Rücktritt des KulttrainersDie hohe Kunst des Jürgen Klopp, sich normal zu geben
Der 56-jährige Deutsche verlässt im Sommer den FC Liverpool, weil ihm die Kraft ausgeht. Das überrascht nicht.
Schon einmal hatte Jürgen Klopp seinen Abschied vom FC Liverpool angekündigt. Es war im März 2022, als er sagte: «Mein Plan ist es, dass ich bis 2024 bleibe. Und dann heisst es: vielen Dank.» Danach wolle er reisen, das hatte er seiner Frau Ulla versprochen.
Ende April jenes Jahres war auf einmal alles anders. Auf einmal verlängerte der Deutsche den Vertrag um zwei Jahre bis 2026. Ulla hatte ihm eines Morgens gesagt, sie könne sich nicht vorstellen, Liverpool zu verlassen. «Was machst du als guter Ehemann, wenn deine Frau bleiben will?», erklärte er seine Kehrtwendung, «du bleibst!»
Jetzt ist Ende Januar 2024. Und jetzt sagt Klopp: «Ende Saison werde ich aufhören. Mir geht die Energie aus.» Emotional ist seine Videobotschaft, die am Freitagmorgen verbreitet wird. Eigentlich ist dieser Hinweis überflüssig, weil bei diesem Trainer immer alles emotional ist. Anders ist es nie gegangen, seit er am 8. Oktober 2015 in Anfield eingefallen ist.
Als er damals den Club übernahm, lag der zwar nicht gleich in Trümmern. Aber er gewann nichts mehr und war in seinem Selbstverständnis schwer erschüttert. Klopp betrat die Bühne und versprach Titel. Und er hat sie gewonnen: die Champions League 2019, die Premier League 2020, vor allem sie, weil sie mehr zählt als alles andere, nachdem die Fans dreissig qualvolle Jahre darauf gewartet hatten. Club-WM, FA-Cup und Ligacup sind dazugekommen.
Als sich die Journalisten vor Lachen kugelten
Dass Klopp nun geht, soll nicht überraschen. Seine Art, nicht nur eine Mannschaft, sondern gleich einen ganzen Club von dieser Dimension zu führen, kostet enorm Kraft. «Meine Fähigkeiten als Trainer beruhen auf Energie, Emotionen und Beziehungen», sagt er an diesem Freitag. Er spürt, dass sein Tank bald leer ist. Darum zieht er sich zurück. Und will ein Jahr Pause machen und danach schauen, ob er nochmals Lust auf Fussball hat.
«I’m the normal one, falls Sie so wollen», stellte er sich damals im Herbst 2015 vor. Die Journalisten kugelten sich vor Lachen, weil sie noch den bombastischen Selbstbeschrieb von José Mourinho im Ohr hatten («Ich bin der Besondere.»). Wie normal einer bleiben kann, der so verehrt wird wie Klopp und der dank Gehalt beim LFC und Werbung jährlich geschätzt 50 Millionen Franken verdient, bleibt dahingestellt. Aber vielleicht macht genau das Klopp aus, was die «Süddeutsche Zeitung» einmal geschrieben hat. «Es ist die Kunst der Helden des modernen Fussballs, ein privilegiertes Leben zu leben, ohne dass sich die Unterprivilegierten verarscht fühlen.» Klopp, bald 57, beherrscht diese Kunst wie keiner sonst.
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