Geheimer Einsatz der ArmeeRückpfiff für Cassis und Amherd
Der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats missfallen aufgeflogene Afghanistan-Pläne des Bundesrats mit zehn Schweizer Elitesoldaten. Sie fordert rechtzeitige Information und eine Mitsprache.
Die grosse Mehrheit der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats steht einem Einsatz von zehn Schweizer Elitesoldaten in Kabul kritisch gegenüber. Sie tut dies in einem Brief an den Bundesrat kund und fordert darin bei vergleichbaren Plänen künftig rechtzeitige Information und eine Mitsprache.
Die Bundesräte Ignazio Cassis (FDP) und Viola Amherd (CVP) wollten zehn Elitesoldaten des Armeedetachements 10 nach Afghanistan schicken, um dort sechs Schweizer Entwicklungshelfer beschützen zu lassen. Diese Helfer arbeiten in Kabul für die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza). Diese Zeitung berichtete Ende April über einen gemeinsamen Antrag für den neuen Afghanistan-Einsatz der Armee von Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) und Verteidigungsministerin Viola Amherd (CVP) an den Gesamtbundesrat. Dieser hätte noch vor den Sommerferien darüber entscheiden sollen.
Doch nach dem Bekanntwerden der Pläne reichten die beiden Bundesräte ihren Antrag bislang nicht ein. Dafür hatte sich Aussenminister Cassis vor der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats zu rechtfertigen. Das war am 25. und 26. Mai, wie aus dem Brief der Aussenpolitischen Kommission an den Bundesrat hervorgeht. Das Schreiben liegt dieser Zeitung vor.
Risiko für Schweizer Soldaten
Demnach beschloss die Kommission an ihrer Folgesitzung vom 29. und 30. Juni, dem Bundesrat einen Auftrag zu erteilen. Der Entscheid dazu fiel mit 19 zu 9 Stimmen. Demnach habe der Bundesrat künftig bei sämtlichen Auslandeinsätzen der Armee, die länger als einen Monat dauern, die Aussenpolitischen Kommissionen zu konsultieren.
Gemäss Militärgesetz kann der Bundesrat in eigener Kompetenz und ohne Genehmigung des Parlaments maximal zehn Angehörige der Armee für länger als drei Wochen dauernde Auslandeinsätze aufbieten.
Interessant: Die Aussenpolitische Kommission stützt sich im Brief nun aber nicht auf das Militärgesetz, sondern vielmehr aufs Parlamentsgesetz. Im entsprechenden Artikel heisst es: «Die für die Aussenpolitik zuständigen Kommissionen (…) können vom Bundesrat verlangen, dass er sie informiert oder konsultiert.» Genau das tut die APK nun mit ihrem Brief.
Aus demselben Schreiben, das vom 6. Juli datiert und an Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (SP) gerichtet ist, geht aber auch inhaltliche Kritik am Kabul-Einsatz hervor. Wörtlich heisst es: «Die Kommissionsmehrheit ist der Auffassung, dass sich Assistenzdienste der Schweizer Armee im Ausland nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Schweizer Neutralität, sondern auch in Bezug auf die Beziehungen zu den betroffenen Staaten als problematisch erweisen könnten.» Zudem sei auch das erhöhte Risiko für die dienenden Schweizer Soldaten in Betracht zu ziehen.
Bewältigung der Corona-Krise oberste Priorität
Eine Nachfrage beim Aussendepartement EDA über den Stand des Geschäfts ergibt, dass dieses offenbar verschoben ist. EDA und VBS hätten den Bundesrat im Juni orientiert, den Entscheid über den Assistenzdienst von Armeeangehörigen in Afghanistan auf den Herbst zu verschieben. Die Bewältigung der Corona-Krise in der Schweiz habe oberste Priorität, sagte EDA-Sprecher Pierre-Alain Eltschinger.
Gegenwärtig schützen Angehörige einer privaten Sicherheitsfirma die sechs Schweizer Deza-Mitarbeiter in Kabul. Diese Zwischenlösung werde nun vorläufig weitergeführt, sagt Eltschinger.
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