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Omikron im Vormarsch
Quarantäneregeln sollen gelockert werden

Wer in Isolation oder Quarantäne muss, fehlt am Arbeitsplatz. Das wird in der Schweiz immer mehr zum Problem.
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Der deutsche Virologe Christian Drosten ist nicht der erste, aber der einflussreichste Fachmann, der eine Abschaffung der Quarantäne ins Spiel bringt: Ihre Einhaltung sei angesichts der hohen Fallzahlen kaum noch zu gewährleisten, sagte Drosten in seinem jüngsten Podcast. Die Quarantäne drohe deshalb zu einem «Papiertiger» zu werden.

Auch für eine Verkürzung der Isolation für Infizierte auf nur eine Woche zeigt sich Drosten offen. Das dann, wenn sie in essenziellen Branchen wie etwa der Medizin arbeiteten, milde Verläufe aufwiesen und negative Schnelltests zum Ende der Erkrankung vorlegen könnten. «Wir reissen das Tor nicht komplett auf, aber wir müssen die Tür für das Virus an einigen Stellen öffnen», sagte Drosten. Die Politik müsse entscheiden, an welchen.

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Die Omikron-Welle bringt auch in der Schweiz die Fallzahlen zum Explodieren. Entsprechend erreicht die Zahl der Personen in Quarantäne oder Isolation täglich neue Rekordhöhen. Am Mittwoch meldete das Bundesamt für Gesundheit 118’000 Betroffene, die an ihren Arbeitsplätzen fehlen.

Gleichzeitig wird aber auch immer deutlicher, dass die Omikron-Variante bei Geimpften und Ungeimpften zu milderen Krankheitsverläufen führt. Die Hospitalisierungszahlen sind trotz steigender Fallzahlen vorläufig stabil oder sinken sogar leicht.

Drostens Vorschlag stösst deshalb in der Schweiz auf offene Ohren. Am deutlichsten wird Economiesuisse: Der Wirtschaftsdachverband fordert eine landesweite Verkürzung der Quarantäne und der Isolation auf fünf Tage für symptomfreie Personen – also das Regime, das in den USA unter Berufung auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse bereits jetzt gilt.

Gewerbeverband für Abschaffung

Auch der Gewerbeverband befürwortet «jede Verkürzung oder sogar die Abschaffung der Vorschriften», sagt Kommunikationschefin Corinne Aeberhard. Quarantäne und Isolation seien insbesondere für KMU eine immense Belastung. Aeberhard macht aber eine Einschränkung: Ob die Vorschriften in der jetzigen Lage gelockert werden könnten, müssten Experten beurteilen.

Dem Arbeitgeberverband wiederum reicht es gemäss Sprecher Fredy Greuter nicht, dass die Quarantänefrist landesweit auf sieben Tage verkürzt wird. «Zusätzlich sollten für gewisse Branchen und Berufe, etwa im Gesundheitswesen, Ausnahmebewilligungen erteilt werden.»

Hotelleriesuisse-Präsident Andreas Züllig weist darauf hin, dass der Ausfall an Mitarbeitern in Quarantäne aktuell fast nicht mehr zu bewältigen sei und zu massiven Mehrkosten, Umsatzausfällen oder gar Betriebsschliessungen führe. «Menschen, die nicht infiziert sind und das Virus nicht weitergeben, sollen nicht vom Arbeitsplatz ferngehalten werden», sagt er.

Eine Verkürzung der Quarantänefrist auf mindestens sieben Tage – oder, wenn medizinisch vertretbar, auf fünf Tage – würde auch der Verband öffentlicher Verkehr begrüssen. «Das gäbe eine wesentliche Entlastung für jene Betriebe, die unter Personalknappheit leiden», sagt Direktor Ueli Stückelberger.

Der Spitalverband H+ bedient sich der Möglichkeitsform: «Um zusätzliche Personalausfälle zu vermeiden, könnte man die Quarantäne aufheben beziehungsweise verkürzen», sagt Sprecherin Dorit Djelid. Zusätzlich könnte man positiv getestete Fachpersonen ohne Symptome nach fünf Tagen wieder einsetzen, allerdings nur in Corona-Abteilungen.

Wegen strenger Quarantäneregeln könnte dringend benötigtes Personal in den Spitälern fehlen.

Zurückhaltender tönt es von den Gewerkschaften: Die Dauern von Quarantäne und Isolation seien medizinische Entscheidungen, sagt Gewerkschaftsbund-Sprecher Benoît Gaillard. Die Arbeitnehmenden müssten aber geschützt werden: «Wenn durch Verkürzungen die Gefahr einer Ansteckung am Arbeitsplatz steigt, müssen die Schutzkonzepte angepasst und gut überprüft werden.»

Politischer Schub für Verkürzungen

Gesundheitspolitikerinnen und -politiker im Nationalrat zeigen sich grundsätzlich offen für Anpassungen – mahnen aber auch zur Vorsicht. CVP-Gesundheitsfachfrau Ruth Humbel sagt: «Es stellt sich die Frage, ob die derzeitigen Quarantäne- und Isolationsregeln geeignet sind, eine Überlastung der Spitäler zu verhindern.» Humbel beantwortet die Frage mit Nein: «Bei den derzeit hohen Fallzahlen ist eine Kontrolle kaum möglich und die Dunkelziffer hoch.»

Humbel weist darauf hin, dass gemäss Covid-Gesetz die Geimpften bereits jetzt gar nicht in Quarantäne müssen. Und: «Die Isolation für Infizierte darf nur so lang wie nötig und muss so kurz wie möglich sein.» Bei milden Verläufen und guten Schutzmassnahmen sei für Berufsgruppen, wo Homeoffice nicht möglich ist, eine Verkürzung vorzusehen.

Flavia Wasserfallen, Humbels SP-Kollegin in der Gesundheitskommission, möchte zwar keine konkrete Forderung aufstellen. Aber sie zeigt sich zuversichtlich, «dass der Bundesrat auf wissenschaftlicher Grundlage Anpassungen vornimmt und die Massnahmen immer wieder überprüft, damit die Gesundheitsversorgung sichergestellt ist und für Gesellschaft und Wirtschaft so wenige Einschränkungen wie nötig entstehen».

Marcel Dobler, FDP-Vertreter in der Gesundheitskommission, findet es bei der aktuellen Spitalauslastung «absurd, wenn eine gesunde Ärztin im Spital fehlt, weil sie mit einem Infizierten in Kontakt war, aber selbst symptomfrei ist und täglich getestet wird». Die Quarantäne in der jetzigen Situation abzuschaffen, wäre aber ein Fehler: «Die Omikron-Verläufe sind offenbar milder, aber noch haben wir ein Drittel Delta-Fälle, die zu schweren Verläufen führen.»

Balthasar Glättli, Präsident der Grünen, sagt, wenn sich wissenschaftlich tatsächlich bestätigen sollte, dass Omikron weniger lang ansteckend sei, dann könne man die Isolation selbstverständlich verkürzen oder zum Beispiel nach einem negativen Schnelltest aufheben.

BAG und Taskforce diskutieren Anpassungen

Jan-Egbert Sturm von der Corona-Taskforce bestätigt, dass die Taskforce und das Bundesamt für Gesundheit über eine weitere Verkürzung der Quarantänefrist diskutieren. Da sich die Omikron-Variante des Coronavirus exponentiell verbreite, sei absehbar, dass es künftig zu Engpässen kommen könne, wenn grosse Teile der arbeitenden Bevölkerung in Quarantäne seien.

«Der Ansteckungszeitraum bei Omikron scheint kürzer zu sein als bei früheren Varianten», sagt Jan-Egbert Sturm, Mitglied der Corona-Taskforce.

«Wir beobachten gerade, dass die Effektivität der Quarantänemassnahmen abnimmt», sagt Sturm. «Zudem steigen die Kosten schon jetzt stärker an, als wir gedacht haben.» Die Kosten entstehen, weil so viele Personen nicht arbeiten können. Die Taskforce prüfe zurzeit, wie lange Menschen, die mit der Omikron-Variante infiziert seien, andere Personen anstecken könnten. «Der Ansteckungszeitraum scheint kürzer zu sein als bei den bisherigen Varianten», sagt Sturm.

Deutsche Experten sagten am Mittwoch an einer Pressekonferenz des Science Media Center Deutschland, dass eine verkürzte Quarantäne mit einer strengen Testung kombiniert werden sollte. Menschen aus der Isolation oder der Quarantäne zu entlassen, sollte nur nach einem negativen Corona-Test erfolgen, sagte Jörg Timm vom Universitätsklinikum Düsseldorf.

Die Box «Quarantäneregeln in der Schweiz» ist am 6.1.2022 aktualisiert worden.