Energiestrategie knapp genehmigtRegierungsrat Martin Neukom
entgeht einer Strafaufgabe
Erstmals hat der Kanton Zürich eine Strategie für seine Energieversorgung. Ein Rückweisungsantrag der FDP scheiterte im Kantonsrat hauchdünn.
Mit nur einer Stimme Unterschied (87:86) stimmte der Kantonsrat am Montagmorgen der Energiestrategie des Regierungsrats zu. Somit muss der grüne Baudirektor Martin Neukom das 50-seitige Dokument nicht überarbeiten, wie es die Gegner verlangt hatten. Trotz des knappen Resultats ist das ein Erfolg für Neukom. Er ist der erste Regierungsrat, der eine Energiestrategie verfasst hat, die für alle Zürcher Behörden verbindlich wird.
Früher war die Strategie im Energieplanungsbericht festgehalten. Die Berichte von Neukoms Vorgänger Markus Kägi (SVP) hatte der Kantonsrat in den letzten zehn Jahren allesamt abgelehnt. 2011 hatte der Regierungsrat seinen Bericht sogar selbst zurückgezogen, um seine Planung nach der Atomkatastrophe von Fukushima grundlegend zu überdenken.
Ziel der am Montag bewilligten Energiestrategie ist es, die Potenziale der erneuerbaren Energiequellen möglichst vollständig zu nutzen. Der Kanton soll in der Energieversorgung so unabhängig wie möglich werden.
Gemäss Neukoms Prognosen in dem Bericht sollte der Kanton Zürich seinen Bedarf an Wärme im Jahr 2050 zu 100 Prozent selbst decken können. Beim Strom soll der Selbstversorgungsgrad im gleichen Jahr 57 Prozent betragen. Den restlichen Strom muss Zürich weiterhin in anderen Kantonen und im Ausland einkaufen.
Vollauf zufrieden mit der Strategie waren im Kantonsrat eigentlich nur die Grünen. David Galeuchet (Bülach) gratulierte Neukom und sprach von einem ausgezeichneten Plan.
Vier Zusatzaufträge der FDP
Gar nicht zufrieden waren hingegen die Freisinnigen. Für sie ist die Strategie zu wenig detailliert. «Uns stört nicht, was drinsteht, sondern was nicht drinsteht», sagte Barbara Franzen (Niederweningen). Darum verlangte sie im Namen der FDP die Rückweisung des Berichts mit vier Aufträgen. Es brauche konkrete Massnahmen für alle Energieträger, eine Strategie zur Stromspeicherung, eine Strategie über die Stromverteilung und zu guter Letzt auch eine neue Struktur des Berichts.
«Herr Neukom will alles prüfen, doch die Zeit des Prüfens ist vorbei, wir brauchen jetzt eine absolute Versorgungssicherheit.»
Diesem Antrag schlossen sich die SVP und die Mitte an. «Der Regierungsrat baut zu sehr auf das Prinzip Hoffnung, was die künftige Energieversorgung angeht», sagte Ulrich Pfister (Esslingen). Überraschend sprach er sich im Namen der SVP für den Ausstieg aus den fossilen Energien aus. Allerdings müsse die Energiestrategie zeigen, was das für die Bürgerinnen und Bürger bedeute.
Besonders deutlich wurde Paul von Euw (SVP, Bauma). «Herr Neukom will alles prüfen, doch die Zeit des Prüfens ist vorbei, wir brauchen jetzt eine absolute Versorgungssicherheit.»
Linke spricht von Ablenkungsmanöver
Auch SP und GLP waren mit dem Bericht nicht vollauf zufrieden. Den Sozialdemokraten fehlte es an Etappenzielen, und Franziska Barmettler (Zürich), die Sprecherin der Grünliberalen, nahm das Wort «Knorz» in den Mund. Doch beiden Parteien ging die Rückweisung der Strategie zu weit.
Rosmarie Joss (SP, Dietikon) sprach von einem Manöver der FDP. Sie wolle von den Versäumnissen der freisinnigen Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh ablenken, die bei der Dekarbonisierung des Verkehrs keinen Plan habe. Eine Rückweisung bringe nichts als bürokratischen Leerlauf. «Sie halten die Verwaltung vom Arbeiten ab», sagte Joss zur FDP.
«Sie verhindern hier, dass wir bei den Erneuerbaren weiterkommen, damit sie mit ihrer rückwärtsgewandten Energiepolitik weiterfahren können.»
Nicola Siegrist (SP, Zürich) kritisierte SVP und FDP scharf. Die Bürgerlichen verlangten konkrete Massnahmen, die sie dann regelmässig torpedierten. Er nannte vier Vorstösse zur Energiewende, die von der FDP nicht unterstützt worden sind. Es ging um die Förderung der Solarenergie, um eine Stromspeicherstrategie, um höhere EKZ-Tarife für Solarstromproduzenten und um eine Solarpflicht bei Neubauten.
Der SVP warf Siegrist vor, sie habe eben einen Grossangriff gegen die Windenergie gestartet. «Sie verhindern hier, dass wir bei den Erneuerbaren weiterkommen, damit sie mit ihrer rückwärtsgewandten Energiepolitik weiterfahren können.»
Neukom lobt Rösti
Neukom gab sich gelassen zum Rückweisungsantrag. «Wir können selbstverständlich mehr ausführen, wenn Sie das wünschen.» Er betonte aber, dass bei der Dekarbonisierung im Verkehr der Bund im Lead sei. Er sei deswegen im Gespräch mit SVP-Bundesrat Albert Rösti und fügte an: «Herr Rösti macht in Bern einen anständigen Job.»
Für die Rückweisung der Energiestrategie stimmte auch Isabel Garcia, die zehn Tage nach den Wahlen von der GLP zur FDP übergetreten ist. Doch ihre Stimme half den Bürgerlichen diesmal nicht, die Mehrheit im Kantonsrat auf ihre Seite zu kippen.
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