Spektakuläre EntdeckungForscher finden 128 neue Saturn-Monde, jetzt ist die Mythologie gefragt
Mit 274 Monden hat der Ringplanet fast doppelt so viele wie alle anderen Planeten zusammen. Aus Zahlen und Buchstaben müssen noch «richtige» Namen werden.

- Saturn hat jetzt 274 Monde, 128 mehr als zuvor bekannt.
- Die neuen Monde sind klein und könnten aus Kollisionen stammen.
- Technologische Hürden verhindern die Suche nach weiteren Saturnmonden.
- Zur Benennung der Monde wird nach Namen aus der nordischen Mythologie gesucht.
Saturn wird nicht nur von einem mächtigen Ring umgeben, sondern auch von 274 Monden. Das sind 128 Monde mehr als bislang bekannt. Die Entdeckung gelang einem Team von Astronomen aus Taiwan, Kanada, den USA und Frankreich. Die Forschenden nutzten das sogenannte Canada-France-Hawaii-Telescope auf dem Vulkan Mauna Kea auf Hawaii.
Das Team beobachtete den Gasplaneten im äusseren Sonnensystem zwischen 2019 und 2021. Dabei identifizierte es zunächst 64 neue Monde. In der Hoffnung, mit derselben Beobachtungstechnik noch mehr Trabanten zu entdecken, führten die Astronomen 2023 weitere Beobachtungen durch. «Und tatsächlich haben wir 128 neue Monde gefunden», sagt der leitende Forscher Edward Ashton vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taipeh.
Für Jupiter wohl uneinholbar
Den bisherigen Rekord, was die Anzahl Monde angeht, hielt davor der innere Nachbarplanet Jupiter. Derzeit sind 95 Monde bekannt, die den mit Abstand grössten Planeten im Sonnensystem umkreisen. Der nach dem Göttervater benannte Planet wurde erst Anfang 2023 zum mondreichsten. Jahrzehntelang war Saturn schon zuvor Rekordhalter. Als Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre die US-Raumsonden Pioneer 10 und 11 und Voyager I und II Fotos von Saturn und seinen Monden machten, waren gerade einmal 17 Monde bekannt.
«Basierend auf unseren Prognosen glaube ich nicht, dass Jupiter uns jemals einholen wird», sagt Saturnmond-Entdecker Ashton. Der erste bekannte Saturnmond Titan, der grösser ist als der Erdmond, wurde bereits 1655 vom niederländischen Astronomen Christiaan Huygens entdeckt. Bei den nun neu hinzugekommenen handelt es sich um irreguläre Monde. Das heisst, es sind eingefangene Himmelskörper wie Asteroiden. Die Brocken besitzen keine Kugelgestalt und wurden von der Anziehungskraft des Gasplaneten in Umlaufbahnen gezwungen.
«Diese Monde sind einige Kilometer gross und wahrscheinlich allesamt Fragmente einer kleineren Anzahl ursprünglich eingefangener Monde, die durch heftige Kollisionen entweder mit anderen Saturnmonden oder mit vorbeiziehenden Kometen auseinandergebrochen sind», sagt Brett Gladman von der kanadischen University of British Columbia.

Ein Rätsel motivierte die Astronomen, nach neuen Saturnmonden zu suchen: Die Frage, warum es um die Ringwelt so viele kleine Monde gibt. Es gibt die Vermutung, dass es in astronomisch gesprochen jüngerer Vergangenheit – also in den letzten 100 Millionen Jahren – eine Kollision gab. Andernfalls wären die Brocken längst zusammengestossen und in tausend Stücke gesprengt worden, sagt Gladman. Der Astrophysiker erhofft sich vom Studium der neu entdeckten Monde Aufschluss über die Herkunft aller kleinen Saturnmonde.
Das Verständnis des Systems der vielen Satelliten könnte auch dazu beitragen, mehr über den Ursprung der Saturnringe zu erfahren. Forschende vermuten seit langem, dass diese durch ehemalige Monde entstanden sind, die durch den Einfluss der Schwerkraft des Planeten auseinandergerissen wurden.
Namen von Inuit- oder Wikinger-Göttern
Die Wissenschaftler verwendeten zur Identifizierung der Monde eine Technik, bei der sie aufeinanderfolgende Bilder aufnahmen, die sie übereinanderlegten. Das Forscherteam plant keine weitere Suche nach Saturnmonden. «Ich glaube nicht, dass wir mit der aktuellen Technologie viel mehr erreichen können als das, was bereits für die Monde um Saturn, Uranus und Neptun erreicht wurde», sagt Ashton.
Die neu entdeckten Monde sind diese Woche von der Internationalen Astronomischen Union offiziell anerkannt und mit Zahlen und Buchstaben benannt worden. Sie werden aber noch «richtige» Namen erhalten: Beim Saturn erfordert es die Konvention der Astronomenvereinigung, dass die Namen aus der gallischen, der nordischen oder der kanadischen Inuit-Mythologie stammen.
Sonde am Mittwoch bei Deimos
Bereits kommenden Mittwoch dürften weitere Details über einen fernen Mond bekannt werden: Die Sonde Hera der Europäischen Raumfahrtagentur ESA wird an Mars und Deimos vorbeifliegen, dem kleineren der beiden Marsmonde. Danach wird Hera, die Teil der Dart-Mission ist, weiter zum Asteroidenduo Didymos-Dimorphos reisen, wo sie die Auswirkungen des absichtlich herbeigeführten Einschlags der Nasa-Sonde Dart untersuchen soll.
Fehler gefunden?Jetzt melden.