Reise nach AlaskaKreuzfahrt zu den Eisriesen
Im Sommer ist der nördlichste Bundesstaat der USA ein äusserst populäres Cruiserevier. Mit der Eurodam von der Traditionsreederei Holland America Line zu kalbenden Gletschern und weiteren Naturphänomenen.
Es knistert leise, als würde feines Pergamentpapier in der Hand zerdrückt. Aber es sind nur die Schichten von losem Eis, die auf dem milchig-grünen Wasser des Johns Hopkins Inlet treiben und aneinanderreiben.
Die Vormittagssonne tanzt auf den Kristallen, und das Licht wirkt wie ein Teppich aus funkelnden Diamanten, der auf die Gesichter der Passagiere reflektiert wird. Diese sind mit der Eurodam, einem 285 Meter langen Kreuzfahrtschiff der Holland America Line, gerade in die westliche Seitenbucht der Glacier Bay im Süden Alaskas eingebogen. Der Spot ist das Highlight der einwöchigen Kreuzfahrt von Seattle hinauf in den nördlichsten Bundesstaat der USA.
Wie auf Bestellung haben sich die tief hängenden Wolken der letzten Tage aufgelöst. Ein hellblauer Himmel strahlt mit schneebedeckten Gipfeln um die Wette. Der 19 Kilometer lange John-Hopkins-Gletscher funkelt dazu in Blau- und Türkistönen und lässt massige Eisbrocken mit Getöse ins Wasser stürzen. «It’s showtime!», ruft der Mann mit der gelben Wind- und Wetterjacke, der vorne am Bug des Kreuzfahrtschiffes steht und immer wieder mit dem Handy auf einen der beeindruckendsten Gletscher Nordamerikas hält.
Eine der gletscherreichsten Regionen
Mit etwa 100’000 Eisgiganten gehört Alaska zu den gletscherreichsten Regionen der Welt. Gerade mal 27’000 davon wurden von der USGS (United States Geological Survey) erfasst. Viele sind nur vom Wasser aus zu bestaunen, 650 tragen einen eigenen Namen. Aber sie schmelzen durch den Klimawandel hundertmal schneller als gedacht. Seit Anfang der 1980er-Jahre nimmt der Gletscherschwund mit steigender Geschwindigkeit zu.
«Gletscher sind ein dynamisches Ökosystem und ein lebendiges Labor. Sie verändern sich ständig», sagt Jane. Die Glacier-Bay-Park-Rangerin, die an Bord der Eurodam gestiegen ist, füllt mit dem Vortrag am Nachmittag locker die Worldstage-Arena, die sich über drei Decks im Schiff erstreckt und abends für grosse Unterhaltungsshows reserviert ist.
Fast einen ganzen Tag wird sie den Kreuzfahrtgästen an unterschiedlichen Orten auf dem Schiff die eiskalte Welt erklären. Über 600 Tierarten sind hier heimisch, dazu kommen 200 Vogelarten.
Draussen auf dem Deck beim Wildlifespotting erweisen sogar die Buckelwale Jane den Gefallen, im richtigen Moment aufzutauchen. «Gletscher kennen wir ja auch in der Schweiz», sagt Maya aus dem Val Müstair, «aber dass sie ins Meerwasser kalben, das ist schon etwas Besonderes.» Genauso wie die Robben, die sich zwischen den Eisschollen tummeln.
In der Einfahrt zur Glacier Bay hat die Natur kreisrunde Minifelsinseln wie kleine grüne Pünktchen ins Wasser gesetzt. Dazwischen lassen sich immer wieder dunkle Schatten entdecken: Die Region ist bekannt als Spielplatz von Buckelwalen und Orkas. Dick in Wolldecken eingemummelt sitzen die Passagiere der Eurodam auf den Stühlen im Aussenbereich und halten Ausschau. Der Nationalpark Glacier Bay lässt sich nur vom Schiff aus entdecken. Mehr als zwei grössere Cruiser dürfen sich hier pro Tag nicht aufhalten. Damit soll das empfindliche Ökosystem geschützt werden.
Goldgräberstimmung in Juneau
Am Tag zuvor lernten die Passagiere auf einem Busausflug von Juneau aus die Eiswelten Alaskas kennen. Am 3. Oktober 1880 hatten Joseph Juneau und sein Partner Dick Harris in einem Bach in der Nähe Gold gefunden. Das lockte viele Abenteurer in das Gebiet, das 20 Jahre später zur Hauptstadt von Alaska wurde. Die vorherige Kapitale Sitka war noch unter russischer Verwaltung bestimmt worden.
Als der Walfang hier zusammenbrach, ging es mit der Wirtschaft rasch bergab. Juneau versprach dagegen Aufschwung und eine florierende Zukunft.
Heute ist die 32’000 Einwohner zählende Stadt Sitz der Staatsverwaltung und Ausgangspunkt zum meistbesuchten Gletscher Alaskas, dem Mendenhall Glacier. Dem 3800 Quadratkilometer grossen Juneau-Eisfeld entspringen 140 Gletscher. Der 20 Kilometer lange Mendenhall Glacier lockt seit über 100 Jahren Wissenschaftler und Reisende aus aller Welt an.
Megan zieht die olivfarbene Wollmütze tiefer über die Ohren; es hat zu regnen begonnen. «Das genau ist das Problem», sagt die junge Frau vom Besucherzentrum, das 1962 auf einer Anhöhe über dem Eisgiganten gebaut wurde. «Damit der Gletscher nicht noch mehr schmilzt, müsste es schneien. Aber stattdessen regnet es hier im Winter viel, und die sommerlichen Temperaturen steigen.»
Klimaveränderung hin oder her: Viele Amerikaner zieht es hinauf nach Alaska. Seit über 75 Jahren steuern die Schiffe der Holland America Line (HAL) den 49. US-Bundesstaat an. 2024 gehen sechs der elf Schiffe umfassenden Flotte hier im Norden auf Expedition.
Jahrzehntealter Pilz am Wegesrand
Bella trägt ihr langes Haar zu Zöpfen gebunden unter einer orangefarbenen Mütze, die einen schönen Kontrast bietet zum üppigen Grün der Umgebung. Vorhin ist die Naturführerin mit ihrer Passagiergruppe in einem Boot über einen See in der Nähe von Sitka gepaddelt, wo die Eurodam angelegt hat. Nun bückt sie sich am Rande eines Pfads zu einem seltsamen braunen Etwas, das an einem umgefallenen Baumstamm klebt. Es ist ein Pilz, der schon Jahrzehnte alt ist. Eine seltsame Spielart der Natur, die im Kalten Regenwald ein besonders fruchtbares Terrain gefunden hat.
In den Kronen der riesigen Bäume haben sich derweil die Wolken verfangen, Flechten hängen von den Ästen wie wabernde Haarbüschel.
«Vieles, was ihr seht, gibt es nur hier», bringt Bella die Einzigartigkeit dieser im feucht-kühlen Klima wuchernde Vegetation auf den Punkt. «Ich hatte mit mehr Eis gerechnet», sagt John aus Connecticut, der sich für diesen Ausflug entschieden hat. «Aber das macht nichts. Mich stört der Regen nicht, solange es so etwas Faszinierendes zu sehen gibt.»
Die Reise wurde unterstützt von Holland America Line.
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