sekunden (Bestleistung: 13,12) und Platz 6 begnügen. Muss man sagen, dass er unzufrieden ist?
3000 m Steeple
Die Blumen werden Chiara Scherrer schon in die Hand gedrückt, da liegt die Schweizerin noch ausgepowert auf der Bahn. In 9:34,52 Minuten bleibt sie deutlich über ihrer Bestzeit von 9:20,28. Die Äthiopierin Werkuha Getachew gewinnt im Schlussspurt. Blumen gibts auch für sie.
100 m Hürden
Die Weltrekordhalterin dominiert das Rennen praktisch ab der ersten Hürde: Die Nigerianerin Tobi Amusan siegt in schnellen 12,29 Sekunden locker, offenbart, dass der WM-Titel im Juli keineswegs ein Ausreisser war. Die Bernerin Ditaji Kambundji muss sich mit Platz 9 begnügen. Die 20-jährige Saisonaufsteigerin startet bescheiden und kommt auch danach nie in den Flow (13,22). Sie nimmts vor 25'000 Zuschauern ziemlich gelassen.
400 m Männer
Im Reigen der Grossen ist Ricky Petrucciani noch der Aussenseiter. Der 22-jährige Tessiner, EM-Zweiter von München, hält aber gut mit, wird in 45,31 Sekunden (Bestzeit: 45,02) immerhin Fünfter. Am Montag wird er die Saison mit dem Meeting von Bellinzona abschliessen. Schnellster in Zürich ist Saisondominator Kirani James in 44,26. Weltrekordhalter Wayde van Niekerk musste bereits im Vorprogramm ran (44,39).
400 m Frauen
Der Auftakt ist gesetzt – und wie: Marileidy Paulino stürmt zu 48,99 Sekunden über 400 m. Es ist bereits die erste Jahresweltbestleistung dieses Weltklasse-Abends.
10 Schweizer am Start
Die 25’000 Plätze im Letzigrund sind seit vergangener Woche ausverkauft – das dürfte auch viel damit zu tun haben, dass auch zehn Schweizer Athletinnen und Athleten und darunter alle EM-Medaillengewinner am Start sind. Angeführt von Europameisterin Mujinga Kambundji, die sich auf die 200 m konzentriert, haben einige eine Wild Card erhalten. Simon Ehammer, der an der EM Silber im Zehnkampf und an der WM Bronze im Weitsprung gewann, duelliert sich noch einmal mit dem griechischen Weitsprung-Olympiasieger Miltiadis Tentoglou. Auch Siebenkämpferin Annik Kälin, an der WM Sechste und an der EM mit der Bronzemedaille, tritt im Weitsprung an – mit 6,73 m ist sie jüngst ganz nah an den Schweizer Rekord (6,84 m) gesprungen. Ähnlich Ricki Petrucciani, der EM-Silbergewinner über 400 m: In München verpasste er den Schweizer Rekord in 45,03 um nur vier Hundertstel – was ist mit der Stimmung im Letzigrund möglich?
Falls Sie sich mit weiteren Texten auf den Abend einstimmen möchten, seien diese empfohlen: Das verrückte Leben von Neeraj Chopra. Der Inder ist der erste Leichtathletik-Olympiasieger des Landes. Der Speerwerfer wird vor Begeisterung fast erdrückt, was sich auf sein Gewicht und Gemüt auswirkte.
Meine Kollegin Monica Schneider ging der Frage nach, ob sich diese goldene Schaffensphase in der Schweizer Leichtathletik auch finanziell auswirkt. Hier sind ihre Erkenntnisse.
Und noch dieser Text: Alison Dos Santos, Weltmeister über 400 m Hürden und grosser Favorit in Zürich, ist auf und neben dem Platz eine auffällige Figur. Warum, erfahren Sie hier.
30’000 Dollar für die Siegerinnen
Bevor ab 19.04 Uhr ein Höhepunkt auf den anderen mit 26 Disziplinen folgt, hier zentrale Facts und Figures: Weltklasse Zürich ist zum zweiten Mal nach 2021 das zweitägige Finale der Diamond-League-Serie – für viele nach einer langen Saison mit WM, den Commonwealth Games und der EM. Fürs Finale sind nur die Besten dieser Serie qualifiziert, so mit Shelly-Ann Fraser-Pryce (JAM) die derzeit schnellste Frau und fünffache Weltmeisterin über 100 m, mit Mondo Duplantis (SWE) der überragende Stabspringer der letzten Jahre oder mit Jakob Ingebrigtsen (NOR) der erst 21-jährige Olympiasieger (1500 m) und Weltmeister (5000 m). Wie immer beim Finale gilt: Wer den Wettkampf gewinnt, sichert sich die 30’000 Dollar als Bester der Disziplin.
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