Paraplegiker wird SoldatRekrut im Rollstuhl
Der 21-jährige Lausanner Nouh Arhab hat sich mit vier Rekursen seinen Platz in der Schweizer Armee erkämpft.
Uniformität, Disziplin, Gehorsamkeit, Leistungsbereitschaft: Die Schweizer Armee hat genaue Vorstellungen davon, wie ihre Rekruten zu funktionieren haben. Entsprechend selektiert sie junge Bewerberinnen und Bewerber vor der Rekrutenschule. Den 21-jährigen Lausanner Paraplegiker Nouh Arhab wollte die Armee nicht bei sich, obschon er bei der Rekrutierung an seiner Diensttauglichkeit keine Zweifel aufkommen liess. Der Militärarzt habe ihm signalisiert, er sei dienstuntauglich, bevor er sich überhaupt ernsthaft mit ihm befasst habe, sagte Nouh Arhab der Zeitung «24 Heures».
Die ignorante Nonchalance des Mediziners weckte den Kämpfer in Nouh Arhab. Medizinisch, intellektuell und physisch fühlte er sich genauso bereit für den Militärdienst wie seine Mitbewerber. Und das Argument, er könnte mit dem Militärdienst seine Gesundheit gefährden, war für ihn eine simple Ausflucht. Also begann er, sich gegen seine Aussortierung zu wehren, damit ihm nicht dasselbe passiert wie in der Volksschule. Dort wurde er ausgemustert und sonderbeschult – gegen seinen Willen. Der 21-jährige Webdesigner bemerkte rasch: Wer gegen die Armee in den Kampf zieht, braucht überdurchschnittlich viel Ausdauer, um als Sieger vom Feld zu ziehen.
Rekurse und Gespräche
Wenig überraschend schickte die Armee Nouh Arhab als Erstes zu einem Psychologen. Dieser hatte am Gemütszustand des Lausanners auch nach eingehender Prüfung nichts auszusetzen. Körperlich sei er seit Geburt handicapiert, aber seelisch und geistig topfit, lautete die Expertise. Trotz des Empfehlungsschreibens des Seelenarztes brauchte es vier weitere Rekurse und am Ende ein Gespräch mit nicht weniger als vier Medizinern diverser Fachrichtungen, bis die Armee Nouh Arhabs Aussortierung annullierte und ihm einen Marschbefehl schickte. 18 Monate lang hatte der Lausanner für sein Recht gekämpft, Militärdienst leisten zu dürfen. Der Kampf machte ihn zu einem Pionier. Nouh Arhab ist der erste auf einen Rollstuhl angewiesene Rekrut der Schweizer Militärgeschichte.
«Die Leute um mich herum achten nicht mehr auf mein Handicap.»
Seit dem 15. März dient Nouh Arhab auf dem Waffenplatz Payerne als Rekrut. Seine Diensttage beginnt er bereits um 5 Uhr, früher als alle anderen, weil er mehr Zeit braucht, um sich anzuziehen, sich zu duschen und zu frühstücken. Das aber ist ihm seine Zeit im Militär wert. Tagsüber arbeitet er im Büro und versucht seine gute Laune auch auf die anderen zu übertragen. Das Militär hat seine Haltung ihm gegenüber geändert. Nouh Arhab sagt: «Die Leute um mich herum achten heute nicht mehr auf mein Handicap. Das ist sehr angenehm.» Auch für seinen Vorgesetzten, Oberst Alexandre Beau, ist klar: «Er ist ein Rekrut wie alle anderen.» Falls das jemand anders sähe, gehöre das sofort abgestellt.
Nur wenn Nouh Arhab in Payerne den Zug nimmt und zurück nach Lausanne fährt, beobachtet er, dass Leute teilweise komisch reagieren. «Gewisse Leute denken, ich hätte mich mit einer Militäruniform verkleidet, machen entsprechende Bemerkungen oder fragen mich nach meiner Identitätskarte.» Auf solches Verhalten reagiere er nicht, sondern zücke jeweils seinen Marschbefehl, und die Sache sei für ihn geregelt. Das Leben hat ihn gelehrt, sich nicht einschüchtern zu lassen. Seiner Mutter sagten die Ärzte nach der Geburt, ihr Sohn habe nur drei bis fünf Tage zu leben. «So etwas prägt und stärkt die Psyche», sagt Nouh Arhab. Er habe sein Handicap immer akzeptiert und sich gleichzeitig gesagt, dass im Leben nichts unmöglich sei.
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