USA schliessen chinesisches KonsulatRausschmiss von Houston brüskiert China
Die angespannten Beziehungen zwischen Washington und Peking erreichen einen neuen Tiefpunkt. Die Chinesen drohen mit Vergeltungsmassnahmen.
Der erste Notruf ging um kurz nach 20 Uhr am Dienstagabend ein: Feuer am Montrose Boulevard, Hausnummer 3417, in Houston, Texas, eine Rauchsäule über dem chinesischen Generalkonsulat, dem ältesten in den Vereinigten Staaten. Feuerwehr und Polizei rückten aus, doch was die Einsatzkräfte vorfanden, war kein gewöhnlicher Brand.
Im Hof des Konsulats loderten hektisch angesteckte Feuer in Mülltonnen, in die Diplomaten eilig Unterlagen warfen. Wie sich im Laufe der Nacht auf den Mittwoch herausstellte, hatte das US-Aussenministerium die Schliessung der chinesischen Vertretung angeordnet. Zugang zum Konsulatsgebäude Chinas bekamen weder die Feuerwehr noch die Polizei der Stadt Houston.
Die Entscheidung des US-Aussenministeriums verschärft die Spannungen zwischen den beiden grössten Volkswirtschaften, die schon wegen Chinas Umgang mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie, der Handelspolitik und des harten chinesischen Vorgehens in Hongkong und in Xinjiang im Streit liegen.
Von einer «beispiellosen Eskalation» sprach das Aussenministerium in Peking. Das Verhältnis zu den USA ist aus chinesischer Sicht so schlecht wie seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1979 nicht mehr. In jenem Jahr war auch das chinesische Generalkonsulat in Houston eröffnet worden.
Spionagevorwürfe gegen China
«Wir fordern die USA auf, ihre falsche Entscheidung sofort zurückzuziehen», sagte ein Sprecher des Pekinger Aussenministeriums am Mittwoch. «Ansonsten wird China eine legitime und notwendige Reaktion geben.» Nach Angaben in Staatsmedien waren den chinesischen Diplomaten nur 72 Stunden gegeben worden, um die USA zu verlassen.
Die Schliessung des Konsulats in Houston sei angeordnet worden, «um amerikanisches geistiges Eigentum und private amerikanische Informationen zu schützen», teilte in Washington eine Sprecherin des Aussenministeriums mit. Gemäss der Wiener Konvention hätten Diplomaten die Gesetze und Vorschriften des jeweiligen Gastlandes zu respektieren. Auch hätten sie die Pflicht, «sich nicht in innere Angelegenheiten des Staates einzumischen». Details nannte sie zunächst nicht.
Allerdings hatte das US-Justizministerium am Dienstag Anklage gegen zwei chinesische Hacker erhoben, die mit der Hilfe chinesischer Geheimdienstmitarbeiter versucht haben sollen, in den USA Firmen auszuspionieren, die an der Entwicklung von Corona-Impfstoffen arbeiten. Ziel seien Unternehmen in den Bundesstaaten Maryland und Massachusetts gewesen.
Von 2009 an haben die Beschuldigten gemäss Anklage Firmengeheimnisse im Wert Hunderter Millionen Dollar erbeutet, ebenso wie militärische Informationen und persönliche Daten chinesischer Dissidenten wie etwa Passwörter. Das Aussenministerium in Peking hat die Anschuldigungen als absurd zurückgewiesen und jegliche Beteiligung des chinesischen Staates bestritten.
China dürfte nun die Schliessung der US-Vertretung in Wuhan beschliessen.
Das chinesische Konsulat in Houston ist vergleichsweise gross – mit Dutzenden Diplomaten. Es ist zuständig für die Südstaaten der USA. Im diplomatischen Geschäft folgt auf eine drastische Massnahme wie die Schliessung eines Konsulats oder die Ausweisung von Diplomaten meist eine gleichartige Gegenreaktion. Vergeltungsmassnahmen Pekings könnten eines der fünf Konsulate der Vereinigten Staaten in China treffen. Diese befinden sich in Chengdu, Guangzhou, Shanghai, Shenyang und Wuhan. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters ist eine Schliessung der US-Vertretung in Wuhan am wahrscheinlichsten.
Im Frühjahr hatte die Regierung in Washington angeordnet, Vertreter chinesischer Staatsmedien nicht mehr als Journalisten zu betrachten. Ausserdem wurde die Zahl der Visa für sie von 160 auf 100 reduziert. Als Gegenmassnahme verwies die chinesische Regierung gut ein Dutzend Korrespondenten von «Washington Post», «New York Times» und «Wall Street Journal» des Landes. Derzeit erwägt die Regierung in Washington ein Einreiseverbot für Mitglieder der Kommunistischen Partei und ihre Familien. Ein solcher Schritt könnte 270 Millionen Menschen betreffen. Die KP Chinas ist Ziel beinahe täglicher Attacken der Amerikaner, vor allem von US-Aussenminister Mike Pompeo.
2017 traf es Russland
Es ist nicht das erste Mal, dass die USA die Schliessung eines Konsulat eines anderen Staates anordnen. Im Jahr 2017 musste Russland auf Anweisung der Regierung von Präsident Donald Trump sein Konsulat in San Francisco schliessen und den Betrieb weiterer Einrichtungen bei New York und in Washington einstellen. Das hatte Washington damit begründet, dass Russland versucht habe, die Präsidentenwahlen in den USA im Jahr 2016 zu beeinflussen, obwohl Trump selbst eine solche Einflussnahme immer in Abrede gestellt hat.
Dennoch ist die Schliessung einer diplomatischen Vertretung ein aussergewöhnlicher und seltener Schritt. Unklar blieb vorerst, warum das Konsulat in Houston betroffen ist und nicht eine der anderen Vertretungen Chinas in New York, Chicago, Los Angeles oder San Francisco.
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