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Nawalny-Verteidiger in Haft
Eingesperrt, weil er seinen Job gemacht hat

Er hat sich unabhängig von Alexei Nawalny einen Namen als Anwalt gemacht: Alexei Lipzer hinter Gittern vor Gericht.
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Er kennt die Gerichtssäle Moskaus mit ihren Käfigen und Glaskästen, in die seine Mandanten gesperrt wurden. Als ihr Verteidiger stand Alexei Lipzer stets auf der anderen Seite, man kennt diese Bilder: Durch das Glas, die Stäbe tauschen die Verteidiger noch ein paar Worte mit den Inhaftierten, dann beginnt der Prozess. Wie muss sich Alexei Lipzer gefühlt haben, als er plötzlich selbst im Käfig sass?

Er ist dort gelandet, weil er seinen Job gemacht und Alexei Nawalny verteidigt hat, allerdings ist das Monate her. Seiner Familie zuliebe habe der 36-Jährige den weiten Weg zur Strafkolonie nicht mehr so häufig fahren wollen, hatte Nawalny diese Woche selbst vor Journalisten gesagt. Nawalny stand wieder mal vor Gericht und hatte gerade erfahren, dass Lipzer mit zwei weiteren seiner Verteidiger verhaftet worden war. «Es stellt sich heraus, dass sein Kind erst ein Jahr alt ist? Und noch eine schwangere Frau. Armer Kerl ...», soll Nawalny über Lipzer gesagt haben.

Die Ermittler werfen den Verteidigern vor, Nachrichten zwischen Nawalny und seinem Team überbracht zu haben.

Stimmt fast. Lipzer hat eine zweijährige Tochter, und ob seine Frau Mila ein weiteres Kind erwartet, ist nicht bestätigt. Sein langjähriger Freund, der Journalist Pawel Kanygin, hat einen Text über den Anwalt veröffentlicht und darin die stundenlange Wohnungsdurchsuchung bei der jungen Familie beschrieben. Frühmorgens hatten die Ermittler an die Tür geklopft. Vielleicht stand Lipzer deswegen im Jogginganzug im Anklagekäfig.

Die Ermittler werfen den Verteidigern vor, Nachrichten zwischen Nawalny und seinem Team überbracht zu haben. Weil Nawalnys Organisationen als «extremistisch» verboten worden seien, hätten sie sich strafbar gemacht. Absurd, schrieb Nawalny in einer Stellungnahme, seine Kommunikation im Lager werde überwacht und zensiert.

Familie prominenter Anwälte

Alexei Lipzer hat sich ganz unabhängig von Nawalny einen Namen als Anwalt gemacht. Sein wohl wichtigster Fall ist der der drei Schwestern Chatschaturjan, die jahrelang von ihrem Vater misshandelt, missbraucht und terrorisiert wurden, bis sie ihn 2018 töteten. Und zwar aus reiner Notwehr, davon ist Lipzer überzeugt.

Als der Prozess begann, gab Lipzer unserer Redaktion ein Interview in seinem Moskauer Büro, an einem langen Tisch, umgeben von vielen Akten. Er wirkte damals jung und ernst, zurückhaltend, aber engagiert. Sein erster grosser politischer Fall war der des Aktivisten Ildar Dadin, der wiederholt friedlich protestiert hatte. Dadin wurde im Straflager misshandelt, der oberste Gerichtshof hob seine Strafe schliesslich auf, er erhielt eine Entschädigung. Ein Erfolg seiner Verteidiger, der schon damals an ein Wunder grenzte.

Grossvater von Alexei Lipzer: Menschenrechtler Lew Ponomarjow.

Zu Lipzers Familie gehören mehrere prominente Anwälte. Seine Mutter Elena Lipzer etwa hat den damals mitangeklagten Compagnon von Michail Chodorkowski verteidigt, das Yukos-Vorstandsmitglied Platon Lebedew. Und sein Grossvater ist der bekannte Menschenrechtler Lew Ponomarjow, der in Russland selbst so oft festgenommen wurde, dass man zu zählen aufgehört hat.

Am Telefon beschreibt der Grossvater, der Russland inzwischen verlassen hat, seinen Enkel als ruhigen, erfolgreichen, eigenverantwortlichen Menschen, der öffentlich nie Emotionen zeige. «Er hat mich nie um Unterstützung gebeten», sagt Ponomarjow über seinen Enkel. «Es ist klar, dass wir befreundet sind und einander lieben.» Ansonsten verweist er auf den Text von Lipzers Jugendfreund Kanygin.

Kanygin und Lipzer haben sich mit 17 Jahren in einem «Harry Potter»-Fanclub kennen gelernt, so steht es in dem Text. Er habe ihn vergeblich zur Ausreise bewegen wollen, schreibt Kanygin, der als Journalist bereits im Exil lebt. Seinen Freund beschreibt er als kämpferisch, aber auch als jemanden, der oft das Glück hatte, schlechten Situationen mit einer Art «magischem Gespür» zu entkommen. Es hat ihn nun im Stich gelassen.