Parlamentswahlen in FrankreichRegierung Macron bangt um ihre absolute Mehrheit
Das Linksbündnis der Nupes könnte die Allianz des französischen Staatspräsidenten bei der zweiten Runde der Parlamentswahlen am Sonntag in Bedrängnis bringen.
Der Freitag ist vor jeder grossen Wahl in Frankreich der Tag, an dem noch überredet und überzeugt werden darf. Und vor der zweiten Runde der Parlamentswahl sind die grösste zu mobilisierende Gruppe die Nichtwählerinnen und Nichtwähler. Etwas mehr als 50 Prozent der wahlberechtigten Franzosen hatten am vergangenen Sonntag darauf verzichtet, ihre Stimme abzugeben. Bei den unter 35-Jährigen waren es sogar 70 Prozent.
Genau diese Altersgruppe versuchte die linke Nupes-Allianz in der Woche zwischen den Wahlgängen aufzurütteln. Und erklärte sie kurzerhand zur «Generation Nupes». So stand es wenigstens auf dem riesigen Banner, das Jean-Luc Mélenchon, der linke Chef von La France Insoumise, gemeinsam mit dem Grünen Julien Bayou am Freitagvormittag über den Pariser Canal Saint-Martin spannte. Hier am Kanal trinken die jungen Menschen Wein aus Plastikbechern. Und vielleicht lassen sie sich ja doch noch in Richtung Wahlbüro schubsen.
Linke will stärkste Oppositionsmacht werden
Die Nupes (Nouvelle Union Populaire Écologique et Sociale), ein Bündnis, zu dem La France Insoumise, Europe Écologie Les Verts, die Sozialisten und die Kommunisten gehören, kann am kommenden Sonntag laut Umfragen zwischen 179 und 225 Sitzen (von insgesamt 577) gewinnen. Das würde zwar nicht ausreichen, um Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dazu zu zwingen, eine linke Regierung zu ernennen, doch die links-grüne Allianz steuert darauf zu, die mit Abstand mächtigste Opposition in der Nationalversammlung zu werden.
Die Parteienallianz hinter Macron hingegen muss um ihre absolute Mehrheit bangen. In der zu Ende gehenden Legislaturperiode kam dem Parlament kaum Gewicht zu, da Macrons Partei La République en Marche nicht auf Unterstützung anderer Fraktionen angewiesen war, um das Programm des Präsidenten umzusetzen. Dieses Mal sehen die Prognosen Macron und seine Verbündeten (MoDem und Horizons) gemeinsam bei 252 bis 292 Sitzen. Sprich: Höchstens knapp über der absoluten Mehrheit, die mit 289 Sitzen erreicht wäre.
Macron müsste nach rechts rücken
Bei unter 289 Sitzen wäre die Macron-Allianz bei jeder Abstimmung auf zusätzliche Stimmen angewiesen. Im Zweifel von den Républicains. Das würde nicht nur bedeuten, dass deutlich mehr Absprachen und Kompromisse nötig werden, sondern auch, dass Macrons Mitte, weil sie auf die Stimmen der Républicains angewiesen ist, weiter nach rechts rückt.
Wie viel für Präsident und Regierung bei der Wahl am Sonntag auf dem Spiel steht, liess sich bereits nach dem ersten Wahlgang erkennen. Statt klare Wahlempfehlungen auszusprechen, kamen aus der Ministerriege widersprüchliche Aussagen. So rief der Bildungsminister Pap Ndiaye dazu auf, «den Rechtsextremen keine Stimme zu geben», während die Regierungssprecherin Olivia Grégoire sagte, man werde «von Fall zu Fall entscheiden».
In der Regierung scheint es keine Einigkeit darüber zu geben, ob die Rechtsextreme Marine Le Pen mit der linken Nupes-Allianz gleichzusetzen ist. Um Abgeordnete von Le Pens Rassemblement National (früher Front National) in der Nationalversammlung zu verhindern, schlossen sich Frankreichs Parteien bisher bei Wahlen zum «Front Républicain» zusammen, zur Front der republikanischen Kräfte. Diese Formel haben einzelne Macron-Anhänger nun auch auf die linke Allianz übertragen. So rief die Ex-Sportministerin Roxana Maracineanu diese Woche zu einem «Front Républicain» gegen ihre Konkurrentin von der Nupes, Rachel Keke, auf.
Macron attackiert Mélenchon
Macrons Team konzentriert sich in seinen Angriffen auf die EU-allergische Haltung des Nupes-Anführers Jean-Luc Mélenchon, der in der Vergangenheit durch Putin-freundliche und antisemitische Kommentare aufgefallen war. Präsident Macron nutzte seine Reise nach Kiew am Donnerstag gemeinsam mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz, dem italienischen Premier Mario Draghi und dem rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis, um sich als Staatschef mit internationalem Führungsanspruch zu zeigen.
Mélenchon hingegen setzte am letzten Wahlkampftag nicht nur auf die Mobilisierung junger Wähler, sondern auch auf sein neu geschaffenes Image als Umweltschützer. Als er am Freitagmorgen sein Generation-Nupes-Plakat am Canal Saint-Martin ausrollte, stand in Paris die Luft – die erste Hitzewelle des Jahres. «Die Regierung begreift nicht den Ernst der Situation», sagte Mélenchon. Die Premierministerin rate dazu, «Wasser zu trinken», statt Massnahmen gegen die Klimakrise zu ergreifen.
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